Grenzen der Globalisierung USA: 280 Mrd. US-$ für heimische Forschung und Chipindustrie

Von Michael Eckstein

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Der „CHIPS and Science Act“ hat die letzten Hürden passiert: Das 280 Milliarden US-Dollar Mammutpaket soll die Innovationskraft stärken und US-amerikanische Schlüsselwirtschaftsbereiche konkurrenzfähig für die nächsten Jahrzehnte machen. Über 50 Mrd. US-Dollar sind allein für Investitionen in den Aufbau heimischer Chipfertigungsanlagen vorgesehen.

„CHIPS and Science Act“: Mit einer immensen Summe greift der US-amerikanische Staat seiner Hightech-Forschung und -Industrie unter die Arme.
„CHIPS and Science Act“: Mit einer immensen Summe greift der US-amerikanische Staat seiner Hightech-Forschung und -Industrie unter die Arme.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

Zuletzt hatten Industrievertreter noch einmal eindringlich auf die politischen Verantwortlichen eingewirkt, doch möglichst noch vor der politischen Sommerpause – und den Midterm-Wahlen im Herbst – den „CHIPS and Science Act for America“ zu aktivieren.

Der Druck hat offenbar gewirkt: Nach über einjährigen Verhandlungen hat sowohl der US-Senat als auch das US-Repräsentantenhaus das über 280 Milliarden US-Dollar schwere Gesetz zur Stärkung der heimischen Industrie, Forschung und Bildung verabschiedet. So viel Einigkeit zwischen den oft spinnefeinden Parteien hat es in den USA lange nicht mehr gegeben. Nun muss es nur noch von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden. Zur Finanzierung des Mammutpakets ist eine Budgeterweiterung vorgesehen, sprich: eine Neuverschuldung. So ließ sich eine besonders in den USA verpöhnte Steuererhöhung vermeiden.

Ein Füllhorn von Subventionen und Ermäßigungen

Über 1.000 Seiten umfasst das Gesetzeswerk, mit dem die USA strategisch wichtige Bereiche ihrer Wirtschaft langfristig stärken wollen. Ein wichtiger Punkt darin sind zum Beispiel Subventionen in Höhe von 52,7 Milliarden US-Dollar für die inländische Entwicklung und Herstellung von Computerchips, einschließlich Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitnehmer. Unternehmen, die in die Halbleiterfertigung investieren, sollen zudem Steuernachlässe erhalten. Dafür sind weitere rund 24 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Der Löwenanteil von 170 Milliarden US-Dollar steht allerdings für Technologieforschung und -entwicklung in den nächsten fünf Jahren zur Verfügung. Im Fokus stehen hier Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz, Robotik und Quantencomputing.

Das Gesetz definiert erstaunlich feingranular, wofür die Mittel eingesetzt werden sollen: So sollen Firmen, die Technologien für Funkzugangsnetzwerke (Radio Access Networks, RAN) entwickeln, mit 1,5 Mrd. US-Dollar erhalten. Das ist besonders vor dem Hintergrund der „Causa Huawei“ interessant. Die USA wollen unbedingt unabhängig(er) werden von Telekommunikationsgeräten, die im Ausland hergestellt werden – konkret in China.

Da man in den USA China als größten Rivalen für die nächsten Jahrzehnte ausgemacht hat, ist der Gesetzestext durchaus nationalistisch geprägt: So dürfen sich Universitäten, die Kontakte zu chinesischen Konfuzius-Instituten unterhalten, nicht um Fördergelder bewerben. Gleiches gilt für Firmen, wenn sie Halbleiterfabriken in China oder anderen potenziell als „feindselig“ betrachteten Ländern neu bauen oder ausbauen.

Derzeit kommen nur gut 12 Prozent der ICs aus den USA

Ziel des CHIPS and Science Act ist es unter anderem, wieder deutlich mehr ICs selbst in den USA herzustellen. Zuletzt lag der Anteil der amerikanischen an den weltweit insgesamt hergestellten Chips bei nur noch 12 Prozent. 1990 waren es noch 37 Prozent gewesen. Damit teilen die USA dieselben Sorgen wie die EU, die im letzten Jahr nicht einmal mehr 10 Prozent Weltmarktanteil an der Halbleiterproduktion erreichte.

Die erfolgt mittlerweile hauptsächlich in Taiwan, Südkorea und auch China. Größter Auftragsfertiger ist mit Abstand die Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC), kurz TSMC. Betrachtet man nur die IC-Auftragsfertigung, stand TSMC 2021 für 64 Prozent des Umsatzes – Tendenz steigend. Am gesamten Umsatz mit Chips hält allein die Insel Taiwan einen Anteil von gut 26 Prozent.

