Aktion Elektronik hilft 2012 Bill Gates und die Neuerfindung der Toilette
Im Rahmen ihrer Spendenaktion "Elektronik hilft 2012" (siehe Kasten unten) für die Opfer der Hungersnot in Ostafrika berichtet die ELEKTRONIKPRAXIS über technologische Projekte, Kooperation und Visionen, die dem schwarzen Kontinent eine bessere Zukuft bescheren sollen. Heute: Die Neuerfindung der Toilette.
Anbieter zum Thema

Weltweit leben nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO rund 2,5 Milliarden Menschen ohne Zugang zu einer Toilette, die gewissen hygienischen Grundanforderungen entspricht. Die Folgen sind dramatisch: Auf diese Weise können sich tödliche Krankheiten ausbreiten. Jährlich sterben etwa 1,5 Millionen Menschen an Diarrhoe – die meisten davon Kinder unter fünf Jahren.
Die Bill and Melinda Gates Foundation des Microsoft-Gründers und seiner Frau hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe von Technologie eine Lösung für dieses Problem zu finden und den Wettbewerb Reinventing the Toilet Challenge gestartet.
Vor einem Jahr wurde an Universitäten auf der ganzen Welt die Aufgabe gestellt: Erfindet ein Toilette, die die menschlichen Ausscheidungen auffangen und verarbeiten kann, aber ohne Anschluss an eine Wasserleitung, eine Kanalisation oder das Stromnetz. Darüber hinaus sollte die Ausscheidungen in nutzbare Ressourcen umgewandelt werden und das Ganze zu einem Preis von maximal 5 US-Cent pro Benutzer und Tag.
Um diese ehrgeizigen Ziele erreichen zu können, wurden von der Bill and Melinda Gates Foundation großzügige Forschungsgelder bereitgestellt: Acht Universitäten bekamen jeweils etwa 400.000 US-$ zugesprochen. In Seattle wurden kürzlich die Einreichungen aus 29 Ländern demonstriert und die Sieger des Wettbewerbs gekürt (siehe Bildergalerie). Dabei wurden die Prototypen auch getestet – allerdings mit gefakten Fäkalien, einer Mischung aus Sojabohnen und Reis.
Der erste Preis in Höhe von 100.000 US-$ ging an an ein Team des California Institute of Technology um Professor Michael Hoffmann. Ihr Design nutzt Sonnenenergie, um einen elektrochemischen Reaktor anzutreiben, der die Ausscheidungen aufspaltet in Dünger und Wasserstoff. Letzterer wird in einer Brennstoffzelle zu Energiegewinnung verwendet. Das rückgewonnene Wasser wird entweder zur Toilettenspülung verwendet oder für die Bewässerung von Feldern.
Hoffmanns Konzept namens Self-Contained, PV-Powered Domestic Toilet and Wastewater Treatment System hat etwa das Format der bei Veranstaltungen üblichen Toilettenwagen und kann bis zu 500 Menschen am Tag eine hygienische Umgebung bereitstellen. Die Kosten belaufen sich derzeit auf rund 2000 US-$, könnten bei einer industriellen Produktion aber deutlich sinken.
Den zweiten Preis in Höhe von 60.000 US-$ ging an die Loughborough University aus Großbritannien. Das Konzept von Professor M. Sohail Khan nutzt einen Prozess namens Continuous Thermal Hydrocarbonisation, um alle Krankheitserreger in den Ausscheidungen abzutöten und im weiteren Prozess Wasser und einen Holzkohle-artigen Stoff zu produzieren, der für die Energiegewinnung genutzt werden kann.
Der dritte Preis über 40.000 US-$ ging an die University of Toronto in Kanada. Bei diesem Design werden flüssige und feste Ausscheidungen getrennt. Die Flüssigkeiten werden durch Sand gefiltert und per UV-Lampe (gespeist von Solarzellen) sterilisiert. Die festen Stoffe werden getrocknet und erhitzt, bis nur noch Asche übrig ist.
Einen Sonderpreis (40.000 US-$) bekam das Schweizer Bundesinstitut Eidgenössische Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz und die Designfirma EOOS für ihr Design des User Interface einer öffentlichen Toilette. “Wir haben eine Toilette gestaltet, die überall auf der Welt funktioniert, von den Slums von Kampala bis zum Wochenendhäuschen eines Millionärs", so Harald Gründl von EOOS Design.
Zum Abschluss des Reinvent the Toilet Fair in Seattle kündigte die Bill and Melinda Gates Stiftung eine zweite Runde des Wettbewerbs an: Insgesamt 3,4 Millionen US-$ an weiteren Forschungsgeldern wurden an vier Universitäten vergeben.
(ID:35167940)