Wie lassen sich Störungen in Lötstellen vermeiden?

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Die Lösung dieser Frage zeigt sich in ihren Grundzügen verblüffend schlicht: Es gilt Divergenzen zu vermeiden und das Wärmeabfuhr­verhalten einer Lötstelle operativ zu steuern.

Bild 1: Quell- und Zielseite einer Lötung nach klassischem Verfahren
Bild 1: Quell- und Zielseite einer Lötung nach klassischem Verfahren
(Bild: L. Skoda)

Zum Vermeiden einer Störung gilt es das Entstehen einer Divergenz zu unterbinden und das Wärmeabfuhrverhalten einer Lötstelle operativ zu steuern, indem die Verlaufsrichtung der Auskühlung kontrolliert wird. Zunächst zeigen sich die Bedingungen für Lotkugelbildung als Anhaltspunkte. Die Wärmesättigung der Komponenten sollte daher so ausfallen, dass die Konvergenz-Phase erreicht ist und die Wärmeabfuhr gleichmäßig in alle Richtungen verläuft.

So zeigt es sich als angebracht im Falle von Einsackungen (Bild 1), Trennlinien und Lochbildung jeweils eine zusätzliche Wärmezufuhr zum Einsatz zu bringen, um den Wärmeschwund über den Anschluss zu senken. Hingegen wäre einer Granulierung mit einer merklichen Reduzierung der Wärmesättigung entgegen zu wirken. Im Falle von Stresslines ist ein Herabsenken der Zusätzlichen Beheizung gefordert, um die Konvergenz-Phase nicht zu überschreiten.

Hinsichtlich der verschwindend geringen Kalkulierbarkeit zeigt sich jedoch ein Arbeiten mit der Konvergenz-Phase als kaum praktikabel. Auch die Tendenz des Lotes hin zu einer unerwünschten, konvexen Ausformung verlangt eine alternative Herangehensweise für die Herstellung hochqualitativer und störungsfreier Lötstellen.

Wie sich das Lot in Form bringen lässt

Eine Konvergenz entsteht nicht ausschließlich dann, wenn die Auskühlung gleichermaßen in alle Richtungen verläuft, sondern auch, wenn sie in eine einzige bzw. eine dominierende Richtung erfolgt. Sowie die Auskühlung mit der Entnahme der Lötspitze ametrisch und divergent verläuft, so soll diese nun, über eine entsprechende Handhabung der Lötspitze, in eine konkrete Richtung forciert werden.

Die Lötspitze wird, als permanent wärmster Bereich, reguliert aus der Lötstelle herausgeführt, sodass die Auskühlung des Lotes konvergent auf die Lötspitze hin verläuft. Eine solche Verfahrensweise lässt sich als Heat-Lifting bezeichnen.

Unabhängig vom Anspruch einer Lötstelle eröffnet daher eine schlichte Layout-Konzeption die Möglichkeit, optimale Lötstellen höchst kontrolliert, effektiv und mit stark erhöhter Reproduzierbarkeit herzustellen. Neben dem Kolbenlöten bieten sich dafür auch andere Verfahren unter Verwendung einer gerichteten Wärmequelle an, wie das Laser- oder Lichtstrahl-Löten.

Noch vor Anführung der Layout-Konzeption soll eine optionale Variante für Heat-Lifting aufgezeigt werden, bei welcher sich die operativen Ansprüche jedoch auch deutlich erhöht zeigen.

Heat-Lifting (Lot–affin): Für das Herausführen der Lötspitze lassen sich die Eigenschaften (Fließrichtung / Oberflächenspannung) des Lotes selbst nutzen, um die Kontrolle über die Auskühlung einzunehmen (Bild 2). Erfolgsrelevant zeigt es sich, den Abstand e der Lötspitze mit anhaftendem Lot gegenüber der Lötstelle zu maximieren. Nach erfolgtem Durchstieg des Lotes wird daher dessen Auskühlung von Bauteilseite eingeleitet und verläuft konvergent in Richtung der Lötspitze.

