Mit 10 wichtigen Fragen den passenden EMS-Anbieter finden
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Das Outsourcing von Design- und Fertigungsprozessen hat für Unternehmen viele Vorteile. Sie können Kosten einsparen, die Markteinführungszeit verkürzen und ganz allgemein ihre Effizienz steigern. Voraussetzung dafür ist die Zusammenarbeit mit einem passenden EMS-(Electronics Manufacturing Service)Dienstleister.

Vor der Wahl eines geeigneten EMS-(Electronics Manufacturing Service) Partners ist es daher entscheidend, die richtigen Fragen zu stellen. Wer hier Prozesse vorab definiert und zentrale Kriterien bei der Evaluation und dem Auswahlprozess berücksichtigt, hat gute Aussichten nicht nur sein Projekt erfolgreich zu realisieren, sondern auch langfristig einen starken Partner zu gewinnen.
Die folgenden zehn Fragen helfen bei der Suche nach einem kompetenten Partner, die wichtigsten Entscheidungsfaktoren im Blick zu behalten.
1. Was sind die Kompetenzbereiche des EMS-Partners?
Hersteller sind in der Regel hochspezialisiert und verfolgen eine klar abgesteckte Produktstrategie. Es macht also Sinn, auch beim zukünftigen EMS-Partner nach der passenden Branchenerfahrung und den jeweiligen Fachkenntnissen zu suchen. Ein Auftragsfertiger, der Baugruppen und Komponenten in Serienproduktion liefert, verfügt nicht zwangsläufig über die gleiche Expertise bei der High-Mix-Low-Volume-Fertigung, wie sie beispielsweise bei hochkomplexen medizinischen Geräten nötig ist.
Andererseits kann branchenfremdes bzw. branchenübergreifendes Knowhow auch ein Trumpf im Ärmel sein. Sollen beispielsweise klassische medizinische Geräte für den In-Home-Gebrauch mit WiFi ausgestattet werden, kommt ein Partner, der sowohl in der Telekommunikations- als auch in der Medizinbranche Erfahrung hat, wie gerufen. Die breite Expertise aus verschiedenen Industrien ist ein Alleinstellungsmerkmal (unique selling point, USP) von EMS, das sich Hersteller gezielt zu Nutze machen sollten, um innovative Lösungen abseits festgefahrener Roadmaps auf den Weg zu bringen.
2. Welche Leistungen bietet der EMS-Partner?
Nicht jedes Produkt ist gleich. Umso wichtiger ist es, dass der Anforderungskatalog sich eins zu eins im Leistungsportfolio des EMS-Partners widerspiegelt. Ein explizites Briefing macht deutlich, wo die Prioritäten liegen, welche Herausforderungen zu bewältigen sind und ob der Partner den Aufgaben gewachsen ist.
Oft geht es dabei nicht nur um bloße Pflichterfüllung. Mehr und mehr sind Partner gefragt, die ihre eigene Expertise und Innovationskraft einbringen, neue Ansätze und alternative Arbeitsweisen aufzeigen und damit einen Mehrwert schaffen, der weit über das Projekt hinaus geht. Bestimmte Kompetenzen und Ressourcen sind jedoch Grundvoraussetzung: Klasse III Medizinprodukte können nur in einer entsprechend zertifizierten Produktionsanlage gefertigt werden. Reinräume wiederum sind für jeden Herstellungsprozess unerlässlich, bei dem eine partikuläre Kontamination die Qualität der produzierten Güter beeinträchtigt (z.B. pharmazeutische Produkte, Mikroelektronik).
3. Wie vorausschauend plant der potenzielle Partner?
Proaktiv handeln und schnell und flexibel reagieren – im Idealfall hilft ein EMS-Anbieter dem Hersteller dabei, Risiken vorherzusehen und Herausforderungen zu umschiffen, ehe sie zu einem echten Problem werden. Dafür sind nicht nur umfassende Ressourcen gefragt, sondern auch souveränes Fachwissen, langjährige Erfahrung und eine Portion Einfallsreichtum, um auch bei Komplikationen Projekte in der anvisierten Zeit zu realisieren und Verzögerungen zu vermeiden.
