Schwächelnder Halbleitermarkt: So reagieren erfahrene Unternehmen
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Trübe Aussichten: Schwache Quartalszahlen und zum Teil nachlassende Börsenkurse von Branchenschwergewichten wie Samsung, Intel, TI und ST zeigen, wie sehr die weltweiten Unwägbarkeiten Halbleiterfirmen zusetzen. Jetzt heißt es antizyklisch zu investieren.

Unter Naturfreunden gibt es eine Weisheit: „Wer das Tal nicht kennt, weiß nicht, wie schön die Berge sind!“ Für Akteure, die erst in den letzten Jahren zum Halbleiterzirkus hinzugestoßen sind, bedeutet das übersetzt: Sie können dieses und voraussichtlich auch noch nächstes Jahr ausgiebig Erfahrung in den Niederungen des Marktes sammeln, ehe sie danach – erfahrungsgemäß – am nächsten Gipfelsturm teilnehmen.
Keine Frage: Das bereits im letzten Jahr gebremste Wachstum hat sich manifestiert. Anbieter vieler Branchen kämpfen gegen sinkende Absätze. Politische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten – etwa Handelsstreitigkeiten und Brexit – machen ihnen das Leben schwer. Die globalen und mit ihnen auch die regionalen Märkte trüben sich ein. David Wong, Managing Director und Lead Analyst der U.S. Technology, Internet, Media & Telecom (TIMT) Group von Nomura Instinet, geht davon aus, dass sich der derzeitige zyklische Abwärtstrend in der Halbleiterbranche noch bis 2020 fortsetzen wird.
Viele Branchengrößen melden schwache Quartalszahlen
Beispiele gibt es zuhauf: Der europäische Mikroprozessorspezialist STMicroelectronics (ST) weist für das erste Quartal Nettoeinnahmen von knapp 2,1 Mrd. US-Dollar aus – ein Rückgang von mehr als 21% gegenüber dem Q4/2018 und nahezu 7% Minus im Jahresvergleich. Das ist substanziell, weswegen ST seine Investitionen zurückfährt und geplante Fabrikmodernisierungen erst einmal einschränkt. In der Konferenzschaltung anlässlich der Bekanntgabe der Ergebnisse verwies Jean-Marc Chery, President & CEO von ST denn auch auf die abkühlende Nachfrage: Umsatz und Gewinn hätten sich wie erwartet entwickelt und „der abgeschwächten Marktdynamik angepasst“.
Samsung leidet ebenfalls, primär allerdings unter bröckelnden Preisen für DRAM und NAND-Flash. Diese brechen gerade schneller weg als das Eis an den Polkappen. Speicherlösungen machten laut Branchenanalyst IC Insights 2018 jedoch rund 83% des Geschäfts des Elektronikriesen aus – und darum werde Samsungs Gesamtumsatz um satte 20% auf rund 63 Mrd. US-Dollar sinken. Profiteur wäre unter anderem Intel, dem die Analysten für 2019 wieder die Pole Position im Halbleitermarkt zutrauen.
Doch auch die Verkäufe des Prozessor-Primus blieben im ersten Quartal hinter den Erwartungen der Anleger zurück. Gleiches gilt für die Prognose für das zweite Quartal 2019. Nachdem Abnehmer nicht zuletzt im Massenmarkt China ihre Bestellungen überdenken, hat Intel für 2019 sein bisheriges Umsatzziel für 2019 gekippt. Lag die letzte Prognose noch bei 71,5 Mrd. US-Dollar, hat das Management das Umsatzziel nun auf 69 Mrd. US-Dollar korrigiert. Gegenüber 2018 wäre das ein Minus von gut 3%.
Ob Modem oder Mikroprozessor – praktisch alle Halbleiterbereiche sind betroffen
Auch Modem-Marktführer Qualcomm muss im zweiten Quartal 2019 einen Umsatzrückgang von 5,2 auf 5,0 Mrd. US-Dollar (GAAP) im Jahresvergleich hinnehmen. Gleichzeitig berichtet das Unternehmen allerdings von einem höheren Nettogewinn. Laut CEO Steve Mollenkopf hat Qualcomm „ein besser als erwartetes Quartal erreicht, wobei das Ergebnis je Aktie über dem oberen Ende unserer Schätzungen lag.“ Bei der Gelegenheit verweist er gleich noch einmal auf die mit Großkunde Apple ausgehandelten Liefervereinbarungen mit mehrjähriger Laufzeit. Diesen war ein jahrelanger, erbitterter Patentrechtsstreit vorausgegangen. Nun der Lichtblick: Für das dritte Quartal 2019 sollen allein aus dem Geschäft mit Apple über 4,5 Mrd. US-Dollar in die Qualcomm-Kassen fließen und die Bilanz verbessern.