Bild 2: Über die Haftkraft des Lotes an der Lötspitze kann eine konvergente Auskühlung eingeleitet werden.
Bild 2: Über die Haftkraft des Lotes an der Lötspitze kann eine konvergente Auskühlung eingeleitet werden.
(Bild: L. Skoda)

Der Zeitpunkt für die Entnahme der Lötspitze muss den Lötbedingungen entsprechend erfolgen. Bei vorzeitiger Entnahme bleibt der Konvergenz-Effekt aus, wohingegen eine verzögerte Entnahme unerwünschte Ausformungen des Lotes bedingt. Diese Problematik ist die größere Herausforderung, da die Ermittlung der Parameter für den Entnahmezeitpunkt schwierig ist.

Für automatisierte Prozesse, zum Beispiel dem Roboterlöten, ließen sich diese Parameter erwartungsgemäß nur unter hohem wirtschaftlichen Aufwand individuell für jede Lötstelle, entsprechend des jeweiligen Anspruchs ermitteln. Insofern ist diese Variante eine suboptimale Alternative mit kaum reproduzierbaren Ergebnissen im Falle eines, für die Layout-Konzeption, zu geringen Arbeitsraumes.

Bild 3: Prototpypen von Konvergenz-Pads für THT-Prozesse (oben) und für SMT-Prozesse (unten).
Bild 3: Prototpypen von Konvergenz-Pads für THT-Prozesse (oben) und für SMT-Prozesse (unten).
(Bild: L. Skoda)

Das Konvergenz-Pad (Layout-Kon­zep­tion): Eine überschaubare Modifizierung des Layouts der gebräuchlichen Lötflächen in Form einer bemessenen, stegartigen Ausweitung (Bild 3), eröffnet die Möglichkeit, Heat-Lifting höchst kontrolliert, mit erhöhter Toleranz und effektiv auszuführen Mit einer empfohlenen Mindestbemessung der Ausweitung des Pads (Länge ±0,75 mm / Breite ±0,2 mm) zeigt sich der Anspruch an den zur Verfügung stehenden Raum mit gebräuchlichen Abmessungen gut vereinbar.

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Gegenüber z.B. Thermal-Pads oder kurz verlaufenden Tracks zu Vias, Messpunkten oder anderen Tracks, besitzt die stegartige Ausweitung des Konvergenz-Pads keine leitende Funktion. Eine Einplanung im Layout-Prozess ist daher vergleichsweise unkompliziert, auch eine nachträgliche Einplanung ließe sich unkompliziert realisieren. Hier ist eine Patentanmeldung anhängig (AZ 10 2019 131 950.1).

Bild 4: Über die stegartige Ausweitung des Konvergenz-Pads lässt sich Heat-Lifting zuverlässig ausführen.
Bild 4: Über die stegartige Ausweitung des Konvergenz-Pads lässt sich Heat-Lifting zuverlässig ausführen.
(Bild: L. Skoda)

Bild 5: Quell- und Zielseite einer Lötung anhand Heat-Lifting mit Konvergenz-Pad.
Bild 5: Quell- und Zielseite einer Lötung anhand Heat-Lifting mit Konvergenz-Pad.
(Bild: L. Skoda)

Heat-Lifting (Pad-affin): Auf einem Konvergenz-Pad lässt sich die Lötspitze nun unabhängig von den Eigenschaften des Lotes und frei von besonderer Geschicklichkeit beim Handlöten aus der Lötstelle herausführen (Bild 4). Bei korrekter Handhabung der Lotmenge bedient diese Technik zudem die Ausbildung vorzüglicher Benetzungswinkel (Bild 5). Bei Bedarf lassen sich Rückstände kontrolliert absaugen, ohne Aufschmelzlinien im relevanten Bereich zu erzeugen. Auch dieser Arbeitsschritt wird durch die Schlankheit der Ausweitung begünstigt, da die Wärmeübertragung von der Ausweitung in die eigentliche Löstelle hinein gering ausfällt. Im Gegensatz zur Lot-affinen Variante kann nur noch ein verfrühter Entnahmezeitpunkt das Ergebnis im relevanten Bereich negativ beeinflussen.

