Power-Tipps von TI, Teil 46 Fallstricke beim Einsatz von MLCCs und wie man sie vermeidet
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Dass es die MLCCs (Multi-Layer Ceramic Capacitors) im Bereich der Leistungselektronik zu äußerster Popularität gebracht haben, liegt an ihrer Kompaktheit, ihrem niedrigen effektiven Serienwiderstand (ESR), ihrem günstigen Preis, ihrer hohen Zuverlässigkeit und an ihrer hohen Beständigkeit gegen Welligkeitsströme. Häufig setzt man diese keramischen Vielschicht-Kondensatoren anstelle von Elektrolyt-Kondensatoren ein, um die Leistungsfähigkeit eines Systems zu verbessern. MLCCs haben den Vorteil einer hohen relativen Permittivität von 2.000 bis 3.000, während es Elkos mit ihrer Aluminiumoxid-Isolation nur auf eine relative Permittivität von 10 bringen. Wegen des direkten Zusammenhangs zwischen Kapazität und Permittivität ist dieser Unterschied von großer Tragweite. Im Vorteil ist der Elko gegenüber dem Keramik-Kondensator wiederum durch die geringe Stärke der Aluminiumoxidschicht, die wesentlich engere Plattenabstände und damit erheblich höhere Kapazitätsdichten zulässt.
Die Tatsache, dass sich die Permittivität des Keramik-Kondensators mit der Temperatur und der DC-Vorspannung ändert, muss beim Design unbedingt beachtet werden. Keramik-Werkstoffe hoher Permittivität werden der Klasse 2 zugerechnet. Bild 1 verdeutlicht die Einteilung der Materialien mit einer dreistelligen Kennung wie zum Beispiel Z5U, X5R oder X7R. Ein Z5U-Kondensator etwa eignet sich für einen Temperaturbereich von +10 bis +85 °C bei einer Toleranz von +22/ 56 %. Selbst bei den stabileren Dielektrika ist eine beträchtliche Kapazitätsschwankung über die Temperatur zu beobachten.
Ein noch schlechteres Bild ergibt sich, wenn man die Abhängigkeit der Kapazität von der DC-Vorspannung (Bias) betrachtet. Bild 2 illustriert die Bias-Abhängigkeit eines X5S-Kondensators (22 µF, 6,3 V), wie man ihn üblicherweise als Ausgangskondensator in einem 3,3 V Point-of-Load-Regler (POL) einsetzen würde. Die bei 3,3 V um 25 % reduzierte Kapazität führt zu einer erhöhten Ausgangswelligkeit und hat erhebliche Auswirkungen auf die Bandbreite der Regelschleife. Würde man versuchen, diesen Kondensator bei 5 V Ausgangsspannung zu verwenden, könnte die Kapazität je nach Temperatur und Bias um nicht weniger als 60 % einbrechen und durch die Zunahme der Schleifenbandbreite im Verhältnis 2:1 dafür sorgen, dass die Stromversorgung instabil wird. Dies ist ein Aspekt, den die Anbieter von Keramik-Kondensatoren gern kaschieren.
Der nächste potenzielle Fallstrick im Zusammenhang mit Keramik-Kondensatoren besteht in der verhältnismäßig geringen Kapazität und dem niedrigen ESR-Wert, denn hieraus können sich sowohl im Zeit als auch im Frequenzbereich Probleme ergeben. Werden die Kondensatoren in einer Stromversorgung als eingangsseitige Filterkondensatoren eingesetzt, können sie mit der Induktivität der Eingangs-Zuleitungen leicht einen Schwingkreis bilden, wie bereits in den Power-Tipps 3 und 4 erläutert wurde. Ob hier ein potenzielles Problem existiert, können Sie leicht herausfinden. Schätzen Sie dazu die parasitäre Induktivität der Zuleitung ab (als Faustregel können knapp 6 nH pro Zentimeter angesetzt werden) und vergleichen Sie die Ausgangsimpedanz des Filters mit dem Eingangswiderstand der Stromversorgung.
