5G – Der Mobilfunkstandard im Überblick

Harald Naumann*, Michael Eckstein

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Gut acht Jahre nach der Einführung von 4G-Mobilfunknetzen startet der Nachfolger 5G. Das müssen Sie als Entwickler über den neuen Mobilfunkstandard wissen.

Multi-Talent: 5G ist darauf ausgelegt, seine Vorgänger-Technologien in allen Bereichen deutlich zu übertrumpfen.
Multi-Talent: 5G ist darauf ausgelegt, seine Vorgänger-Technologien in allen Bereichen deutlich zu übertrumpfen.
(Bild: VCG)

5G steht laut Namensgeber International Telecommunication Union (ITU) für das Mobilfunknetz der 5. Generation. Entwickelt wird der neue Standard seit 2016 vom „3rd Generation Partnership Project“. Das 3GPP ist eine weltweite Kooperation von Gremien für die Standardisierung im Mobilfunk. Es definiert sowohl die „New Radio“ (NR) genannte Luftschnittstelle als auch das neue, hochflexible Kernnetz (Core, Backbone). Die Spezifikationen für letzteres hat das Konsortium im Juni 2018 im Standalone-Release 15, kurz SA 15, final festgezurrt.

Mithilfe des neuen Mobilfunkstandards sollen nicht nur Menschen miteinander kommunizieren, sondern auch Unmengen von Sensoren und Geräten. So gilt 5G als eine Schlüsseltechnologie für das Internet of Things (IoT), das Autos, Heizungen, Maschinen und viele andere Dinge miteinander vernetzt.

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5G als Schlüsseltechnologie für das Internet of Things

Marktbeobachter sagen voraus, dass schon in wenigen Jahren etliche Milliarden Geräte direkt ohne menschliches Zutun miteinander kommunizieren. Neben der schieren Zahl der „Connected Devices“ zählen Zuverlässigkeit, sehr lange Batterie-Laufzeiten – Jahre statt Tage – und kurze Antwortzeiten zu den wichtigsten Forderungen an den neuen Standard. Keine Frage: Das IoT und das industrielle Internet der Dinge (Industrial Internet of Things, IIoT) stellen neue, sehr hohe Forderungen an ein Mobilfunknetz.

Gleichzeitig soll 5G auch sehr hohe Datenverkehrsaufkommen sowie Indoor- und Hotspot-Traffic bewältigen und sich durch Energie-, Kosteneffizienz auszeichnen und spektrale Ressourcen optimal ausnutzen. Für die geforderten Eigenschaften muss die Technik Trägerfrequenzen bis weit in den zweistelligen GHz-Bereich – Stichwort Millimeterwellenlängen – unterstützen und mit einer enorm hohen Dichte von Basisstationen, unzähligen Antennen und verbundenen Endgeräten umgehen können.

Kurzum: 5G ist nicht weniger als ein Paradigmenwechsel im Mobilfunk.

Latenzen im Millisekundenbereich

Um den steigenden Anforderungen des aufstrebenden IoTs gerecht zu werden, wurde bereits unter 4G die Standard-Erweiterung NarrowBand-IoT, kurz NB-IoT, eingeführt. NB-IoT kann auf einer Kanalbandbreite von nur 180 kHz bis zu 100.000 Teilnehmer, so genannte „Connected Devices“, verwalten. Nachteil des NB-IoT sind unter anderem teilweise sehr hohe Latenzzeiten. Für das Auslesen eines Stromzählers im Keller mag das kein Problem sein. Am Getränkeautomaten möchte jedoch niemand 10 Sekunden warten, bis das Gerät reagiert. Und spätestens bei der Kommunikation zwischen Fahrzeugen – Thema autonomes Fahren – oder auch in der Fabrikautomation zählt jede Millisekunde.

5G soll genau das – neben vielen anderen Punkten – verbessern und je nach Applikation Latenzen im Bereich einer Millisekunde ermöglichen. Dadurch könnten beispielsweise vernetzte, autonome Fahrzeuge, Roboter und Maschinen praktisch verzögerungsfrei reagieren. Weitere Anwendungen von 5G sind zum Beispiel intelligente Transportsysteme, Logistik, Augmented Reality, Wearables, Smart Cities und Mobile Health.

