Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts Intel, TSMC in Deutschland: Finanzierung der Chipfabriken in Gefahr
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Mindestens 14 Mrd. Euro sind unter anderem Intel und TSMC als Finanzspritze zugesagt, damit diese in Deutschland moderne Mikrochip-Fabriken hochziehen. Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts steht die Finanzierung dieser Subventionen auf der Kippe.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerG) hatte am Mittwoch entschieden, „dass das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 mit Art. 109 Abs. 3, Art. 110 Abs. 2 und Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz (GG) unvereinbar und nichtig ist“. Was erst einmal nach einem typisch deutschen bürokratischen Akt klingt, hat weitreichende wirtschaftliche Folgen. Denn damit steht möglicherweise die Finanzierung der Halbleiterfabriken von Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden auf der Kippe – und damit Leuchtturmprojekte für ganz Europa. Zu beiden Projekten gibt es zwar Absichtserklärungen – aber keine verbindlichen Förderbescheide.
Nach der Entscheidung des BVerG ist das Verwenden von Corona-Krediten für Klimaschutzprojekte und für den klimafreundlichen Umbau der Industrie verfassungswidrig. Nun fehlen 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) – einem Sondervermögen, das parallel zum Bundeshaushalt geführt wird. Die Ampel-Koalition legte die Finanzierung geplanter Vorhaben nach dem Urteil erst einmal auf Eis.
Unionsfraktion torpediert praktikable Lösung
Damit steht neben wichtigen Klimaschutzprojekten auch die Finanzierung von industriepolitischen Investitionsprojekten in der deutschen Halbleiterindustrie in Frage. Denn die sollte mit den umgewidmeten Mitteln des KTF subventioniert werden. In Summe geht es bei den Investitionen um mindestens 14 Mrd. Euro unter anderem für Intel und TSMC, die helfen sollen, die europäische Halbleiterindustrie im internationalen Wettbewerb zukunftsfähig aufzustellen.
Die aktuell in der Opposition sitzende Unionsfraktion hatte gegen das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz Klage eingereicht – und damit die jetzige Situation heraufbeschworen. Was war passiert? Für das Bekämpfen der Corona-Krise hatte die Bundesregierung im Bundeshaushalt 2021 eine „Kreditermächtigung“ in Höhe von 60 Milliarden Euro beschlossen. Die Pandemie verlief zum Glück glimpflicher als angenommen, so dass die Gelder im Haushaltsjahr 2021 nicht abgerufen wurden.
Die Regierung beschloss daraufhin, die möglichen Milliarden in den KTF (ursprünglich „Energie- und Klimafonds“, EKF) zu verschieben und so für künftige Haushaltsjahre nutzbar zu machen. Die Zuführung erfolgte mit Zustimmung des Bundestages im Februar 2022 – also rückwirkend – für das abgeschlossene Haushaltsjahr 2021. Aus eben diesem KTF sollten die zuvor nicht verwendeten Finanzmittel nun zum Ankurbeln der Wirtschaft eingesetzt werden – etwa für die Subventionierung der Chipfabriken von Intel und TSMC.
Neuer Streit um Fab-Finanzierung absehbar
Das BVerfG hat nun klar gemacht: Die „Corona-Gelder“ dürften nicht anderweitig verwendet werden. Damit hat es der Fab-Finanzierung den Teppich unter den Füßen weggezogen. Frank Bösenberg, Geschäftsführer von Sachsens Hightech-Netzwerk Silicon Saxony e. V., fordert jetzt schnelles Handeln: „Das Urteil bedeutet Unsicherheit für die angekündigten Halbleiterinvestitionen. Die Bundesregierung ist nun gefordert, die angekündigte Finanzierung möglichst noch in diesem Jahr sicherzustellen.“ Damit hätte sie die Chance, das viel beschworene Deutschlandtempo vor allem gegenüber internationalen Investoren unter Beweis zu stellen.
Nun macht sich erst einmal Verunsicherung breit. Denn die Richter schreiben in ihrem Urteil: „Soweit hierdurch bereits eingegangene Verpflichtungen nicht mehr bedient werden können, muss der Haushaltsgesetzgeber dies anderweitig kompensieren.“ Zu gut deutsch: Die Regierung muss die bereits zugesagten Fab-Subventionen durch Kürzungen an anderer Stelle finanzieren. Neuer Streit ist damit vorprogrammiert: Besonders die Ressorts von Grünen und FDP hatten zuvor hart um die Höhe der Förderung gerungen.
Zumal Intel erst am Jahresanfang eine Erhöhung der Subventionen von ursprünglich knapp 7 auf 10 Milliarden Euro durchgedrückt hatte. Dies sei angesichts der gestiegenen Energiepreise nötig, „um die Kostenlücke zu schließen“, meldete der Konzern im Februar 2023. Und erst im letzten Monat hatte Intel-Chef Pat Gelsinger noch einmal bekräftigt, dass die Milliardenförderung durch Deutschland erforderlich sei. Anders ausgedrückt: Ohne Subventionen keine Mega-Fab.
