Optische Datenübertragung Mit der Polymerfaser sind Längen bis 500 m möglich

Aktualisiert am 09.09.2021 Von Olaf Ziemann, Wolfgang Heinl, Juri Vinogradov, Roman Kruglov und Bernd Offenbeck*

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Wegen der hohen Dämpfung lässt sich die optische Polymerfaser (POF) nicht für Leitungen einsetzen, die länger als 100 m sind. Werden alle Parameter ausgenutzt, sind größere Längen möglich.

Optische Polymerfaser: Experten der TH Nürnberg haben in Experimenten gezeigt, dass sich via POF Bitraten bis mindestens 100 MBit/s über Distanzen bis zu 500 m übertragen lassen.
Optische Polymerfaser: Experten der TH Nürnberg haben in Experimenten gezeigt, dass sich via POF Bitraten bis mindestens 100 MBit/s über Distanzen bis zu 500 m übertragen lassen.
(Bild: ©ktsdesign - stock.adobe.com)

Die optischen Polymerfasern, kurz POF, sind auf maximale Leitungslängen unter 100 m begrenzt. Schuld daran ist die hohe Dämpfung. Längere POF-Leitungen sind allerdings für Windkraftanlagen und in industrielle Steuerungen interessant.

Doch was genau verbirgt sich hinter einer Polymerfaser? Als Polymerfasern werden vor allem optische Fasern aus PMMA (Polymethylmethacrylat, Markenname Plexiglas, Advent International). Während Glasfasern aus der Datentechnik das Licht üblicherweise in Kernen mit Durchmessern von 10 bis 50 µm führen, ist bei der Polymerfaser 1 mm üblich.

Die Vorteile einer Polymerfaser

Für den Anwender ergeben sich einige Vorteile. Die Polymerfasern sind flexibler und robuster und sie lassen sich abschneiden. Mit entsprechend optimierten POF sind Biegeradien von 3 mm bei der Installation möglich. Der große Durchmesser bedingt entsprechend große Toleranzen, so dass sich einfache Spritzguss-Bauteile verwenden lassen.

Dank des großen Durchmessers eignen sich LEDs als Sendeelement. Eine LED ist preiswerter und zuverlässiger als Laserdioden. Allerdings hat die POF auch Nachteile. Die Verluste in der Faser liegen um 0,2 dB/m.

Bild 1: Die spektral gemessenen Verluste einer PMMA-POF (Messung POF-AC).
Bild 1: Die spektral gemessenen Verluste einer PMMA-POF (Messung POF-AC).
(Bild: TH Nürnberg, POF-AC)

Zum Vergleich: Die Glasfaser hat einen Verlust von 0,2 dB/km. Das begrenzt die Längen auf einige hundert Meter. Gleichzeitig liegt die Übertragungsbandbreite bei typisch 60 MHz für 100 m POF. Ohne weitere Maßnahmen sind 100 MBit/s über 100 m möglich.

Bild 1 zeigt den spektralen Verlauf der Dämpfung. Die niedrigsten Werte liegen bei 520 nm (grün) und 70 dB/km.

Der Stand der Technik bei der Datenübertragung

Tabelle 1: Vergleich der Bitrate und Kabellänge früherer POF-Systeme.
Tabelle 1: Vergleich der Bitrate und Kabellänge früherer POF-Systeme.
(Bild: TH Nürnberg)

Bereits in den 1990er Jahren wurde POF in der Automatisierungstechnik mit zunächst typisch 10 MBit/s eingesetzt. Der Hauptgrund für den POF-Einsatz lag in der Unempfindlichkeit gegenüber elektromagnetischen Störungen (EMV) und große Spannungsdifferenzen zu überbrücken. Beispielsweise in der Hochspannungsmesstechnik. Die Tabelle 1 zeigt einige Beispiele.

Eine sehr viel umfangreichere Übersicht für höhere Bitraten ist im POF-Handbuch [7]. Um ermitteln zu können, welche Bitraten über verschiedene Längen unter realistischen Bedingungen erreicht werden können, wurde ein vereinfachtes Modell für POF-Systeme aufgestellt. Das Modell basiert auf der Ermittlung des minimal nötigen Signal-zu-Rausch-Verhältnis (SNR) für eine fehlerfreie Übertragung. Hier wurden verschiedene Einflüsse berücksichtigt. Eine Publikation des Modells ist in Vorbereitung [11]).

Als Sender werden grüne LED oder Laser mit einer Leistung von 10 mW angenommen. Die Faserdämpfung beträgt 110 dB/km inkl. Reserve für Stecker, Biegungen und Alterung. Für die optische POF-Bandbreite wurde eine Näherung angesetzt. Bei einem Meter: 15 GHz bei 1 m, 100 m bei 238 MHz und 500 m bei 56 MHz. Das Empfängerrauschen lässt sich schwer modellieren, da es für unterschiedliche Bitraten unterschiedliche Technologien gibt. Hier wurde eine Rauschdichte von 0,1 pA Hz-1/2 (f/1 MHz)-1/2 MHz angenommen. Bei 1 GHz wäre die Rauschdichte ungefähr 3 pA Hz-1/2.