Heat-Lifting (kombiniert): Schließlich erhöht das Konvergenz-Pad auch die Flexibilität im operativen Geschehen. Unter Verwendung zusätzlicher Wärme sowie bei einer zu hoch angesetzten Löttemperatur bleibt die angestrebte Auskühlung im Zuge von Heat-Lifting gegebenenfalls aus. Zur Sicherstellung des Konvergenzeffektes kann nun nach Erreichen des Randbereichs der Ausweitung, die Distanz zur Lötstelle selbst erhöht werden (Bild 6). Die Handhabung der Lötspitze entspricht dann jener der optionalen bzw. Lot-affinen Variante (Bild 2).

Bild 6: Die Toleranz beim Heat-Lifting zeigt sich hoch, ohne die Lötstelle selbst nachteilhaft zu beeinflussen.
Bild 6: Die Toleranz beim Heat-Lifting zeigt sich hoch, ohne die Lötstelle selbst nachteilhaft zu beeinflussen.
(Bild: L. Skoda)

Eine gewünschte, konvergente Auskühlung kann jetzt über einen ausreichenden Abstand e' eingeleitet werden. Jegliche Verformung des Lot-Rückstandes, durch eine verzögerte Entnahme, wirkt sich hier nicht mehr auf das Ergebnis im relevanten Bereich aus. Diese kombinierte Methode lässt sich im Besonderen für automatisierte Prozesse obligatorisch anwenden, um die Ermittlung der Parameter auf ein Minimum zu reduzieren.

Anmerkung: Im Zuge von Heat-Lifting bei Lötoperationen lässt sich neben dem visuell feststellbaren Voranschreiten der Erstarrung zuvor (unter einer rund 25-fachen Vergrößerung) eine konkrete Strömung innerhalb des Lotes ausmachen, welche in Richtung der Lötspitze verläuft. Die eingesetzte Temperatur ist hier gegenüber des Anspruchs der Lötstelle hoch. Die Strömungsgeschwindigkeit verringert sich mit wachsender Distanz der Lötspitze gegenüber der betreffenden Lotmenge (Heat-Lifting), bis die Erstarrung des Lotes in selbigem Richtungsverlauf einsetzt.

Erhöhte Reproduzierbarkeit der Lötergebnisse

Die durch das Konvergenz-Pad gewonnene Unabhängigkeit vom Wärme-Abfuhr-Verhalten einer Lötstelle erhöht die Reproduzierbarkeit des Lötergebnisses wesentlich. Abweichungen hinsichtlich der veränderlichen Größen auch beim Handlöten (Lötdauer, Bemessung einer zusätzlichen Beheizung, Lötposition, abweichende Wärmeübertragung durch individuellen Ansatz der Lötspitze, Dosierung von Lötzinn und Flussmittel, ...) können kompensiert werden. Neben der Möglichkeit der schonenden Erwärmung von Leiterplatte und Bauteil über die stegartige Ausweitung, zeigt sich das vorgesehene Herausführen der Wärmequelle schonend für empfindliche Strukturen von Bauteil und Leiterplatte bezüglich deren Auskühlung.

Das Erzeugen einer Konvergenz über die Verwendung des Konvergenz-Pads bleibt durch seine Beschaffenheit nicht auf Kolbenlötverfahren beschränkt. Jene Lötverfahren, welche eine selektive Erwärmung, wie auch bei Strahllötverfahren, vorsehen, können hier in Erwägung gezogen werden, sofern sich die Ausrichtung der Wärmequelle entsprechend flexibel zeigt. Einem Abstand e' (Bild 6) wäre eine Reduzierung der Strahlungsintensität gleichzusetzen. Das Konvergenz-Pad eröffnet so einen wichtigen Schritt hin zu einer Null-Fehler-Strategie, im Besonderen auch für automatisierte Prozesse mit gerichteten Wärmequellen.

