KI in der Krebsforschung Individuelle Therapien gegen aggressive Gehirntumore
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Gehirntumore gehören zu den aggressivsten Krebsarten. Medikamente sind wenig wirksam, unter anderem weil einzelne Tumorzellen Resistenzen gegen sie entwickeln. Künstliche Intelligenz (KI) soll Mechanismen entschlüsseln, die eine Resistenzbildung des Tumors verhindern und individuelle Therapien ermöglichen.

Die Diagnose Glioblastom ist mit schlechten Überlebenschancen verbunden. Glioblastome zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Zellen Resistenzen gegen Medikamente entwickeln können. „Diese Plastizität erschwert die Behandlung erheblich und ist für die überwiegende Mehrzahl der Krebstodesfälle verantwortlich“, erklärt Projektkoordinator Professor Dr. Naim Bajcinca, der an der Technischen Universität Kaiserslautern im Bereich Regelungstechnik und Dynamik forscht und dabei auch Methoden der künstlichen Intelligenz einsetzt.
Das Forschungskonsortium um Bajcinca möchte im Rahmen des Projekts „Artificial Intelligence for Treating Cancer Therapy Resistance (AI-Care)“ herausfinden, welche molekularbiologischen Prozesse diesem Mechanismus zugrunde liegen. „Wir wollen verstehen, warum und wie die Zellen dazu in der Lage sind und sich an die Therapien anpassen können“, sagt der Professor fort. Das Forschungsprojekts wird von der Carl-Zeiss-Stiftung für sechs Jahre mit fünf Millionen Euro gefördert.
Daten durchforsten, Muster entdecken und Unterschiede aufspüren
Dazu möchten sie ein KI-Modell erstellen, für das sie viele Daten benötigen. Die Forscher werden sich dazu einzelne Zellen anschauen, um zu ergründen, was auf Zellebene in den Tumoren passiert. Möglich macht dies die Einzelzell-Sequenzierung. Bei diesem Verfahren erhält man einen spezifischen Fingerabdruck einer einzelnen Zelle.
Diese Analyse misst die RNA-Moleküle, die Kopien der DNA sind und Aufschluss über die sogenannte Genexpression in der betreffenden Zelle geben können. Damit lassen sich Rückschlüsse auf den Zustand der Zelle ziehen, beispielsweise welche Gene gerade aktiv sind und welche nicht oder welche Gene mutiert sind. „Auf diese Weise analysieren wir Tausende von Zellen mit jeweils mehr als 20.000 Genen und detektieren dadurch unterschiedliche Zustände verschiedener Zellen, die durch ihre Genexpression definiert sind“, sagt Bajcinca weiter. Um diese riesengroßen Dimensionalität der Daten zu durchforsten, Muster zu entdecken und Unterschiede aufzuspüren, kommen KI-Methoden zum Einsatz.
KI-Modell verbessern und validieren
Zu Beginn des Projekts wird das Team um Bajcinca auf bestehende Datensätze aus der Literatur zurückgreifen, um ein erstes KI-Modell zu erstellen. Anschließend werden die Daten aus dem Labor in das Modell integriert. „Dabei verwenden wir sogenannte Glioblastom-Organoide, das sind sehr kleine organähnliche Mikrostrukturen. Sie werden von Kollegen aus dem Bereich der Biologie untersucht“, erläutert der Kaiserslauterer Professor.
In nächsten Schritten wird es darum gehen, das KI-Modell zu verbessern und zu validieren. Da das Aufbereiten der Zelldaten sehr kostenintensiv ist, werden die Projektbeteiligten auch synthetische Daten mittels KI generieren, mit denen das Modell ebenfalls hinzulernen kann.
„Krebs ist ein hochkomplexes dynamisches System. Deshalb müssen wir multidisziplinäres Wissen aus der Zellbiologie, Mathematik und KI kombinieren, um Erkenntnisse zu gewinnen. Mit diesem umfassenden Ansatz hoffen wir, den Code der Plastizität zu entschlüsseln und zu verstehen, was auf der Ebene der Krebszelle wirklich geschieht", sagt er weiter. „Krebstherapien verändern die Landschaft der Tumorzellen. Es entstehen neue Zellzustände und Übergangswege, die zum Therapieversagen führen. Unser Ziel ist es, ein Modell zu entwickeln, das diese gebildeten Landschaften von Tumorzellen vorhersagen kann. Dies wird nur mit KI möglich sein und markiert einen bahnbrechenden Fortschritt in den Gesundheitswissenschaften.“
Medikament-Kombinationen optimieren
Zudem soll das KI-Modell helfen, optimale Medikamenten-Kombinationen vorherzusagen. „Damit könnte man bei jedem Patienten individuell eine Therapie planen, die bestmöglich auf den Tumorzustand abgestimmt ist“, sagt der Professor. Dies müsste aber erst in klinischen Studien überprüft werden. Das Verfahren ließe sich außerdem auf andere tödliche Krebsarten übertragen. „Auch hier lassen sich solche Resistenzen beobachten. Unser Modell ließe sich mit entsprechenden Daten anpassen“, ergänzt Bajcinca.
Professor Bajcinca und Dr. Sandesh Hiremath koordinieren das Projekt. An der RPTU beteiligt sind außerdem Arbeitsgruppen aus Biologie (Professorin Dr. Tanja Maritzen, Professorin Dr. Zuzana Storchová), Informatik (Juniorprofessorin Dr. Sophie Fellenz, Professor Dr. Marius Kloft) sowie Mathematik (Professorin Dr. Anna Hundertmark, Professor Dr. Nicolas R. Gauger). Darüber hinaus arbeiten Bioinformatik-Professor Dr. Carl Hermann von der Universität Heidelberg sowie die beiden Biowissenschaftler Dr. Hai-Kun Liu und Dr. Bernhard Radlwimmer vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg am Projekt mit. Gefördert wird es von der Carl-Zeiss-Stiftung im Rahmen des Förderprogramms „CZS Durchbrüche“, das 2023 zu „KI in der Gesundheit“ ausgeschrieben wurde.
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