Ein weiteres potenzielles Problem liegt im Zeitbereich und kann beispielsweise in Power-over-Ethernet-Systemen (PoE) zum Tragen kommen. In Systemen dieser Art besteht die Verbindung zwischen Stromversorgung und Verbraucher nämlich in einer langen Leitung von großer Induktivität. Der Verbraucher wird mit einem Schalter eingeschaltet und kann mit keramischen Bypass-Kondensatoren versehen sein. Diese Bypass-Kondensatoren aber können zusammen mit der Leitungs-Induktivität einen Schwingkreis mit hohem Gütefaktor bilden. Das Schließen des Schalters am Verbraucher kann somit das Entstehen einer Überspannung bis zum Doppelten der Quellenspannung bewirken. Unerwartete Ausfälle können die Folge sein. In einer PoE-Applikation zum Beispiel kann es hierdurch notwendig sein, die Bauelemente im Verbraucher für eine Nennspannung zu spezifizieren, die doppelt so hoch wie die Quellenspannung ist.
Es gibt noch einen weiteren potenziellen Fallstrick. Dieser hat mit den piezoelektrischen Eigenschaften der keramischen Kondensatoren zu tun. Ändert sich nämlich die am Kondensator liegende Spannung, so verändern sich seine mechanischen Abmessungen, was sich durch hörbare Geräusche äußern kann. In dieser Hinsicht anfällig sind beispielsweise Anwendungen, in denen die Kondensatoren am Ausgang als Filterkondensatoren dienen und es zu starken Laststromspitzen kommt, oder aber umweltfreundliche Netzteile, die bei geringer Last in einen Burst-Modus wechseln. Verschiedene Abhilfemaßnahmen bieten sich an:
- Umstellung auf einen Keramikwerkstoff geringerer Permittivität (z. B. C0G)
- Verwendung eines anderen Dielektrikums (z. B. Folie)
- Einsatz bedrahteter Kondensatoren anstatt oberflächenmontierbarer, sehr fest mit der Leiterplatte verbundener Bauelemente
- Verwendung eines Kondensators mit kleinerem Footprint, um die in die Leiterplatte eingeleiteten mechanischen Spannungen zu reduzieren
- Benutzung eines dickeren Bauteils, um die von elektrischen Spannungen erzeugten mechanischen Belastungen und Verformungen zu verringern.
Ein weiteres Problem oberflächenmontierbarer Keramik-Kondensatoren ist, dass ihre Lötverbindungen bruchanfällig sind, wenn sich die Leiterplatte infolge unterschiedlicher thermischer Ausdehnungskoeffizienten von Kondensator und Leiterplatte verbiegt. Auch hiergegen lässt sich mit verschiedenen Maßnahmen Abhilfe schaffen:
- Beschränkung der Gehäusegröße auf das Format 1210
- Verzicht auf die Platzierung von Kondensatoren an besonders biegegefährdeten Stellen (z. B. in Ecken)
- Ausrichtung der Kondensatoren entlang der Schmalseite der Leiterplatte
- Keine Anordnung von Leiterplatten-Befestigungspunkten in Ecken oder am Rand
- Berücksichtigung einer möglichen Leiterplatten-Durchbiegung während aller Montageschritte
Zusammenfassend können den Mehrschicht-Keramik-Kondensatoren durchaus Vorteile bescheinigt werden, was die Kosten, die Zuverlässigkeit und die Lebensdauer betrifft, und auch der Platzbedarf ist verglichen mit Elkos geringer. Dabei dürfen jedoch die potenziellen Probleme nicht vergessen werden. Da MLCCs erhebliche Kapazitäts-Toleranzen aufweisen, muss der Einfluss von Temperatur und Vorspannung auf ihre Performance unbedingt beachtet werden. Wegen ihrer piezoelektrischen Eigenschaften können sie in Systemen mit pulsierenden Strömen außerdem störende Geräusche erzeugen. Schließlich sind sie bruchgefährdet, sodass auch hier unbedingt Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen. Da die angeführten Probleme jedoch alle beherrschbar sind, erfreuen sich MLCCs einer weiter steigenden Beliebtheit.
Auch der nächste Beitrag wird sich mit der Auswahl der Kondensatoren für Schaltnetzteile befassen.
Weitere Informationen zu dieser und anderen Power-Lösungen finden Sie außerdem auf www.ti.com/power-ca sowie unter www.elektronikpraxis.de/power-tipps.
* * Robert Kollman ist Senior Application Manager und Distinguished Member of Technical Staff bei Texas Instruments
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