Hocheffiziente, rückwärtskompatible Luftschnittstelle

Mit LTE hat das 3GPP das hocheffiziente Zugriffsverfahren OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) eingeführt. 5G übernimmt OFDMA. Auch kommt als Modulationsverfahren weiterhin die Quadraturphasenumtastung QPSK („Quadrature Phase-Shift Keying“ oder „Quaternary Phase-Shift Keying“), auch als Vierphasen-Modulation bezeichnet, zum Einsatz. Dadurch bleibt die Luftschnittstelle grundsätzlich rückwärtskompatibel.

Zusätzlich kommt seit 3G/HSPA die Quadratur-Amplituden-Modulation (QAM) zum Einsatz. Das Modulationsverfahren kombiniert die Amplitudenmodulation mit einer Phasenmodulation. Geläufig sind heute QAM 16, QAM 32, QAM 64 und QAM 256. Die Zahlen stehen jeweils für die Anzahl an Zuständen, die gleichzeitig codiert werden können. Je höher die Dichte, desto mehr Informationen können pro Zeiteinheit übertragen werden – mit anderen Worten, die Datenübertragungsrate steigt bei sonst gleichen Bedingungen. 5G bringt zusätzlich noch QAM 1024 ins Spiel. Damit kann es die spektrale Effizienz (SE) weiter erhöhen und bei Bedarf noch mehr Daten je Zeiteinheit übertragen. Dies soll letztlich Datenraten von bis zu 20 GBit/s ermöglichen.

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5G führt neue Vernetzungstopologien ein

Wenn immer mehr Geräte im privaten wie im industriellen Bereich per Mobilfunk kommunizieren, steigt der Kapazitätsbedarf rasant. Bisherige, zentralisierte Netze können mit dieser Entwicklung nicht mithalten. Jedes Endgerät verbindet sich hierbei ausschließlich mit der nächstgelegenen Basisstation oder mit einer feststehenden Relaisstation. Der Datenverkehr läuft also in jedem Fall über das Kernnetz.

In 5G ist hingegen mit „Multi-Hop-Relaying“ die Möglichkeit vorgesehen, dass Geräte Daten direkt untereinander austauschen, so dass diese nicht über das Backbone des Providers laufen. Diese Device-to-Device-(D2D)- oder auch Peer-to-Peer-Netzwerke lässt 5G die vorhandenen Ressourcen viel besser ausnutzen.

Mit „Hops“ lässt sich zudem die Reichweite in Gebäuden erhöhen: Die Daten „hüpfen“ von einem Endgerät zum nächsten, bevor sie zur 5G-Basisstation übertragen werden. Diese Schritte können die Last im Kernnetz erheblich verringern.

5G kann mehr und breitere Frequenzspektren nutzen

5G wird anders als seine Vorgänger mehr und breitere Frequenzspektren nutzen. Dabei wird es in Bereiche der Zenti- und Millimeterwellenlängen vorstoßen, etwa mit dem ergänzenden E-Band bei 71 - 76 GHz und 81 - 86 GHz. Voraussichtlich noch im Jahr 2018, spätestens aber 2019 wird die Bundesnetzagentur (BNetzA) für Mobilfunk genutzte Frequenzen erneut versteigern. Konkret sieht die BNetzA für Deutschland Frequenzbereiche zwischen 3,4 bis 3,8 GHz und oberhalb von 24 GHz vor. Auch die Frequenzmittenlücke des niederfrequenten 700-MHz-Bandes steht zur Disposition.

5G ist so ausgelegt, dass es Bandbreiten bis zu 400 MHz nutzen kann. Dafür müssen diese allerdings an einem Stück im Frequenzband zur Verfügung stehen. In Europa und Deutschland ist dies im Bereich von 3,4 bis 3,8 GHz der Fall. Diese 400 MHz müssen sich die drei großen Netzbetreiber, neue 5G-Netzbetreiber und neue private 5G-Netze etwa Industrieanlagen, der Agrarkultur und private Netze der Städte und Gemeinden teilen.

Grünes Licht für private 5G-Netze

Am 16. Mai 2018 hat die Bundesnetzagentur grünes Licht für neue Netzbetreiber und private 5G-Netze bei 3,5 GHz und 27 GHz gegeben. Der Bereich von 3,7 und 3,8 GHz wird regional zugeteilt. Diese Frequenzen lassen sich nach der Versteigerung sofort nutzen. Ab 2021 kommen zudem zwei Drittel der Frequenzen im 2,1-GHz-Band hinzu. Das letzte Drittel ist erst ab 2026 für 5G nutzbar. Das ist insofern ärgerlich, weil gerade das 2,1-GHz-Band sich gut für die Versorgung ländlicher Regionen eignet.

