Infineon übernimmt Cypress für 9 Mrd. Euro

Autor Michael Eckstein

Mit der milliardenschweren Übernahme von Cypress Semiconductor will Infineon seinen Wachstumskurs stärken. Infineon festigt damit seine Position in der Top 10 der weltweit größten Halbleiterhersteller und erobert im Markt für Automotive-Chips voraussichtlich die Pole-Position.

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Gemeinsam stärker: Infineon sieht sich durch die geplante Übernahme vor allem in seinen Kerngeschäften Automotive, Industrial, IoT und Security gestärkt.
Gemeinsam stärker: Infineon sieht sich durch die geplante Übernahme vor allem in seinen Kerngeschäften Automotive, Industrial, IoT und Security gestärkt.
(Bild: Cypress)

Infineon will den US-amerikanischen Embedded-Spezialisten Cypress übernehmen. Beide Unternehmen haben nach eigenen Angaben bereits einen Vorvertrag unterzeichnet. Angesichts der rasant steigenden Bedeutung von sowohl robusten Speicherlösungen als auch drahtloser Vernetzung im Automobil- und Industriebereich schließt Infineon damit Lücken im eigenen Portfolio. Bereits vor der Übernahme hat Infineon eng mit Cypress kooperiert.

Satte 9 Mrd. Euro plus Transaktionskosten in ungenannter Höhe sind Infineon die Technologie und die Mitarbeiter von Cypress wert. Das entspricht 23,85 US-Dollar in bar pro ausstehender Aktie des Unternehmens – oder auch 4,5 mal seines Umsatzes (Multiple). Die derzeitige Marktschwäche habe Infineon in die Karten gespielt, erklärt Dr. Reinhard Ploss, Vorstandsvorsitzender von Infineon, „sonst hätte der Preis möglicherweise noch höher und vielleicht sogar außerhalb unserer Reichweite gelegen.“

Reale und digitale Welt verbinden

Mit der Transaktion könne Infineon das umfassendste Portfolio für die Verbindung der realen mit der digitalen Welt anbieten, ist Ploss überzeugt. Er sieht große zusätzliche Wachstumspotenziale in den Bereichen Automobil, Industrie und Internet der Dinge, die sich durch das kombinierte Portfolio erschließen ließen. „Außerdem macht diese Transaktion unser Geschäftsmodell noch robuster.“

Infineon will mit der Übernahme von Cypress seine Ausrichtung auf strukturelle Wachstumstreiber stärken und ein breiteres Anwendungsspektrum bedienen. Cypress verfügt über ein differenziertes Portfolio an Mikrocontrollern sowie Software und Connectivity-Komponenten, das nach Ansicht von Ploss die eigenen „führenden Leistungshalbleiter, Sensoren und Sicherheitslösungen optimal ergänzt“.

Fünf Wochen vom Signal bis zur Übernahme

Erst vor rund fünf Wochen habe Cypress gezielt einigen Bietern signalisiert, dass es an einer Übernahme interessiert sei, sagt Dr. Helmut Gassel, Infineons Chief Marketing Officer und Mitglied des Vorstands. Nach Bekanntwerden habe man in wenigen Wochen die nötige Finanzierung auf die Beine gestellt. Nach Aussagen von Finanzvorstand Dr. Sven Schneider werde der Übernahmebetrag durch 30% Eigenkapital, Barmittel von rund 500 Mio. Euro und Fremdkapital durch ein Bankenkonsortium bereitgestellt. „Unsere Liquiditätsreserve von 1 Mrd. Euro plus ein Jahresumsatz bleibt davon unangetastet.“

In den vergangenen drei Jahren habe man mit der „Cypress 3.0“-Strategie die gesamte Organisation umstrukturiert, um das Unternehmen auf die entscheidenden Märkte zu fokussieren, erklärt Steve Albrecht, Vorsitzender des Board of Directors von Cypress. „Nachdem mehrere Unternehmen ein Kaufinteresse geäußert hatten, stehen wir nun vor einer Transaktion, die die Strategie und harte Arbeit unseres Teams bestätigt.“

Das Infineon-Board erwartet bis 2022 Kostensynergien in Höhe von jährlich 180 Mio. Euro und langfristig mehr als 1,5 Mrd. Euro an Umsatzsynergien pro Jahr. „Bereits ab dem ersten vollen Jahr nach Abschluss der Transaktion wird sich diese nach unseren Erwartungen wertsteigernd auswirken“, ist Schneider überzeugt. Ende des Kalenderjahres 2019, Anfang 2020 soll das Geschäft abgeschlossen sein. „Nach der Integration erwarten wir für unser künftiges Zielgeschäftsmodell 9 Prozent mehr Umsatzwachstum, 19 Prozent Segmentergebnismarge und eine Investitionsquote von 13 Prozent.“

US-Ausschuss muss Deal noch genehmigen

Nun müssen der Akquisition noch die Aktionäre von Cypress zustimmen. Auch muss sie noch die zuständigen Aufsichtsbehörden passieren, darunter das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS). Der US-amerikanische Ausschuss für ausländische Investitionen in den USA kann eine Empfehlung gegen ausländische Übernahmen aussprechen, sofern er dadurch die nationale Sicherheit der USA gefährdet sieht. Das kommt durchaus vor: So platzte etwa nach einer „Executive Order“ Trumps auf Empfehlung des CFIUS im Herbst 2017 die auf etwa 1,3 Mrd. Dollar taxierte Übernahme durch die chinesische Beteiligungsgesellschaft Canyon Bridge und seine Kapitalpartner.