Vier verschiedene Modulationsformate

In der Berechnung wurden vier verschiedene Modulationsformate angenommen: binär NRZ, Mehrstufen PAM und Quadratur-Amplituden-Modulation QAM. Der Haupteffekt ist, dass die benötigte Empfängerbandbreite für die höheren Modulationsformate auf ein Fünftel für QAM1024 sinkt. Allerdings wird ein höheres SNR benötigt, um die einzelnen Modulationsstufen unterscheiden zu können. Bei Bitraten, die deutlich über der verfügbaren Bandbreite liegen, kann man den Frequenzgang entzerren, um dennoch fehlerfrei übertragen zu können.

Die Entzerrung braucht ebenfalls zusätzliches SNR, welches in der Berechnung näherungsweise berücksichtigt wurde. Steht nur die halbe theoretisch notwendige Bandbreite zur Verfügung, ist dieser Zuschlag (Penalty) im Modell 1,8 dB. Als Beispiel sind im Modell über 10 m gut für Datenraten mit 14 GBit/s möglich. In Experimenten wurden 10 GBit/s über 15 m erreicht [7].

Unterschiedliche Längen und Modulationsformate

Mit einem 520-nm-Laser wurden am POF-AC die maximalen Bitraten über Entfernungen zwischen 100 und 180 m untersucht. Erreicht wurden 5,2 und 1,4 GBit/s [8]. Das Modell zeigt, dass bei unterschiedlichen Längen auch verschiedene Modulationsformate das beste Ergebnis bringen. Optimal ist die PAM16-Modulation mit Vorverzerrung [9] für Längen bis maximal 100 m. Bei sehr großen Längen sollte ein niedriges PAM oder sogar NRZ besser sein.

Mit Messungen an größeren Faserlängen soll abgeschätzt werden, ob sich solche Systeme in der Praxis eignen. Angestrebt wurden Bitraten von 10 bis 100 MBit/s über große Längen. Zum Einsatz kamen grüne LEDs, um die minimale POF-Dämpfung auszunutzen. Verwendet wurden speziell aufgebaute grüne LEDs des Ing.-Büro Heinl. Bei einer Mittenwellenlänge von ungefähr 522 nm emittieren die LEDs rund 5 mW bei einem Arbeitsstrom von 40 mA.

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Bild 2: Die P-I-Kennlinie der grünen LED mit dem Produktbild.
Bild 2: Die P-I-Kennlinie der grünen LED mit dem Produktbild.
(Bild: TH Nürnberg, POF-AC)

Bild 3: Das Augendiagramm bei einer Übertragung von über 500 m per PMMA-POF.
Bild 3: Das Augendiagramm bei einer Übertragung von über 500 m per PMMA-POF.
(Bild: TH Nürnberg, POF-AC)

Bild 2 zeigt die Leistung der verwendeten LED, gekoppelt in eine 1-mm-SI-POF ohne weitere optische Komponenten. Mit der LED erfolgten die Übertragungsexperimente. Per NRZ-Modulation und ohne Entzerrung konnte erstmals eine Bit­rate von 15 MBit/s über eine Faserlänge von 500 m übertragen werden (zwei In-Line-Steckverbindungen). Als Empfänger diente ein Transimpdanzverstärker mit einer Pin-Photodiode. Das entsprechende Augendiagramm zeigt das Bild 3. Weitere Messungen erfolgten mit anderen Empfängern und digitaler Entzerrung.

Erstmalig erreichte man bei einer Länge von 500 m der optischen Polymerfaser Bitraten von über 100 MBit/s (NRZ: 110 MBit/s; PAM4: 120 MBit/s). Die erreichten Fehlerraten erlauben den Einsatz von Fehlerkorrektur-Verfahren. Allerdings reicht die Bandbreite der grünen LED für höhere Datenraten nicht aus. Bei Distanzen von 200 bis 500 m wurden mit den identischen Faserproben neue Messungen mit einer grünen LED und einer Wellenlänge von 514 nm durchgeführt. Die besten Resultate ergaben sich für PAM4-Modulation, etwas schlechtere Werte mit PAM8. Das entspricht etwa den Simulationen.

Für 200, 300 und 400 m der POF-Strecke wurden jeweils 1.300, 560 und 370 MBit/s erreicht. Für die kompletten 500 m wurden mit dem Laser 230 MBit/s erzielt.