Wenn weniger eine große Reichweite, sondern hohe Datenraten im Fokus stehen, kann 5G höhere Frequenzbänder in den Zentimeter- und Millimeter-Wellenlängenbereichen bei 27, 38 und 68 GHz nutzen. Hier stehen Bandbreiten von 400 MHz und mehr am Stück zur Verfügung. Mit einer maximalen Kanalbandbreite von 100 MHz, 200 MHz und sogar 400 MHz pro 5G NR-Trägersignal plus mehrfacher Trägerbündelung erreicht der moderne Mobilfunk hier Bandbreiten von bis zu 2 GHz.

Private 5G-Netze ermöglichen spezifische Anwendungen

Im Vergleich mit seinen Vorgängern ist 5G darauf ausgelegt, Gebiete mit mehr, dafür aber deutlich kleineren Funkzellen abzudecken. Der Grund dafür ist einfach: Mit steigender Frequenz sinkt bei gleichbleibender Sendeenergie die Reichweite der Signale.

Eine Besonderheit der neuen Mobilfunkgeneration in Deutschland wird sein, dass ein Frequenzbereich mit 100 MHz Bandbreite nicht versteigert, sondern auf Antrag vergeben wird. In Dänemark, Finnland und Schweden gibt es ähnliche Bestrebungen.

Das eröffnet regionalen Providern die Möglichkeit, mit eigenen Basisstationen und Funkmodulen von den großen Mobilfunkanbietern unabhängige 5G-Netze aufzubauen. Diese werden oft auch als private 5G-Netze bezeichnet. Mithilfe solcher privaten 5G-Netze können beispielsweise Gemeinden gezielt auf ihre spezifischen Anforderungen abgestimmte Mobilfunk- und IoT-Applikationen realisieren. Was möglich ist, veranschaulichen folgende Beispiele.

Mögliche Anwendungen für private 5G-Netze

In Niedersachen haben unter anderem Sennheiser und Volkswagen bereits Interesse bekundet. In Hamburg möchte zudem Wilhelm.tel ein öffentliches 5G-Netz neben Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica betreiben. Wilhelm.tel ist der größte Betreiber von Glasfasernetzen im Großraum Hamburg und versorgt ca. 400.000 Haushalte.

Die Stadt Hannover hat einen lokalen DSL-Netzbetreiber. Mit Hilfe des Netzbetreibers wäre es leicht möglich, ein 5G-Netz für die Steuerung der 52.000 Straßenlaternen und der 660 Wertstoffsammelplätze zu errichten. Eine Untersuchung hat ergeben, dass Hannover mit diesem Schritt in Richtung Smart City allein durch das Optimieren der Wertstoffprozesse 20 Prozent mehr Glas sammeln könnte – was Mehreinnahmen von rund 220.000 Euro pro Jahr entspräche. Ein weiteres Beispiel: Steinhude und Mardorf liegen direkt am Steinhuder Meer. Mit nur zwei 5G-Basisstationen könnten die beiden kleinen Orte ein eigenes zellulares Mobilfunknetz aufbauen, das sich auch für Anwendungen wie Mobile Health nutzen ließe.

Niedersachsen ist der größte deutsche Produzent für Agrarprodukte. Diese Leistung ist nur durch weitreichende Automatisierung möglich. So ziehen beispielsweise Landmaschinen auf den Feldern GPS-gestützt und funkgesteuert zentimetergenau ihre Bahnen – und produzieren dabei große Mengen an Daten, die permanent übertragen werden müssen. Mit einem LPWA-Netz im 868-MHz-Band ist dies nicht möglich. Mit einem flexiblen 5G-Netz schon. Telematik-Geräte können beispielsweise das lokale private 5G-Netz nutzen, bei Verfügbarkeit aber auch eines der öffentlichen Mobilfunknetze.

Diese Beispiele zeigen: 5G ermöglicht alternativen, lokalen Providern Geschäfts- und Privatkunden drahtlos mit eigenen Services zu versorgen. Die Technik kann damit zur Diversifizierung der deutschen Mobilfunklandschaft beitragen, die derzeit durch die drei verbliebenen großen Netzbetreiber geprägt ist.

* Harald Naumann ist Sales Direktor von Tekmodul in München

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