Induktives Plasmatriebwerk für weniger Weltraumschrott

Redakteur: Dipl.-Ing. (FH) Thomas Kuther

Am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) wurde erstmals ein induktives Plasmatriebwerk gezündet, das eines der wesentlichen Probleme lösen soll: Es eliminiert den Luftwiderstand im unteren Orbit und erhöht dadurch die Lebensdauer von Satelliten.

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Induktives Plasmatriebwerk (IPT).
Induktives Plasmatriebwerk (IPT).
(Bild: Universität Stuttgart/IRS)

Erdbeobachtungssatelliten für niedrige Flughöhen, kleiner, leichter und billiger als herkömmliche Modelle: Das sind die Ziele des EU- Projekts „Discoverer“, an dem neun Partner aus Europa und den USA beteiligt sind. Am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart wurde nun erstmals ein neuartiges induktives Plasmatriebwerk gezündet, das eines der wesentlichen Probleme der Mission lösen soll: Es eliminiert den Luftwiderstand im unteren Orbit und erhöht dadurch die Lebensdauer der Satelliten. Das System basiert auf Helicon-Wellen und ist mit einer Antenne aus dem medizinischen Einsatz ausgestattet.

Neuartige Erdbeobachtungen werden möglich

Satellitenmissionen im so genannten „Very Low Earth Orbit“, also in geringen Höhen bis zu 400 km, ermöglichen neuartige Erdbeobachtungen wie die dauerhafte Vermessung des Erdschwerefeldes mit kleinen und preisgünstigen Satelliten. Allerdings herrscht in diesen Höhen durch die Restatmosphäre noch ein relativ hoher Luftwiederstand. Dieser macht einen Satelliten langsamer und langsamer, wodurch ihn die Schwerkraft näher zur Erde ziehen kann, bis er in die Erdatmosphäre eintritt und verglüht. Demnach wäre die Mission, je nach Höhe, schon innerhalb eines Zeitraums von Tagen bis wenigen Monaten beendet.

„Atmosphärenatmender“ Antrieb

Um das Lebensdauer-Problem zu lösen und neuartige beziehungsweise signifikant verbesserte Möglichkeiten der Erdbeobachtung zu eröffnen, entwickelt eine Arbeitsgruppe am IRS der Universität Stuttgart bereits seit 2014 einen „atmosphärenatmenden“ elektrischen Raumfahrtantrieb, der den Luftwiderstand kompensiert. Das System nimmt die bremsenden Atmosphärenpartikel aus der Restatmosphäre um den Satelliten auf und nutzt diese als Treibstoff. Dies hat den Vorteil, dass der Satellit keinen Treibstofftank mit sich führen muss, er versorgt sich aus den Gaspartikeln der Hochatmosphäre und photovoltaischer Elektrizität.

Treibstoff wird zu Plasma

Dabei führt die elektrische Energie den Treibstoff in Plasma über, das beschleunigt wird, um Schub zu generieren. Bisherige Systeme benötigten hierfür Elektroden beziehungsweise Gitter, die aber empfindlich auf den aggressiven Sauerstoff reagieren.

Andere arbeiten mit einem ebenso empfindlichen Neutralisator, der verhindert, dass der Satellit sich elektrisch auflädt und die Ionen dadurch wieder zurückgezogen werden, was den Schub zunichtemachen würde. Das IRS der Universität Stuttgart entwickelte nun erstmals ein atmosphärenatmendes elektrisches Triebwerk (ABEP), das ohne diese Hilfsmittel auskommt.

Eine Antenne zündet das Plasma

Das ABEP-System besteht aus einem Massenkollektor sowie einem Radiofrequenz-Antrieb, dem Induktiven Plasmatriebwerk (IPT). Dieses basiert auf so genannten Heliconwellen, also Niederfrequenzelektromagnetischen Wellen. Bei diesem fortschrittlichen physikalischen Prinzip wird das Plasma durch eine Antenne gezündet und beschleunigt, um Schub zu generieren.

Der IPT des IRS nutzt dabei erstmals eine so genannte zylindrische Birdcage-Antenne, die ihren Ursprung in der Magnetresonanztomographie hat. Diese stellt elektromagnetische Mechanismen zur Verfügung, die sowohl die Ionen als auch die Elektronen simultan beschleunigen. Dadurch weist die Antenne einen besonders hohen Wirkungsgrad auf, was der Plasmajet in ersten Tests bewiesen hat.

Plasmatriebwerk bietet mehrere Vorteile

Die Inbetriebnahme des induktiven Plasmatriebwerks ist ein Durchbruch, der gleich mehrere Vorteile mit sich bringt: Das Triebwerk kann mit variablen Treibstoff-Massenströmen und -Kompositionen umgehen und wird damit dem Umstand gerecht, dass in der Atmosphäre keine einheitlichen Bedingungen herrschen.

Zudem kann es auch mit dem aggressivem Treibstoff der Thermosphäre, zum Beispiel mit atomarem Sauerstoff, problemlos betrieben werden. Ionen und Elektronen werden gemeinsam mit hoher Geschwindigkeit zur Schubgenerierung beschleunigt; ein Neutralisator ist daher nicht erforderlich.

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