Ein weiteres Schwergewicht der Halbleiterindustrie meldet ebenfalls niedrigere Quartalsumsätze als im Vorjahr: Texas Instruments. Laut Rich Templeton, Chairman, President und CEO von TI, sank der Umsatz um 5%, „da sich die Nachfrage nach unseren Produkten in den meisten Märkten weiter abgeschwächt hat“. In TIs Kerngeschäften sanken die Umsätze mit Analog-ICs demnach um 2%, im Embedded Processing um ganze 14% gegenüber dem Vorjahresquartal. Von den „übrigen Produkten“ habe man etwa 6% weniger verkauft. Für das zweite Quartal 2019 erwartet TI Verkäufe in der Größenordnung von 3,46 bis 3,74 Milliarden US-Dollar.
Der Marktentwicklung trotzen und ran an die Reserven
Insgesamt werde der Halbleitermarkt 2019 ein niedriges einstelliges Wachstum erreichen, erwartet beispielsweise der Zentralverband der Elektro- und Elektronik (ZVEI). Angesichts der vielen Unwägbarkeiten sei aber ebenso gut eine Rezession möglich, machen die Vertreter des Branchenverbands klar. Wie sollen, wie werden die Unternehmen auf die schwächelnden Märkte reagieren?
Klar ist: Ohne Elektronik läuft heute und erst recht in der Zukunft wenig. Die Nachfrage nach leistungsfähigen Halbleitern bleibt auch in den nächsten Jahren hoch, da sind sich Experten einig. Elektromobilität, künstliche Intelligenz, Inferenz am Edge, Smart-X-Konzepte, assistiertes Fahren mit dem Fernziel autonomes Fahren, 5G für industrielle Applikationen – Basis all dieser Entwicklungen sind Halbleiter-Chips und -komponenten unterschiedlichster Ausprägung.
Samsung will 115 Mrd. US-Dollar in Logik-ICs und Fabs investieren, SK Hynix 105 Mrd. US-Dollar
Erfahrene Firmen wie Samsung wissen, wie wichtig es ist, antizyklisch zu investieren. Daher hat der südkoreanische Elektronik-Gigant nun angekündigt, bis 2030 rund 115 Mrd. US-Dollar (ca. 103 Mrd. Euro) in Logik-Chips zu stecken. Dazu zählen zum Beispiel Prozessoren und Controller. Von der Finanzspritze profitieren sollen sowohl die eigene System-LSI-Sparte als auch Fertigungsanlagen, in den Samsung auch Chips für andere Unternehmen produziert. Dadurch könnte das Unternehmen seine Abhängigkeit von Speicher-Chips verringern und seine Position im Wettbewerb mit Halbleitergrößen wie Intel und Qualcomm stärken. Darüber hinaus ist eine Investition in der genannten Höhe eine Kampfansage an andere Chip-Auftragsfertiger, allen voran an den derzeit weltweit größten: Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. Ltd. Oder kurz TSMC.
Rund 55% der enormen Summe (ca. 63,25 Mrd. US-Dollar) soll in die Forschung und Entwicklung fließen. Hier will Samsung bis zu 15.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Der Rest ist für den Auf- und Ausbau der Fertigungsinfrastruktur eingeplant. Der zweite koreanische Chip-Riese SK Hynix steht dem kaum nach und will seinerseits rund 105 Mrd. US-Dollar in neue F&E-Einheiten und Fertigungsstätten in Korea (Yongin) investieren.
Süd-Koreas Masterplan: Fokus auf Logik- und Analog-ICs
Hinter der vorausschauenden Planung steht auch die koreanische Regierung. Sie will ihren Vorzeigeunternehmen wie Samsung und SK Hynix, aber auch kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) helfen, ihr Geschäft mit Logik-Chips aufzurüsten und ihre Abhängigkeit vom sehr volatilen Business mit Speicher-ICs zu verringern. Die machen aktuell rund 20% der Gesamtexporte Süd-Koreas aus!
Während die Koreaner hier weltweit führend sind, geben in anderen Halbleitersektoren wie den Logik- und Analog-ICs andere Regionen den Takt vor – allen voran die USA. Zusammengenommen sind diese Sektoren deutlich umsatzstärker als der Markt der Speicher-ICs. Hinzu kommt, dass neue Märkte rund um Applikationen wie Industrie 4.0, Robotik, IoT, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen, neue Mobilität mit dem Fernziel autonome Autos und alle smarten Technologien einen hohen Bedarf an Logik-Chips und analogen ICs haben und entsprechend zukunftsträchtig sind.
Auch Intel hat gerade noch einmal klargestellt, dass es die Fertigung von Sub-14-nm-Chips mit Verve vorantreibt. Noch vor Ende dieses Jahres wollen die Kalifornier 10-nm-Prozessoren auch in hohen Stückzahlen liefern können. Derzeit sind sie nur in homöopathischen Dosen erhältlich. Auch andere wichtige Player wie Micron haben bereits angekündigt, in den nächsten Jahren massiv zu investieren.
Letztlich geht es darum, sich in eine gute Startposition für die nächste Gipfelrally zu manövrieren. Denn der nächste Aufschwung in der Halbleiterbranche kommt – bestimmt.
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Einbruch bei Speichern drückt den Halbleitermarkt nach unten
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