Schaltanlagenbau Automatisierung auch bei kleinen Losgrößen

Autor / Redakteur: Jörg Lantzsch und Hans-Robert Koch * / Kristin Rinortner

Schaltschränke sind das Rückgrat von Anwendungen in der modernen Industrie. Der Beitrag zeigt den Entstehungsprozess einer Schaltanlage von der Planung über die Fertigung bis zur Inbetriebnahme.

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Engineering System: Wenn eine Niederspannungsschaltanlage in Betrieb geht, lief zuvor ein Engineering-Prozess mit vielen Schritten ab.
Engineering System: Wenn eine Niederspannungsschaltanlage in Betrieb geht, lief zuvor ein Engineering-Prozess mit vielen Schritten ab.
(Bild: Rittal)

Moderne Engineering-Methoden machen eine automatisierte Fertigung auch für Bereiche interessant, in denen bislang noch überwiegend manuelle Arbeitsschritte üblich waren. Ein typisches Beispiel ist der Schaltanlagenbau, in dem sich die automatisierte Bearbeitung von Montageplatten und Schaltschrankteilen immer mehr durchsetzt. Dies ist auch bei kleinen Projekten und niedrigen Losgrößen möglich, wenn die eingesetzten Systeme nahtlos zusammenarbeiten. Dies zeigt das Beispiel des Schaltanlagenbauers GWG Industrietechnik, der dabei auf Lösungen aus dem Unternehmensverbund Rittal, Eplan und Kiesling setzt.

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Ohne Energieverteilung und Automatisierungstechnik kann heute kaum eine industrielle Anwendung funktionieren. Den Schaltschränken kommt als Gehäuse für diese Komponenten eine große Bedeutung zu – oftmals werden sie daher auch als Rückgrat der Anwendung bezeichnet. Der Entstehungsprozess einer Niederspannungsschaltanlage von der Elektroplanung über die Fertigung bis hin zur Inbetriebnahme ist ein komplexer und zeitaufwendiger Engineering-Prozess. Auf Basis der Anforderungen wird zu Beginn eine Elektroplanung erstellt. Diese dient wiederum als Grundlage für die nachfolgenden Produktionsschritte bis hin zur Inbetriebnahme. Um diesen Engineering-Prozess möglichst effizient zu gestalten, ist eine durchgängige Datenhaltung entlang der gesamten Wertschöpfungskette notwendig.

Durchgängiges Engineering im Schaltanlagenbau

Auf ein solches modernes Engineering setzt auch GWG Industrietechnik aus Gladbeck. Der mittelständische Schaltanlagenbauer bietet Schaltanlagen, Steuerungen und Komplettlösungen an und deckt dabei das gesamte Spektrum von der Planung über die Fertigung bis zur Inbetriebnahme ab. Die Schaltanlagen kommen in den unterschiedlichsten Branchen zum Einsatz – unter anderem in den Bereichen Chemie, Glasindustrie, Automobilindustrie und im Maschinenbau. Das 2004 gegründete Unternehmen wickelt überwiegend kleinere Projekte ab, bei denen die Schaltanlage in ein bis drei Schaltschränken Platz findet.

Auch bei einem Mittelständler, der überwiegend kleinere Projekte realisiert, lohnt sich die Investition in Software und Maschinen, die für ein durchgängiges Engineering notwendig sind. Während der diesjährigen Hannover Messe hat GWG Industrietechnik umfangreiche Investitionen getätigt, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen. „Bei Rittal auf der Hannover Messe waren wir schnell vom Perforex-Bearbeitungszentrum überzeugt, so dass wir uns bereits während der Messe zum Kauf einer solchen Maschine entschieden haben“, sagt Wilfried Paßmann, einer der beiden Geschäftsführer von GWG Industrietechnik. Mit den Perforex-Maschinen des Unternehmens Kiesling Maschinentechnik, das wie Eplan und Rittal zur Friedhelm Loh Group gehört, lassen sich Montageplatten sowie Türen und andere Schaltschrankteile automatisiert bearbeiten. Dabei können alle im Schaltanlagenbau üblichen Materialien wie Stahl, Edelstahl, Aluminium, Kupfer und Kunststoff verwendet werden.

Montageplatte automatisiert bearbeiten

Das Perforex-Bearbeitungszentrum versieht die Montageplatte eines Schaltschranks mit den notwendigen Bohrungen und Gewinden, um Kabelkanäle, Hutschienen und die elektrotechnischen Komponenten auf der Montageplatte befestigen zu können.

