Mobile HF-Leistungstests bei komplexen Antennen im Fahrzeug
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Leistungstests von Kfz-Antennen sind eine komplexe Messaufgabe. Vernetzte Fahrzeugfunktionen, breitbandige Dienste und höhere Frequenzen lassen die herkömmliche HF-Messtechnik an die Grenzen stoßen.

Anfang der 1970er Jahre genügte eine verchromte, prominent auf dem linken vorderen Kotflügel eines Opel Rekord C montierte Teleskop-Antenne. Denn ihre einzige Aufgabe bestand darin, dem Autoradio an Bord zu einem mehr oder weniger störungsfreien Empfang eines der lokalen Hörfunksender über UKW zwischen 87,5 und 108,0 MHz zu verhelfen. Doch diese Zeiten sind – beinahe schon Nostalgie – wohl endgültig passé.
Die Geschichte der Kfz-Antennen bei Hirschmann (heute TE Connectivity) startet im Jahr 1939: Damals präsentierte das Unternehmen in Berlin seine erste Automobil-Antenne. In der Folge genoss der Zulieferer bei Teleskop-Antennen nicht zuletzt durch seine Auta 6000-Baureihe einen klangvollen Namen in der Branche. Verglichen damit müssen Antennen aktueller Fahrzeuggenerationen deutlich mehr leisten.
Im Fokus der Entwickler stehen Module, die breitbandigere Dienste als UKW sowie kombinierte Sende-/Empfangseinheiten unterstützen. Zudem kommen sehr viel höhere Frequenzen ins Spiel, um eine möglichst große Bandbreite für eine schnellere Übertragung immer höherer Datenmengen zu generieren. Im Zusammenhang mit Antennen für den mobilen Einsatz und dem neuen Mobilfunkstandard 5G sind derzeit Frequenzbänder bis zu 6 GHz relevant. TE Connectivity entwickelt am Standort Neckartenzlingen das gesamte Portfolio an Antennen für den Automobilbau. Der Schweizer Technologie-Konzern bietet für jeden Dienst mehrere Lösungen und passt diese je nach Anforderung seiner Kunden individuell an. Am Ende steht eine für jedes Fahrzeugmodell maßgeschneiderte Antenne.
Komplexe Fahrzeugfunktionen erfordern bessere Antennen
Die zunehmende Vernetzung von Fahrzeugfunktionen, Offboard-Applikationen und Neuerungen hinsichtlich Infotainments, Internetkonnektivität und mobiler Telefonie führen zu einem drastischen Anstieg der Komplexität bei aktuellen Architekturen. Und als eine ihrer Schlüsselkomponenten basieren sie auf leistungsfähigen Antennen. Genauer, auf verschiedenen Antennen-Arten mit ganz spezifischen Funktionen. Dabei geht es um Dienste wie AM-, FM-, und DAB-Radio, Mobilfunk, WLAN und Bluetooth zum Koppeln einzelner Geräte an Bord sowie GNSS (Global Navigation Satellite System) und die Car2X-Kommunikation.
Letztere nutzt Funkverbindungen für einen Datentransfer zwischen Fahrzeugen untereinander sowie zwischen dem Kfz und seiner Verkehrsinfrastruktur für eine sichere, effiziente und intelligente Mobilität von morgen. Für die Qualitätssicherung moderner Kfz-Antennen sind dadurch längst neue Zeiten angebrochen. Denn Defizite in puncto Zuverlässigkeit bzw. Empfangs- oder Sendequalität haben heute ungleich viel gravierendere Folgen als lediglich die Unterbrechung eines fesselnden Rundfunkbeitrags.
Mit der Komplexität aktueller Kfz-Antennen wachsen gleichfalls die Anforderungen an ihre obligatorischen echten Leistungstests. Alle Module müssen unterwegs in ihrer realen Einbausituation im Verbund zuverlässig funktionieren. Daher führt nach umfassenden Simulationen und stationären Labor-Erprobungen, etwa in EMV-Messkammern und im Radom, einer geschützten Antennenkuppel, kein Weg an finalen mobilen Tests auf der Straße vorbei. Im vergangenen Jahr sind die Entwicklungsingenieure des Zulieferers, was die spezifischen Anforderungen für ihre mobilen Applikationen angeht, auf eine Neuentwicklung der Firma Narda Safety Test Solutions aufmerksam geworden: den SignalShark. Hierbei handelt es sich um einen Handheld Signal Analyzer für Echtzeit.