Das Supply Chain Management gibt gute Anhaltspunkte, wie es mit der vorausschauenden Planung beim Partner steht. Hier zeigt sich, wie schnell EMS-Dienstleister Risiken und Störungen auf globaler wie regionaler Ebene identifizieren und beseitigen können. Das Leistungspaket sollten unter anderem Transparenz und Rückverfolgbarkeit, interne und externe Bedrohungsanalysen, Null-Toleranz-Politik in Bezug auf gefälschte Produkte, Marktanalysen und Warnung, das Erfüllen von globalen Handelsabkommen, Obsoleszenzmanagement, die regelmäßige Qualitätskontrolle bei Lieferanten und Zulieferern sowie Übergangsmanagement umfassen.
4. Kann der Partner global wie lokal unterstützen?
Gute Zusammenarbeit fußt auf einer transparenten und offenen Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Zuverlässige Ansprechpartner, Teamarbeit und persönlicher Austausch auf schnellem Weg oder bei Treffen vor Ort tragen maßgeblich zum Erfolg von Projekten bei.
Ein globaler Fußabdruck in Kombination mit lokalen Standorten bei einem Partner ist hier durchaus von Vorteil. Die Experten kennen die jeweiligen Endmärkte sowie die entsprechenden regulatorischen Rahmenbedingungen, profitieren von der weltweiten Expertise der einzelnen Design Center und können den Fertigungsstandort in Bezug auf die Gesamtkosten flexibel wählen, ohne den direkten Kontakt zum Kunden zu verlieren.
5. Ist der Partner kundenorientiert?
Kundenorientierung ist mittlerweile ein so inflationärer Begriff, dass eine genaue Definition schwerfällt. Unternehmen sollten daher nicht vergessen: Wer Erfolg messen will, muss Erfolgsparameter festlegen. Damit werden Erwartungen frühzeitig gemanagt und Enttäuschungen oder Missverständnisse vorgebeugt.
Design- und Fertigungspartner arbeiten eng mit Kunden zusammen und handeln häufig als verlängerter Arm des eigenen Teams, proaktiv und eigenverantwortlich. Das damit bewiesene Vertrauen zahlt sich in der Regel aus, wenn das Endprodukt den Anforderungen nicht nur entspricht, sondern diese übertrifft. Ein vorab definiertes Framework hilft bei der Aufgabenverteilung, der Optimierung von Workflows und der Evaluation von Sprints, legt Verantwortlichkeiten und Zeitrahmen fest und garantiert so eine konfliktfreie Zusammenarbeit.
6. Passt der Partner zur eigenen Unternehmensstruktur?
Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist in gewissem Maße auch von einer ähnlichen Unternehmensphilosophie abhängig sowie von vergleichbaren Strukturen was Arbeitsprozesse und Organisation angeht. Stehen dezidierte Programm- und Transition-Manager bereit, die für einen reibungslosen Durchlauf aller Projektphasen sorgen? Wie verläuft die Kollaboration mit Designteam, dem Account Management oder – nach Markteinführung – mit dem Kundenservice?
„Full Value Stream“-Partner bieten hier Unterstützung über den kompletten Produktlebenszyklus und sind selten „nur“ für die Fertigung verantwortlich. In vielen Fällen beginnt die Zusammenarbeit bereits beim Design und der Entwicklung, schließt Supply Chain und Fertigung ein, und reicht bis in die Aftermarket-Services.