Geeignete Messtechnik für POF-Längen ab 500 Meter

Tabelle 2: POF-Link-Analyzer mit seinen technischen Parametern.
Tabelle 2: POF-Link-Analyzer mit seinen technischen Parametern.
(Bild: TH Nürnberg)

Für den Anwender von Systemen mit POF-Längen ab 500 m muss die Faserverbindung geprüft werden. Das erfolgt sowohl nach der Erstinstallation, als auch nach dem Auftreten von Fehlern. Dann muss der Streckenverluste möglich genau bekannt sein. Projektpartner Obtis hat ein modulares System mit einem sehr viel höheren Leistungs-Budget entwickelt. Es kann sowohl in der Sensorik, als auch als Testgerät eingesetzt werden.

Tabelle 2 zeigt das Gerät und nennt die wichtigsten Parameter. Das Gerät arbeitet nicht mit Gleichlicht, wie die meisten herkömmlichen Produkte. Das LED-Signal wird mit 5 kHz moduliert. Damit wird Umgebungs- und Fremdlicht mit entsprechenden transparenten Schutzmanteln unterdrückt.

Ein vereinfachtes Modell berechnet die Kapazität von PMMA-POF-Systemen. Es ermittelt die notwendige SNR. Einflüsse der Bandbreitebegrenzung erfasst der Penalty-Term. Ebenso wird die zunehmende Stromrauschdichte bei schnelleren Empfängern näherungsweise berücksichtigt. Es lässt sich abschätzen, dass sich Bitraten bis mindestens 100 MBit/s über Distanzen bis 500 m übertragen lassen. Dazu gibt es entsprechende Messtechnik.

Bild 4: Das Ergebnis der Systemsimulationen für maximal mögliche Bitraten im Vergleich zu älteren und aktuellen Messungen an einem PMMA-POF mit 1 mm.
Bild 4: Das Ergebnis der Systemsimulationen für maximal mögliche Bitraten im Vergleich zu älteren und aktuellen Messungen an einem PMMA-POF mit 1 mm.
(Bild: TH Nürnberg, POF-AC)

Für eine POF-Strecke von 500 m erreicht die LED >100 MBit/s und der Laser >200 MBit/s. Das sind jeweils Bestwerte für PMMA POF. Bild 4 fasst die vorherigen maximalen Bitraten über verschiedene Längen (blaue Kurve), die Abschätzung des Models und die neuesten Ergebnisse des POF AC mit Komponenten von Osram (Laser) und Ing.-Büro Heinl (LED) zusammen.

Die Arbeiten wurden unterstützt durch den European Regional Development Fund (EFRE) im Projekt „OHM-Netze“ (No. EU-1607-0017).

Literatur

[1] O. Ziemann, et al.: „Potential of PMMA based SI-POF for GBPS Transmission in Automotive Applications“, POF´2000, Boston, 05.-08.09.2000, pp. 44 – 48

[2] O. Ziemann, L. Giehmann: „Record Trans­mission Length with PMMA Based SI-POF for ISDN S0-bus Application“, POF´2000, Boston, 05.-08.09.2000, pp. 133 137

[3] D. Cardenas, et al.: „10 Mb/s Ethernet trans­mission over 425 m of large core Step Index POF: a media converter prototype“, POF’2006, Seoul 11.-14.09.2006, pp. 46-50

[4] A. Nespola, et al.: „Analysis of Adaptive Post-Equalization Techniques on 200+ Meter SI-POF Links at 100 Mb/s inside the POF-ALL Project“, POF’2006, Seoul 11.-14.09.2006, pp. 403-407

[5] Luceat S.p.a.: „Media Converter Ethernenet 100 su Fibra Plastica“, Jul. 2007

[6] A. Bluschke, N. Kiss: „Multicarriermodulation-Systeme für SI-POF”, 23. FGT der ITG-FG 5.4.1 „Optische Polymerfasern“ Erlangen, 17.07.2007

[7] O. Ziemann, et al.: „POF-Handbuch - Optische Kurzstreckenübertragungssysteme“, Springer, 2. Aufl., Sept. 2007

[8] S. Loquai, et al.: „Comparison of Modulation Schemes for 10.7 Gb/s Transmission over Large-Core 1 mm PMMA Polymer Optical Fiber”, Journ. of Lightw. Techn. Vol 31 (2013)13, 01.07.2013, pp. 2170 – 2176

[9] R. Kruglov, et al.: „Gigabit transmission over standard POF beyond 50 m”, 27th Intern. Conference on Plastic Optical Fibers, POF 2018, Seattle, WA, USA, 04. - 06.09.2018, paper OP24, pp. 87-90

[10] KD-POF: „FOT Development Platform KD-FDVP1001-MC KD1001A”, Product Brochure Madrid Dez. 2013

[11] O. Ziemann, et al.: „POF for distances beyond 100 m”, to be published

* Olaf Ziemann, Wolfgang Heinl und Juri Vinogradov arbeiten am Institut POF-AC der TH Nürnberg.Roman Kruglov arbeitet im Ingenieur-Büro Heinl in Zolling. Bernd Offenbeck ist bei OBTIS GmbH in Regensburg.

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