Auch gefräste Ausbrüche, die beispielsweise benötigt werden, um Filterlüfter oder Klimageräte in Türen, in Seitenwände oder in das Dach eines Schaltschranks einzubauen, lassen sich automatisiert mit dem Bearbeitungszentrum erstellen.

„Bevor wir die Perforex gekauft haben“, erinnert sich Paßmann, „hat ein Mitarbeiter die Montageplatten manuell bearbeitet. Dazu musste ausgemessen, angezeichnet, gekörnt und gebohrt werden, bevor der Mitarbeiter das Gewinde manuell schneiden konnte.“ Der Zeitbedarf für diese Schritte war je nach Komplexität der Montageplatte mindestens dreimal höher als bei der automatisierten Bearbeitung. Nach der Programmierung des Bearbeitungszentrums benötigt die Perforex etwa 15 bis 20 Minuten, um die Montageplatte komplett zu bearbeiten.

„Besonders groß ist die Zeitersparnis, wenn mehrere identische Montageplatten benötigt werden“, so Paßmann, „da wir dann das einmal erstellte Programm für die Maschine mehrfach verwenden können. Aber auch bei Losgröße 1 ist die Effizienzsteigerung schon sehr groß. Die Programmierung der Perforex kann von verschiedenen Arbeitsplätzen innerhalb des PC-Netzwerks des Unternehmens erfolgen.

Von Vorteil ist die automatisierte Fertigung dann, wenn sich die Daten aus der Planung zur Programmierung des Bearbeitungszentrums weiterverwenden lassen. Für die Elektroplanung setzt GWG Industrietechnik überwiegend Eplan Electric P8 ein. Diese Software bietet dem Planer umfangreiche Möglichkeiten, die nicht bei der Projektierung enden. Die Software stellt auf Basis der Planung Daten für die nachfolgenden Prozesse zur Verfügung. Diese werden nicht nur für die umfassende Dokumentation der Elektroplanung verwendet, sondern stehen auch in den weiteren Schritten des Engineerings zur Verfügung.

So kann der Elektroplaner beispielsweise im Anschluss an die Projektierung in Eplan Pro Panel einen virtuellen 3-D-Prototypen seines Schaltschranks bauen. „Um diese Möglichkeiten zu nutzen, haben wir auf der Hannover Messe auch gleich die entsprechenden Lizenzen von Eplan Pro Panel bestellt“, erzählt Paßmann.

In Eplan Pro Panel platziert der Planer einfach alle Komponenten, Betriebsmittel und das notwendige Zubehör direkt in seinen virtuellen Prototypen. Die aktuellen Komponentendaten erhält er im Eplan Data Portal – ein webbasiertes Portal, das dem Anwender die Komponentendaten zahlreicher Hersteller bereitstellt.

Aktuell sind im Portal die Daten von mehr als 340.000 Komponenten verfügbar. Diese Komponentendaten enthalten neben Bestellinformationen und technischen Details der Komponenten auch die grafischen und logischen Aspekte für die Projektierung. Der Anwender spart dadurch Zeit und stellt zudem sicher, dass er standardisierte und stets aktuelle Daten verwendet.

Die Software generiert automatisch die Informationen zu Befestigungsbohrungen, Bohrungsgewinden oder Durchbrüchen. Diese Daten stehen anschließend zur Verfügung, um damit das Bearbeitungszentrum direkt zu programmieren. Dadurch ist eine zusätzliche Effizienzsteigerung realisierbar.

Beim System passt alles

Bei der Schaltschrank- und Gehäusetechnik verwendet GWG Industrietechnik überwiegend Produkte von Rittal. „Nur wenn ein Kunde explizit Produkte eines anderen Herstellers wünscht, weichen wir davon ab“, erläutert Paßmann. Hauptgrund für die Entscheidung zugunsten des Herborner Unternehmens als Lieferanten sei das umfassende Produktspektrum gewesen, das in dieser Art einmalig sei. Von Gehäusen und Schaltschränken über Stromverteilungskomponenten bis hin zu Klimatisierungslösungen kann alles aus einer Hand bezogen werden. Außerdem passen sämtliche Systeme und Lösungen von Eplan, Rittal und Kiesling sehr gut zusammen, so dass ein durchgängiges Engineering von der Planung bis zur Fertigung einfach realisierbar ist.

* Dr. Jörg Lantzsch arbeitet als Fachjournalist in Wiesbaden.

* Hans-Robert Koch ist Leiter Fachpressearbeit bei Rittal in Herborn.

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