Algorithmen entschlüsseln komplexe Vorgänge Medizinische Daten erheben und interpretieren
Künftig sollen Algorithmen Gesundheitsdaten erheben können oder die Behandlungsmethoden in der Geburtsmedizin verbessern. Dazu notwendig ist eine enge Verzahnung von Mensch und Computer auf dem Feld der Medizin.
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Für viele Menschen klingt es abschreckend, wenn Wissenschaftler davon sprechen, Mensch und Maschine verschmelzen. Schnell sind dann Bilder aus dem Umfeld von Science-Fiction vor unserem inneren Auge. Doch diese Symbiose birgt positives Potenzial für das Leben der Menschen. So muss die Technik einer Smartwatch vor allem eines können: Die biomedizinischen Signale des Trägers erkennen und einen Notruf rechtfertigen.
Ist der Puls des Trägers beispielsweise beschleunigt oder das Herz stehengeblieben? Ist die Atmung unregelmäßig? Befindet sich die Uhr nicht mehr, wie beim Gehen üblich, in einem Meter Höhe, sondern auf dem Boden? Alle dafür notwendigen Daten kann eine Smartwatch über ihre Sensoren erfassen. Ein Algorithmus interpretiert die Sensordaten und wertet sie aus. Überschreiten die Messdaten definierte Schwellenwerte, wird ein Notruf abgesetzt.
Medizinische Daten erheben und interpretieren
Die Sensorik haben die Entwickler im Griff und sie ist kein großes Problem. Schwieriger wird es, wenn medizinische Daten ins Spiel kommen, die erheblich komplizierter zu erheben und zu interpretieren sind. Die „Systems Neuroscience & Neurotechnology Unit“ (SNNU) der Medizinischen Fakultät an der Universität des Saarlandes, erforschte in den vergangenen Jahren sogenannte neuro-technologische Systeme, welche über wesentlich komplexere Vorgänge im menschlichen Körper Aufschluss geben können.
Eine große Forschungsfrage der SNNU lautet etwa, wie Maschinen die Daten sicher und datenschutzkonform nutzen können, um den Menschen besser zu verstehen und um besser auf ihn eingehen zu können. „Durch die hochauflösende neuromuskuläre Datenerfassung werden wir Heilungsprozesse zum Beispiel nach dem Einsatz einer Knieprothese besser verstehen und in Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI) Reha-Konzepte individuell auf den Patienten zuschneiden können“, erzählt Professor Daniel Strauss, der für das Projekt federführend war.
Technik kümmert sich um den Menschen
Weitere Einsatzfelder sind die empathischen Inkubatoren, welche die Gefühlslage von Neugeborenen rund um die Uhr überwachen. Außerdem kann das System auf die Bedürfnisse der Babys eingehen. Oder künstliche Intelligenz im OP soll durch eine multimodale Informationsübertragung – Sehen, Hören, Fühlen – das OP-Team optimal im Rahmen einer Aufmerksamkeitsassistenz unterstützen.
Weiterhin solle der Wert von neuro-technologisch gewonnen Daten im Rahmen der Mensch-Maschine-Interaktion für die Medizin, insbesondere die Präventivmedizin, sowie die proaktive Gesundheitsvorsorge untersucht werden.
Autonomes Fahren und Medizintechnik
Es wäre Verschwendung, die Daten beim autonomen Fahren nicht auch für medizinische Zwecke zu nutzen. So lassen sich aus der Stimme des Menschen bereits heute Informationen über seine Stimmung gewinnen. Das Auto könnte sich darauf einstellen, ob der Passagier beispielsweise entspannt, gereizt oder müde ist. Die Algorithmen in einem Auto können anhand der Stimme des Fahrers analysieren, ob dieser einen empfindlichen Magen hat. „Weiß das Auto dann, dass ich unter Reisekrankheit leide, fährt es die Kurven etwas langsamer und bremst etwas geschmeidiger ab, damit es mir nicht schlecht wird“, erläutert Professor Strauss.
Ein Auto könnte außerdem erkennen, ob sich der Herzschlag bei einer Fahrt im Vergleich zu vorigen Fahrten verändert hat oder ob er verstärkt schwitzt. Das kann auf ein medizinisches Problem hindeuten. Das soll in Zukunft kontaktlos über Kameras und Mikrofone erfolgen, die ohnehin als Assistenzsysteme in den Autos verbaut sind.
Forschung braucht Zeit
„Die grundlegende Verknüpfung von Sensorik, Menschen und Daten ist etwas, was die großen Tech-Konzerne nicht auf die Schnelle umsetzen können. Mit all den Milliarden, die sie zur Verfügung haben, können sie eines nicht kaufen: Zeit“, erläutert Daniel Strauss.
Denn für die Erhebung und die sinnvolle Verknüpfung medizinischer Daten, insbesondere von komplexen Langzeitdaten ist viel Zeit notwendig. Das ist eine gute Nachricht für ein Forschungsprojekt, das regional betrachtet recht groß ist, im Vergleich zu den Tech-Giganten allerdings doch sehr klein. Hier kann eine Zusammenarbeit auf kleinem Raum von medizinischer Forschung, einer Universitätsklinik und ingenieurwissenschaftlichem Know-how von größerer Bedeutung sein als die schiere Masse in Form von finanzieller Kraft der Tech-Konzerne.
Die engere Verzahnung von Mensch und Computer insbesondere auf dem Feld der Medizin erforschen Wissenschaftler der Saar-Uni, der htw saar sowie des Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) in Zukunft im „Center for Digital Neurotechnologies Saar (CDNS).
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