Niederlande in der Zwickmühle ASML: Lieferboykott für Lithografie-Maschinen wird ausgeweitet

Von Michael Eckstein Henrik Bork* Lesedauer: 4 min

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Chipfabrikausrüster ASML wird immer mehr zum Spielball geopolitischer Machtkämpfe zwischen den USA und China. Europas wertvollstes Unternehmen soll neben EUV- demnächst auch keine DUV-Maschinen mehr nach China liefern. Welche genau, ist eine heikle Gratwanderung für die niederländische Regierung.

Lithografie-Maschinen sind hochkomplex – und so etwas wie der heilige Gral für die Halbleiterherstellung. ASML ist weltweit Marktführer für diese Anlagen, im Bereich EUV sogar Monopolist.
Lithografie-Maschinen sind hochkomplex – und so etwas wie der heilige Gral für die Halbleiterherstellung. ASML ist weltweit Marktführer für diese Anlagen, im Bereich EUV sogar Monopolist.
(Bild: ASML)

Das jüngste politische Tauziehen um Exporte von Lithografie-Maschinen von ASML nach China zeigt das Dilemma, in dem sich die Niederlande gerade befinden: Unter diplomatischem Druck aus Washington hat Den Haag angekündigt, bis zum Sommer seine Technologie-Boykotte gegen China von EUV- oder „Extreme Ultraviolet”- auf DUV- oder „Deep Ultraviolet”-Maschinen auszuweiten. Gemessen am Börsenwert – und wohl auch an der Bedeutung seiner Technologie – ist der in den Niederlanden beheimatete Marktführer ASML das derzeit wertvollste europäische Unternehmen.

Doch aus Sorge um den wichtigen Handelspartner China und um die Interessen von ASML wird die Ausweitung der Boykotte wohl weniger breit ausfallen als es die US-Regierung erhofft und ihren eigenen Unternehmen verordnet hatte. Die USA versuchen, Chinas wirtschaftliche und militärische Entwicklung durch den Boykott von fortgeschrittenen Halbleitern und Ausrüstung, die für das Herstellen solcher Chips erforderlich ist, auszubremsen. So darf die für Sub-7-nm-Prozessknoten erforderliche EUV-Technologie bereits seit 2019 nicht mehr ins Reich der Mitte geliefert werden.

Konkrete DUV-Einschränkungen bislang noch unklar

Welche Generationen der DUV-Lithografie von ASML durch die angekündigte Verschärfung der Restriktionen betroffen sein werden, ist noch nicht entschieden. Man befinde sich noch in Gesprächen mit ASML, sagte die niederländische Handelsministerin Liesje Schreinemacher der Nachrichtenagentur Reuters zufolge: „Diese Details müssen noch geklärt werden.“

In der Folge dieses politischen Gerangels, in dem der niederländische Premier Mark Rutte und sein Kabinett sowohl von Washington wie auch von Peking bedrängt werden, ist man sich bei ASML und seinen Kunden in China derzeit unsicher, was gekauft werden darf und was nicht – und sogar welche früher nach China verkauften Maschinen weiter vor Ort gewartet werden dürfen.

„Die Holländer versuchen einen Mittelweg zwischen den USA und China in einem eskalierenden Kampf um die globalen Lieferketten von Halbleitern zu finden,“ kommentierte die Wirtschaftsagentur Bloomberg.

Vermutlich drei DUV-Maschinenserien betroffen

Obwohl die Details noch nicht bekannt sind, gehen die meisten Analysten und auch ASML selbst momentan davon aus, dass mit den „fortschrittlichsten DUV-Maschinen“, die jetzt zusätzlich auf die Boykottliste sollen, nur die „Twinscan NXT:2000i und nachfolgende Immersions-Systeme“ gemeint sind – wie es ASML in einer Stellungnahme formuliert.

„ASML wartet auf mehr Informationen“, sagte ein Unternehmenssprecher. In Medienberichten ist davon die Rede, das vor allem drei Lithografie-Maschinen mit DUV-Technologie von den jüngsten Boykotten ab Sommer dieses Jahres betroffen sein dürften – neben der Twinscan NXT:2000i auch noch die Modelle NXT:2050i und NXT:2100i.