7. Hält der Partner mit den technologischen Trends Schritt?
Angesichts des wachsenden Innovationsdrucks in allen Branchen rückt auch die Rolle von EMS-Partnern als Innovationstreiber und -befähiger mehr und mehr in den Vordergrund. Die Industrie 4.0 automatisiert Bestandsmanagement und Prüfabläufe und nutzt Machine Learning, um Produktionssysteme zuverlässiger und effizienter zu gestalten. Die Additive Fertigung (3D-Druck) beschleunigt das Prototyping, während Roboter verstärkt im Bereich High Level Assembly oder der Qualitätsprüfung zum Einsatz kommen. So groß das Potenzial der neuen Technologien ist, so gewaltig sind die Herausforderungen bei der Implementierung. KI ist nicht gleich Machine Learning und nicht jeder neue Trend ist für jedes Unternehmen gleich sinnvoll. Die Erfahrung von EMS-Partnern im Einsatz unterschiedlicher Technologien kann Unternehmen helfen, Aufwand und Nutzen zu evaluieren und die ersten Schritte in Richtung Smart Factory und Smart Devices gefahrlos zurück zulegen.
8. Wie steht es mit der Cybersicherheit?
Cyberkriminalität ist für die Elektronikbranche eines der dringlichsten Probleme der kommenden Jahre. Ransomware-Angriffe, Datenleaks und Software-Vulnerabilities stellen eine ernstzunehmende Bedrohung für Produktivität und Rentabilität dar und können im Ernstfall einen irreparablen Vertrauensverlust bei Endanwendern zur Folge haben. Bis 2021 soll sich der voraussichtliche Schaden durch cyberkriminelle Aktivitäten auf 6 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen.
Die illegale Vervielfältigung von Patenten, Industriespionage und Diebstahl geistigen Eigentums (IP) nimmt für Hersteller eine Sonderrolle ein. Umso riskanter scheint es, Ideen in die Hände Dritter zu legen und Dokumente mit Teams und Partnern auf der ganzen Welt zu teilen. Strenge Kontrollen und klare Richtlinien beim EMS-Partner sind daher unerlässlich. Diese reichen von einer papierlosen Organisation bis hin zu strikten, geographisch voneinander getrennten Zugriffsberechtigungen für sensiblen IP-Daten. Auch Cybersecurity Frameworks (z. B. ISO 27001, COBIT, CES, NIST CSF, BSI Technische Richtlinien) sollten bei Partnern fest integriert sein.
9. Wie wird das Produkt in Zukunft unterstützt?
Mit der Markteinführung ist der Produktlebenszyklus noch lange nicht zu Ende. Das gilt auch für die Zusammenarbeit mit einem EMS-Anbieter. Kundenspezifische Aftermarket Services sind darauf ausgerichtet, den Lebenszyklus von Produkten zu verlängern, Markentreue aufzubauen und damit letztendlich die Kundenerfahrung zu verbessern – vom Auftrags- und Logistikmanagement über Maintenance und Reparaturen bis hin zu End-of-Life. Die Aufgaben sind komplex und insbesondere bei Produkten mit langer Lebensdauer oft nur schwer planbar. Wichtig sind daher agile Lösungen, die sich den wechselnden Anforderungen und Marktveränderungen anpassen. Wer hier über einen Partner mit global aufgestellten Fertigungsressourcen und den notwendigen Prozessen und Strukturen verfügt, kann seine Produkte über einen langen Zeitraum umfassend unterstützen.
10. Hält der Partner, was er verspricht?
Expertise und Erfahrung machen den Kern eines guten EMS-Partners aus. Der Blick auf vergangene, erfolgreich umgesetzte Projekte verrät viel über Best Practices, interne Strukturen und Workflows, Prioritätensetzung, Lösungsansätze und Kundenorientierung. Stimmen die eigenen Anforderungen und Erwartungshaltung mit diesem Bild aus der Praxis überein, stehen die Aussichten gut, dass man bei der Wahl des EMS-Anbieters ins Schwarze trifft.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in der Fachzeitschrift ELEKTRONIKPRAXIS Ausgabe 10/2020 (Download PDF)
* Kurt Wanless ist Market Sector Vice President EMEA, Plexus in Neenah, Wisconsin, USA.
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