Eine Versuchsbeschreibung für Antennen-Pattern
Bei diesen mobilen Leistungstests wird das sogenannte Antennen-Pattern (Muster) gemessen. Das Muster gibt den Entwicklern wertvolle Aufschlüsse über den Antennen-Gewinn (Antenna Gain, G). Dieser zeigt an, wie gut die Antenne eines bestimmten Fahrzeugmodells ein Signal in Abhängigkeit der Einstrahlrichtung empfängt oder mit anderen Worten, welche Leistung von dem ausgesendeten Signal tatsächlich ankommt. In der Praxis befährt hierbei ein mit verschiedenartigen Testantennen ausgestattetes Fahrzeug einen Rundkurs innerhalb eines weitläufigen, möglichst reflexionsfreien Bereichs.
Gleichzeitig strahlt ein Sender (Signalgenerator) aus circa 100 m Entfernung ein Signal mit einer definierten Leistung abwechselnd mit vertikaler und mit horizontaler Polarisation in Richtung des Testfahrzeugs ab. Parallel dazu zeichnen ein elektronischer Gyrosensor und ein zusätzlicher Kompass den Winkel auf, unter dem das Kfz angestrahlt wird. So erhalten die TE-Ingenieure ein Kreisdiagramm, das den Momentanwert der empfangenen Feldstärke [in dBµV (Dezibel Mikrovolt) oder dBm (Dezibel Milliwatt)] am Antennen-Ausgang über dem zugehörigen Einstrahlwinkel abbildet.
Messungen unter freiem Himmel auf einem Testgelände stellen Messtechniker vor andere Herausforderungen als in Labors. Hierbei muss der komplette Versuchsaufbau inklusive aller Verbindungselemente für die Situation im Testfahrzeug und die widrigen Bedingungen einer Testfahrt geeignet sein. Mit Blick auf präzise Messergebnisse ist es zwingend, dass das gesamte System auch dann robust und fehlerfrei misst, wenn Beschleunigungen, Verzögerungen und Fliehkräfte wirken und alles im Fahrzeug wackelt und vibriert. Und solche Tests finden nicht nur an Luxuslimousinen in gediegener Umgebung statt. Auch Traktoren wollen heute vermessen werden. Ein Mähdrescher beispielsweise wird auch nicht „einfach mal eben so“ nach Neckartenzlingen transportiert. Ein derart imposantes Gefährt muss schon beim Hersteller vor Ort vermessen werden.
Ursprüngliche und aktuelle HF-Messtechnik
Die bis dato genutzte HF-Messtechnik-Lösung bedeutete eine große, aufwendig verkabelte Konstruktion aus einem bis 3 GHz ausgelegten Messempfänger und separaten HF-Switch, einem zusätzlichen Laptop und externen Gyrosensor. Das sichere Erfassen verlässlicher Messergebnisse mit der gebotenen Zuverlässigkeit war für die TE-Ingenieure regelmäßig mit einem hohen technischen Aufwand verbunden. Bei einem Fahrzeugwechsel innerhalb einer Testreihe beispielsweise musste das gesamte umständlich im Ganzen zu transportierende Mess-Equipment jedes Mal ab- und anderenorts neu wieder aufgebaut werden. Das Konstrukt musste für die einzelnen Messungen auf dem Testgelände mit viel zeitlichem Aufwand fachgerecht verkabelt und nach Möglichkeit stabil im Testfahrzeug untergebracht werden. Das komplexe Prozedere rund um die mobilen Antennen-Tests galt bis dahin als vergleichsweise kompliziert und aufwendig in der Handhabung und dementsprechend langsam und kostenintensiv.
Verglichen damit lagen die wesentlichen Errungenschaften des erstmals bei TE eingesetzten Narda SignalShark demnach schnell auf der Hand. Sprichwörtlich. Als erste Konsequenz hat sich das gesamte Handling der mobilen Antennen-Tests seither signifikant verschlankt. Mit allen positiven Folgen. So hat der für den mobilen und stationären Einsatz gleichermaßen geeignete Handheld Analyzer die Anzahl der Geräte und damit den gesamten Verkabelungsaufwand auf ein Minimum reduziert. Denn seine Intelligenz sitzt – abgesehen von dem elektronischen Kompass – in Form eines leistungsfähigen Computers integriert im Gerät. Zudem erübrigen seine vier schaltbaren HF-Eingänge den umständlichen externen HF-Switch. Dadurch vermeiden die Messtechniker effektiv potenzielle Fehlerquellen aus der Vergangenheit. Folgemessungen weiterer Antennen-Module anderer Fahrzeugmodelle beispielsweise erfordern fortan kein aufwendiges und zeitraubendes Umstecken sämtlicher Verbindungselemente mehr. Darüber hinaus sind deutlich weniger Verbinder den mechanischen Belastungen im Fahrbetrieb ausgesetzt. Die Messungen werden robuster und weniger fehleranfällig.