Ploss sieht derartige Gefahren für die Cypress-Übernahme nicht: „Seit unserer Erfahrung mit Wolfspeed arbeiten wir eng mit CFIUS zusammen.“ Hinzu komme, dass Cypress keine Produkte im Portfolio habe, die den jüngsten Export-Regularien der US-Regierung unterliegen. „Wir haben ein gutes Gefühl, dass seitens des CFIUS keine Bedenken genannt werden.“

Kombiniertes Portfolio für besonders umfassende Lösungen

Mikrocontroller, drahtlose und USB-basierte Konnektivitätslösungen, analoge ICs sowie zuverlässiger Hochleistungsspeicher gehören zum Embedded-IP-Portfolio von Cypress. In der Vergangenheit hat das Unternehmen mit sicherem Gespür und viel Geschick frühzeitig wichtige und lukrative Wachstumsmärkte besetzt. So sind etwa die 2018 vorgestellten Bausteine der NOR-Flash-Speicherfamilie Semper partitionierbar und für ISO 26262 und ASIL-B zertifiziert. Die F-RAM-Produkte seiner Excelon-Familie hat Cypress auf hohe Geschwindigkeit und Zuverlässigkeit ausgelegt, Zielmarkt ist hier die kritische Datenprotokollierung in industriellen Umgebungen und Fahrzeugen.

Das kombinierte Produktspektrum ermöglicht laut Ploss noch umfassendere Lösungen als bisher für wachstumsstarke Anwendungen. Dazu zählt er elektrische Antriebe, batteriebetriebene Geräte und Stromversorgungen. Die Verbindung der Sicherheits-Expertise von Infineon mit dem Connectivity-Know-how von Cypress beschleunige den Eintritt in neue IoT-Anwendungen im Industrie- und im Consumer-Segment. „Bei Automobilhalbleitern bietet das erweiterte Portfolio an Mikrocontrollern und NOR-Flash-Speichern großes Potenzial, insbesondere mit Blick auf deren wachsende Bedeutung für Fahrerassistenzsysteme und neue Elektronikarchitekturen im Fahrzeug“, sagt der Infineon-Chef.

Gestärkte F&E-Position im Silicon Valley

Mit der starken Präsenz von Cypress in den USA, insbesondere bei Forschung und Entwicklung (F&E), will Infineon sowohl seine Leistungsfähigkeit für die nordamerikanischen Kunden als auch in anderen wichtigen Regionen der Welt stärken. „Wir bauen unsere F&E-Position im Silicon Valley aus und steigern unsere Präsenz und unseren Marktanteil im strategisch wichtigen japanischen Markt“, erklärt Gassel. Gleichzeitig sollen signifikante Größenvorteile entstehen, durch die das Geschäftsmodell von Infineon robuster wird.

Gemessen am pro-forma Umsatz von 10 Mrd. Euro im Geschäftsjahr 2018 steigt Infineon durch die Übernahme zur Nummer acht unter den weltweiten größten Chip-Herstellern auf. Neben seiner bereits heute führenden Position bei Leistungshalbleitern und Sicherheits-Controllern wird das Unternehmen zudem zur Nummer eins bei Chips für den Automobilmarkt.

Consumer-Produkte weiter nicht im Fokus

Cypress hat zuletzt rund 30% seines Umsatzes mit Consumer-Produkten wie der WASS-Lösung für kabellose Kopfhörer gemacht. Ein Geschäft, das bislang nicht im Fokus von Infineon steht – und es auch in Zukunft nicht tun wird: „Wir werden analysieren, welche Lösungen wir beispielsweise sinnvoll in unser Automotive-Geschäft integrieren können“, sagt Gassel. Der eigene Fokus werde aber weiter klar auf Industrial-, Automotive-, Industrial-IoT- und Security-Lösungen liegen.

Ein Aushängeschild des kalifornischen Unternehmens ist sein junger President und CEO Hassane El-Khoury. Er hat 2016 die Leitung von Cypress übernommen, nachdem der vorherige CEO T. J. Rodger zurückgetreten war. Rodgers hatte das Unternehmen 1982 gegründet. El-Khoury sieht eine Technologiewelle mit einem rasant steigenden Bedarf an Connectivity und Computing voraus: „Gemeinsam werden wir von den Möglichkeiten des milliardenschweren Marktes profitieren.“

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