Angemerkt Der PCF-Wert von elf Tassen Kaffee
Jedes zweite Unternehmen schreibt sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen und der CO2-Fußabdruck oder englisch Product Carbon Footprint (PCF) ist in aller Munde. Doch was von den grünen Worten ist Realität, was Marketing oder gar Greenwashing?

„Vom Geist der Definition, wie sie 1987 die Brundtland Kommission getroffen, sind wir nicht nur weit entfernt, die Lage hinsichtlich Klimawandel und Umweltvernichtung hat sich weiter verschlechtert“, meint Georg Steinberger, Business Strategy Specialist und Vorsitzender des FBDi-Vorstands.
Gefühlt passiert tatsächlich noch wenig. Viele Hersteller und Zulieferer müssen sich erst einmal klar darüber werden, ob sie „grüne Produkte“ verkaufen oder lieber die Umwelt „grüner“ machen wollen. Kunststofflieferanten sind schon einen guten Schritt weiter bei der grünen Produktklassifizierung als andere. Und Kupferprodukthersteller haben die Devise, keine „grünen Produkte“ zu verkaufen, sondern den Gesamt-CO2-Fußabdruck zu verringern.
Halbleiterhersteller setzen auf Effizienz: Im Projekt „ALL2GaN“ beispielsweise geht es um leicht integrierbare Energiespar-Chips aus Galliumnitrid, die die Energieeffizienz um 30 Prozent in vielen Anwendungen verbessern könnten. Weltweit hochgerechnet bedeutet das ein Einspar-Potenzial von 218 Millionen Tonnen CO2, sagt Projektkoordinator Infineon.
Das hört sich zwar nach viel an, aber ist es das wirklich? Standardisierte Messmaßstäbe, über die man Angaben vergleichen könnte, fehlen genauso wie offene Datenbanken mit verlässlichen und verifizierten Angaben zu PCF-Werten der Rohstoffe. Da halte ich mich lieber an 30 Prozent Effizienzgewinn pro Anwendung.
In diese Richtung geht auch die Initiative „AIMS5.0“, die auf Künstliche Intelligenz setzt, um eine ressourceneffiziente Fertigung über Branchen hinweg zu schaffen sowie das Lieferkettenmanagement in Europa zu optimieren. Konkret geht es um die Entwicklung und Herstellung von Hard- und Software-Komponenten und eine sichere KI-Vernetzungsplattform über Maschinenbau, Halbleiter-, Elektronik- und Automobilindustrie hinweg.
Näher an der Praxis: Die Kaffeetassen-Analogie
Das ist Ihnen zu praxisfern? Dann habe ich noch ein handfestes Beispiel: Der ZVEI-Arbeitskreis „PCF Connectors“ hat ein Basismodell für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks eines Steckverbinders definiert. Der PCF-Wert von circa 0,837 kgCO2e für einen fiktiven Steckverbinder mit fiktiven Transportwegen entspricht in etwa dem Fußabdruck von elf Tassen Kaffee.
Neugierig geworden? Das Thema diskutieren wir auf dem Steckverbinderkongress vom 12. bis 14. Juni 2023 in Würzburg.
PCF: Podiumsdiskussion mit neun Experten
Product Carbon Footprint: Worauf müssen Sie sich einstellen, wie sind Vorgaben und Daten zu interpretieren und wie manövriert man sich durch den Bürokratie-Dschungel? Antworten geben neun Experten in der Podiumsdiskussion zum CO2-Fußabdruck am Montag Nachmittag.
Am Dienstag geht es dann in die technischen Details. Alexander Hornung und Marion Graupner vom ZVEI-Arbeitskreis „PCF Connectors“ erläutern die branchenspezifischen Besonderheiten, bewerten bestehende Software-Systeme und Datenbanken und erklären das Berechnungsmodell für den oben genannten Wert von 0,837 kgCO2e.
Weitere Vortragende geben einen Einblick in Ansätze, den PCF-Wert bei der Entwicklung und Produktion von Steckverbindern zu reduzieren. Auch das „immergrüne“ Thema RoHS kommt zur Sprache.
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