EMS-Tag 2017 Vom Brexit zu den Folgen der digitalen Transformation
Beim diesjährigen EMS-Tag standen Vorträge zur politischen und wirtschaftlichen Situation nach dem Brexit und der Trump-Wahl im Vordergrund. Darüber hinaus gab es Tipps zur Unternehmens- und Personalführung. Der Beitrag fasst einige Highlights des Tages zusammen.

Für viele Manager aus der Elektronikfertigerbranche ist der EMS-Tag in den zurückliegenden 15 Jahren zum Pflichttermin geworden. Auch 2017 wartete das Managerseminar mit hochkarätigen Referenten und Vortragsthemen auf. Johann Wiesböck, Chefredakteur und Publisher der ELEKTRONIKPRAXIS, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und übergab die Moderation an die Fachjournalistin und Branchenexpertin Claudia Mallok, die eloquent und fachkundig durch das Vortragsprogramm führte.
Zum Auftrakt referierte Dr. Andreas Gontermann, der Chefvolkswirt des ZVEI, über die inländischen und weltweiten Trends der Elektro- und Elektronikindustrie. Der Leiter der Marktgruppe des Verbandes wartete zunächst mit den Eckzahlen der Branche auf, die mit rund 180 Milliarden Euro etwa zehn Prozent des deutschen Industrieumsatzes leistet sowie 853.000 Menschen beschäftigt und damit der zweitgrößte Industriezweig in Deutschland nach dem Maschinenbau ist. Für 2017 rechnet der Verband mit einem Produktionswachstum von 1,5 Prozent
Im zurückliegenden Jahr, so Gontermann, sei die Weltwirtschaft mit einer Reihe von „konjunkturellen Schockereignissen“ konfrontiert worden, beginnend mit Börsenturbulenzen in China, dem Brexit-Votum im Juni, dem Putschversuch in der Türkei, der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, dem gescheiterten Verfassungsreferendum in Italien und zuletzt dem OPEC-Beschluss, die Ölfördermenge zu drosseln, um den Verfall des Rohölpreises zu bremsen.
„Die geopolitische Unsicherheit bleibt“, so der ZVEI-Chefvolkswirt. Obwohl ein breiter Aufschwung erwartet wird, gibt es gemischte Signale. So wachse der Welthandel schneller als das weltweite Sozialprodukt und auch die Investitionstätigkeit flache ab. Im Euroraum gehe die Investitionstätigkeit sogar zurück. Eine Rezession sei zudem mittelfristig nicht unwahrscheinlich. Gontermann verwies darauf, dass es etwa alle zehn Jahre zu einer Rezession komme; die letzte habe sich im Jahr 2008 ereignet.
Fragezeichen über Fragezeichen produziert zudem der gegenwärtige Bewohner des Weißen Hauses in Washington, Donald Trump. Die sogenannten Trumponomics seien einerseits durch expansive Maßnahmen wie steigende Staatsausgaben, sinkende Steuern, Deregulierung und das „Heimholen von Gewinnen“ gekennzeichnet. Dem stünden jedoch genau entgegengesetzte Initiativen wie Protektionismus, die Gegnerschaft zu Freihandelsabkommen sowie seine Einwanderungs-, Sicherheits- und Umweltpolitik gegenüber.
Trumps Wirtschaftspolitik steckt voller Widersprüche
Trumps Politik steckt also voller Widersprüche, wie Gontermann analysierte. Seine Steuerpläne zielen auf eine aggressive Umverteilung von unten nach oben, darüber hinaus pflege Trump ein System des „Crony Capitalism“, also eine Günstlingswirtschaft.
Aus Sicht von Gontermann werden die Maßnahmen Trumps erst im kommenden Jahr oder noch später Wirkung zeigen. Den protektionistischen Ankündigungen des Präsidenten blickt der Branchenverband, der nicht zuletzt große Summen in den USA investiert hat und dort auch viele Menschen beschäftigt. Laut dem Außenhandelsreport vom Herbst 2016 engagiert sich die deutsche Elektro- und Elektronikindustrie mit Direktinvestitionen von 5,4 Milliarden Euro in den USA.
Damit leitete der ZVEI-Chefvolkswirt zum Brexit-Thema über. Gontermann warnte vor der Vorstellung, es könne so etwas wie einen „weichen Brexit“ geben. Ein Szenario, bei dem sich Großbritannien das „Beste aus beiden Welten“ aussuche, funktioniere nicht: „Alles muss neu verhandelt werden“, betonte der ZVEI-Experte. Darüber hinaus gehe das Vereinigte Königreich denkbar schlecht vorbereitet in die Verhandlungen: Regierungschefin Theresa May habe sich in ihrer vorherigen Rolle als Innenministerin nie mit Wirtschaftsfragen auseinandergesetzt, Außenminister Boris Johnson sei zudem ein „Sinnbild für Opportunismus“.
Gedanken, wonach die Briten ein Geschäftsmodell als Niedrigsteuerland entwickeln könnten, beurteilte Gontermann skeptisch, da das Land ein hohes Defizit belaste und das Gesundheitssystem steuerfinanziert sei.
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