Lehren aus der Turboglobalisierung: Zu viel Konzentration birgt Gefahren

Die Folgen sind bekannt: Durch die Corona-bedingt stark erhöhte Nachfrage beispielsweise nach PCs, Laptops, Tablets, Servern und Lieferproblemen in Fernost standen in vielen europäischen und amerikanischen Werken die Bänder still. Betroffen waren praktisch alle Industriezweige, von der Medizintechnik über die Verteidigungsindustrie bis hin zur Automobilbranche.

„Die Amerikaner wissen es vielleicht nicht, aber Halbleiter sind ein fester Bestandteil ihres Alltags“, sagte der Abgeordnete Frank Pallone Jr. laut dem Nachrichtenmagazin The Verge am letzten Donnerstag in einer Erklärung vor der Abstimmung. „Sie sind Mikrochips, die in Autos, Unterhaltungselektronik und Waschmaschinen verwendet werden.“

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Abhängigkeit von taiwanesischen Chipherstellern verringern

Besonders die Abhängigkeit von Taiwan macht den USA Sorgen: Seit langem befürchtet die Administration, dass China seinen Einfluss auf Taiwan bereits in naher Zukunft ausweiten wird. Unter anderem könnte es den Schiffsverkehr in der Taiwanstraße, einer wichtigen Seeverbindung, einschränken oder gar blockieren.

Zudem werden die Drohungen aus Peking immer lauter, Taiwan zur Not mit militärischer Gewalt „heim ins Reich“ zu holen. Entsprechend bekommen die Politiker im Kongress kalte Füße. Wenn die Lieferkette reißt, könnte das eine „ernste Wirtschaftskrise in den USA auslösen und unsere nationale Sicherheit bedrohen“, sagte der republikanische Senator John Cornyn aus Texas.

Ausbau der heimischen Chipproduktion im Eiltempo

Das neue Gesetz soll nun unter anderem eine Initialzündung für den Ausbau der heimischen Chipindustrie sein. Bereits im Vorfeld hatten Firmen angekündigt, massive Investitionen in diesem Bereich zu tätigen und Fabs hochzuziehen – wenn das Gesetz rechtzeitig ratifiziert wird. So will allein Intel zunächst 20 Mrd. US-Dollar, über die nächste Dekade sogar 100 Mrd. US-Dollar in seinen Standort Ohio pumpen. Bis zu zehn Fabs sollen gebaut werden und den Standort in einen weltweiten „Tech-Hub“ verwandeln.

Kritiker wie der linke Senator Barry Sanders oder der republikanische Senator Rick Scott aus Florida sehen den CHIPS Act als ein milliardenschweres Geschenk an eine ohnehin profitable Industrie.

Fakt ist jedoch, dass Länder wie Taiwan, China, Südkorea, Japan, Singapur und zuletzt auch Indien Chiphersteller mit ebensolchen milliardenschweren Programmen, meist als Mischung aus Subventionen und Steueranreizen, locken und fördern. So plant etwa Taiwan bis Ende 2024 19 neue Halbleiterfabriken, China sogar 31. Seit Jahren verfolgt das „Reich der Mitte“ einen Masterplan, nach dem es den eigenen Hochtechnologiesektor nicht zuletzt über massive staatliche Investitionen hochfährt.

Hohe Subventionen sind fernöstlichen Ländern

Langfristig will man sich in China so weit wie möglich selbst mit ICs versorgen und unabhängig machen von ausländischen Hightech-Anbietern, allen voran den USA. Derzeit wächst die chinesische Produktion mit rund 30 Prozent pro Jahr, liegt im globalen Vergleich etwa zwischen Europa und den USA bei rund 10 Prozent Weltmarktanteil. Von der Eigenversorgung ist das Land allerdings wohl noch Jahrzehnte entfernt.

Und da ist noch die EU, die ebenfalls an einem EU Chips Act arbeitet. Umfang hier: zwischen 30 und 50 Milliarden Euro. Wann das europäische Chipgesetz verabschiedet wird, ist noch unklar. Doch es ist wie im Sport: Wer in der Topliga mitspielen will, kommt um massive Investitionen – hier in den Hochtechnologiesektor – nicht herum.

Für die Biden-Administration ist der CHIPS Act ein Erfolg. Nicht zuletzt für US-Präsident Joe Biden hatte und hat es eine hohe Priorität. Laut The Verge sagte er letzten Mittwoch: „Jahrzehntelang sagten einige 'Experten', dass wir die Produktion in Amerika aufgeben sollten. Ich habe das nie geglaubt. Die Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe sind wieder da. Und dank dieses Gesetzes werden wir sogar noch mehr davon haben.“

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