Die Störstrahlung eines Fahrzeugs untersuchen
Mit dem mobilen Equipment von früher waren Frequenzbereiche jenseits der 3 GHz nicht machbar. Durch die Entwicklungen und Trends in puncto Kfz-Antennen musste TE den Frequenzbereich erweitern. Der SignalShark detektiert und analysiert, klassifiziert und lokalisiert HF-Signale zwischen 8 kHz und 8 GHz. Damit erschließt er dem Unternehmen neue, aktuelle und künftige Applikationen im Automobilbau. Aufgrund seiner Vielseitigkeit nutzen die TE-Mitarbeiter den SignalShark über die reine Antennen-Applikation hinaus in seiner Eigenschaft als Spectrum Analyzer. Dabei können sie leicht beispielsweise die Störstrahlungssituation eines bestimmten Fahrzeugmodells erfassen.
In einem entsprechenden Modus lässt sich das Nutzsignal analysieren oder potenzielle Störer aufspüren. Dadurch und aufgrund der maximalen Mobilität des Handhelds ist es ihnen beispielsweise direkt beim Kunden vor Ort möglich, modifizierte Einbausituationen unter Strahlungsaspekten schnell und sicher zu bewerten und sofort konkrete Lösungen vorzuschlagen. Die beste Antenne nützt nichts, wenn sie direkt neben einem Zusatzscheinwerfer installiert ist, dessen Schaltnetzteil den Empfang massiv stört. Nützliche Hinweise zu einem geeigneten Installationsort für ein bestimmtes Antennen-Modul verbessern die Service-Leistung der TE-Ingenieure.
Sporadisch Signale lückenlos erfassen
Durch seine Echtzeit-Bandbreite (RTBW) von bis zu 40 MHz können die Messtechniker mit dem SignalShark schnelle Messungen durchführen. Deutlich schnellere als mit herkömmlichen Spektrumanalysatoren. Das heißt, dass der Receiver innerhalb dieser 40 MHz in Echtzeit in der Lage ist, auch kurze, sporadisch auftretende Signale lückenlos zu erfassen, ohne dass auch nur ein einziges Ereignis verpasst wird. Dies wird durch eine POI (Probability of Intercept) von 100% bei Signalen mit einer Signaldauer größer 3,125 µs gewährleistet. Die RTBW ist gerade im Automobilbau insofern besonders vorteilhaft, als heute viele Spannungsversorgungen im Kfz als Schaltnetzteile ausgelegt sind und geschaltete Vorgänge äußerst kurz und viele Störungen aussenden.
Mit dem Messinstrument SignalShark können die TE-Mitarbeiter zudem ohne Weiteres ihre sensiblen EMV-Kammern betreten und dort im laufenden Betrieb Messungen und Optimierungen vornehmen. Grund dafür ist die gute Abschirmung des SignalShark. Diese macht ihn immun gegen Feldstärken bis 100 V/m. Somit lässt sich im Umfeld von starken Feldquellen problemlos arbeiten. Und eine gute Abschirmung bietet Strahlenschutz in beide Richtungen, sodass auch der Umkehrschluss zulässig ist: Wer gegen Feldstärken von außen geschützt ist, schützt auch sein direktes Umfeld vor eigenen. Der SignalShark kann als ein extrem ruhiger Rechner operieren. Denn in EMV-Kammern, in denen die Aussendungen von Testgeräten untersucht werden, ist alles verboten, was selbst abstrahlt.
Messgerät steuert sich selbst
Beim SignalShark ist der Computer als Windows-10-Rechner integriert. So sind nicht nur die gesamte Steuerung des Gerätes offengelegt und Fernsteuer-Kommandos beschrieben, sondern das Messgerät kann sich selbst fernsteuern. TE bietet durch die vorinstallierte Programmiersprache Python beispielsweise die Möglichkeit, leicht eigene Messprogramme zu implementieren. Das Gerät lässt sich an die Aufgaben des Entwicklers anpassen. So wird der externe Kompass direkt via USB-Bus vom SignalShark mit Strom versorgt und ausgelesen. Das Auslesen des Kompasses und die Zusammenführung der Kompasswerte mit den Messwerten der Spektrumanalyse erfolgen auf dem SignalShark selbst.
Lesetipp: HF-Messtechnik
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Mittels eines Messsystems die Kommunikation in einem Tunnel absichern
* Holger Schwarz arbeitet als Produkt Marketing Manager bei der Narda Safety Test Solutions in Pfullingen.Thomas Jungmann ist Redakteur und Inhaber der Texterei Jungmann in Wangen/Allgäu.
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