Reflow-Löten und andere Verfahren

Für andere Verfahren, bei welchen die vollflächige Miterwärmung von Leiterplatten vorgesehen ist, eröffnen sich auf Grundlage des ersten Teils (erschienen in Ausgabe 23/2019) dieser Studie weitere Ansätze zur Verbesserung der Lötstellenqualität. Durch die hier vollflächige Erwärmung wird die Wärmeabfuhr aus einer Lötstelle heraus stark vermindert, sodass vorrangig Granulierungen in Verbindung mit steilen Benetzungswinkeln auftreten.

Bild 7: Die Verwendung von Schablonen bei Reflow-Verfahren soll eine hier fehlende Wärmeabfuhr ausgleichen.
Bild 7: Die Verwendung von Schablonen bei Reflow-Verfahren soll eine hier fehlende Wärmeabfuhr ausgleichen.
(Bild: L. Skoda)

Ein Lösungsansatz bietet sich hier in der Verwendung von Schablonen. Aus den für den Lotpastendruck bereits vorliegenden Schablonen können Modifizierungen erstellt werden, welche nach oder gegebenenfalls vor der Bestückung auf die Platine angebracht werden (Bild 7).

Die Modifizierung sieht vor, neben den Lötflächen nun auch die Bauteile auszusparen. Das verwendete Material sollte die Platine bestmöglich vor der eingesetzten Wärme abschirmen bzw. isolieren, sodass eine Wärmeabfuhr in die Platine hinein stattfinden kann. Um die Wärmeübertragung auf die Lötstellen zu verbessern, ließe sich bei modifizierten Schablonen besonderer Stärke ein Anphasen der Oberkanten in Erwägung ziehen. Dieser Studie liegen dazu jedoch keine Erfahrungsberichte vor.

Ein neuer Terminus für neue Ansätze

Auf Grundlage dieser Studie, deren Schlussfolgerungen auf empirischem Wege entstanden sind, zeigt es sich, einen neuen Begriff für den Bereich der Elektronikfertigung zu prägen. Das angeführte Heat-Lifting stellt im weitesten Sinne ein Lötprofil dar, welches neben einer Abkühlrate auch eine Abkühlrichtung mit in Betracht zieht. Um sich hierbei nicht auf das Kolbenlöten oder andere Verfahren mit gerichteten Wärmequellen zu beschränken, kann Heat-Lifting idealerweise als eine erste Kategorie von „Operative Divergency Clearence“ (ODC) gesehen werden.

Dieser Begriff bringt generell zum Ausdruck, dass Divergenzen in Lötstellen operativ – das heißt im fortlaufenden Wärmeprozess – behoben werden müssen, indem der Auskühlung des Lotes eine eindeutige Richtung zugewiesen wird. Ein bestehendes Lötprofil kann weitestgehend einen Mittelwert gegenüber der Diversität von Lötstellen und Bauteilen bieten. Daher eröffnen sich beispielsweise für Reflow-Verfahren vorerst keine weiteren Ansätze für ODC, ausgenommen der Verwendung von Schablonen (Bild 7), um der Wärmeabfuhr zumindest eine klare Tendenz zu eröffnen.

Mit der Prägung des Begriffes „Operative Divergency Clearence“ sollen daher weitere Ansätze und Entwicklungen in der Verfahrenstechnik angeregt werden. Der Stand der Technik verweist auf eine Vielzahl an Faktoren für Lötprozesse. Dem soll im Sinne dieser Studie ein Grundsatz vorweg gehen: „Lass das Lot nicht von der Leine.“

Dieser Beitrag ist erschienen in der Fachzeitschrift ELEKTRONIKPRAXIS Ausgabe 01/2020 (Download PDF)

* Landulf Martin Skoda ist PCB Assembly Operator bei ASP Equipment in Salem.

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