Sollte sich diese Lesart bewahrheiten, so „falle das hinter die Maßnahmen zurück, die von der Regierung Biden im vergangenen Jahr zur Begrenzung der Exporte von amerikanischer Ausrüstung und Know-how an chinesische Chiphersteller ergriffen worden sind“, kommentierte Bloomberg.

ASML ist zentrale Schachfigur im Handelskonflikt

ASML ist zu einer zentralen Schachfigur in der Strategie der USA geworden, die Boykotte von Halbleiterausrüstungen auch auf andere Länder, vor allem auf die Niederlande und Japan auszuweiten. Obwohl im Januar dieses Jahres von Politikern der drei Länder tatsächlich eine Allianz aus den USA, den Niederlanden und Japan bei diesen Chinaboykotten verkündet worden ist, gehen die Meinungen, wie weit Chinas technologische Entwicklung im Detail gehemmt werden soll, offenkundig noch weit auseinander.

Chinas Außenministerium reagierte scharf auf die jüngsten Ankündigungen und forderte die Niederlande auf, nicht den USA in ihrer „Taktik des Bullying“ zu folgen und gemeinsam mit China die „Stabilität der globalen Lieferketten der Industrie, die freie und offene internationale Handelsordnung und die gemeinsamen Interessen beider Länder und ihrer Unternehmen zu gewährleisten“.

Rückschlag für Chinas Halbleiterbestrebungen

Die Ausweitung der Boykotte auf weitere Maschinen von ASML wirft Chinas Halbleiterindustrie in ihrem Versuch, bei der Chipherstellung zu den USA und anderen fortschrittlichen Ländern aufzuschließen, weiter zurück. Außer den bereits eher betroffenen fortschrittlichsten Generation von Halbleitern im Bereich von 10 Nanometer und darunter versuche Washington nun sogar, einen Teil der etwas älteren „Legacy-Technologien“ von 40 Nanometer und darunter in China zu behindern, analysierte die South China Morning Post in Hongkong.

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Allerdings ist nach wie vor stark umstritten, wie effektiv die Halbleiterboykotte der USA gegenüber China mittel- und langfristig sein werden. Er unterstütze die Versuche Washingtons, die Entwicklung der chinesischen Halbleiterindustrie zu verlangsamen, sagte der 91-jährige Gründer von TSMC, des größten Auftragsherstellers von Chips in Taiwan einem Bericht der japanischen Wirtschaftszeitung Nikkei Asia zufolge.

„Die USA haben ihre Industriepolitik für Chips begonnen, um Chinas Fortschritt zu bremsen. Ich habe kein Problem damit und unterstütze das,“ sagte Morris Chang. Allerdings warnte er, dass die Kosten fortschrittlicher Chips damit um 50% oder noch mehr steigen könnten.

Bill Gates: China wird bald selbst modernste Chips fertigen können

Der Microsoft-Gründer und US-Milliardär Bill Gates dagegen sagte Anfang dieses Monats in einem Interview voraus, dass die USA keinen Erfolg damit haben werden, China vom Besitz großartiger Chips abzuhalten. Es mache keinen Sinn, den Verkauf von Halbleitern zu behindern, die China schon bald werde selbst herstellen können, so Gates. Vielmehr forderte er Washington und Peking zu engerer Kooperation auf.

Die meisten Analysten – so auch Morris Chang von TSMC – gehen von einem chinesischen Rückstand von fünf bis sechs Jahren aus, was die Herstellung der fortschrittlichsten Halbleiter betrifft, die sich in den USA und Taiwan momentan auf die Drei- und Zwei-Nanometer-Generation zubewegt.

So gesehen kann das Dilemma der Niederländer als stellvertretend für die gesamte Hochtechnologie-Branche Europas verstanden werden: Ist es sinnvoller, sich dem Handels- und Technologiekrieg Washingtons gegenüber Peking anzuschließen, oder sollten europäische Unternehmen die Chancen im schnell wachsenden und zunehmend innovativen, aber gleichzeitig auch restriktiven chinesischen Markt wahren? Die Regierung Rutte versucht es gerade offensichtlich mit einer prekären Gratwanderung. (me)

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