Wie geht es nun weiter?
Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck an der von ihm geplanten Förderung für den klimafreundlichen Umbau der deutschen Industrie festhalten. „Das Urteil des Verfassungsgerichtes sagt ‚So geht es nicht, wie ihr es euch gedacht habt‘. Dann muss es dann eben anders gehen“, sagte der Grünen-Politiker laut dpa am Donnerstag in Berlin. Es könne nicht sein, dass „wir sagen: ‚Dann machen wir es eben nicht‘. Jedenfalls ich bin nicht bereit, das zu akzeptieren und das einfach so hinzunehmen, dass dann diese Arbeitsplätze jetzt unter Druck geraten oder aus Deutschland verschwinden“. Also müsse man das Geld an anderer Stelle aufbringen.
„Mit der Industrie und der Bedrohung der industriellen Kraft dieses Landes ist natürlich auch eine Bedrohung der Arbeitsplätze in der Industrie verbunden. Die sind durch das Urteil besonders bedroht“, warnte Habeck weiter. Dies sei „ohne Frage ein Rückschritt für all die Pläne, die gemacht wurden, die unterschriftsreif sind“, sagte Habeck in einer auf X (vormals Twitter) veröffentlichten Stellungnahme. Man werde nun mit voller Kraft daran arbeiten, neue Antworten zu finden.
Laut Habeck bedeute das Urteil nicht, dass die 60 Milliarden Euro nur für den Klimaschutz fehlten. Vielmehr fehle das Geld auch der deutschen Industrie, die es dringend bräuchte, um die anstehenden Umstellungen zu bewältigen. Es gehe unter anderem darum, die energieintensive Stahlproduktion sowie die chemische Industrie klimafreundlich zu machen und Solartechnologien zu fördern.
KTF-finanzierte Vorhaben liegen erst einmal auf Eis
„Natürlich gehen die CO2-Emissionen auch runter, wenn diese Industrien aus Deutschland und Europa verschwinden“, sagte Habeck. Es können jedoch nicht der Sinn von Politik sein. „Das wäre ja geradezu zynisch, wenn man Klimaschutz mit der Vernichtung von Industrie gleichsetzt.“ Es gehe darum, das Wohlstandsversprechen für Deutschland zu erneuern durch den klimafreundlichen Umbau der Industrie. „Und insofern ist die Konsequenz des Urteils erst einmal ein verschärftes Nachdenken, wie wir dieses Versprechen einhalten können.“
Einige Ökonomen haben bereits Ideen geäußert, wie der Bund an mehr Geld kommen könnte. Die sauberste, grundsätzliche Lösung sei eine Reform der Schuldenbremse, sagte der „Wirtschaftsweise“ Achim Truger. „Man könnte zum Beispiel regeln, dass nach einer Krise nur schrittweise zur Schuldenregel zurückgekehrt werden muss.“ Der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, hält für denkbar, dass die Neuverschuldung auf Nettoinvestitionen begrenzt wird.
Truger brachte zudem ins Spiel, die Ausnahmeregel der Schuldenbremse weiterhin in Anspruch zu nehmen und über mehrere Jahre eine Notlage auszurufen, weil die Haushalte weiterhin betroffen seien. Alternativ könnten fehlende Einnahmen durch die Erhebung eines befristeten Energie- oder Klima-Solidarbeitrags ausgeglichen werden.
Schuldenbremse ausgebremst?
Die Bundesregierung erklärte derweil, sie lege Vorhaben, die aus dem KTF finanziert werden sollten, erst einmal auf Eis. Das gelte für Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre – mit Ausnahme von Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der Erneuerbaren Energien im Gebäudebereich, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Berlin. Nach Einschätzung der Bundesregierung könnte das Urteil nicht nur Folgen für die Haushaltspraxis im Bund, sondern auch in den Ländern haben.
Mittlerweile haben die Beratungen des Haushaltsausschusses für den Etat 2024 begonnen. Lindner hat nach Angaben von dpa dem Parlament einen Spar-Entwurf vorgelegt. Bis auf das Verteidigungsministerium sollen nahezu alle Ressorts zur Konsolidierung beitragen. Grund ist, dass Lindner unbedingt die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einhalten will. In gewissem Umfang darf der Bund trotz Schuldenbremse Kredite aufnehmen – wegen der schlechten Konjunkturerwartungen sogar mehr als zunächst gedacht. In seinem ersten Entwurf ging Lindner von Krediten in Höhe von 16,6 Milliarden Euro aus. Dabei dürfte es nun nicht bleiben.
Merz lässt auch Energiepreisbremsen prüfen
Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat derweil weiteres vermeintliches Unbill ausgemacht: Die Energiepreisbremsen. Diese werden aus einem mit Schulden geschaffenen Sondervermögen finanziert, dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Die Haushaltspolitiker des Bundestages wollen den WSF nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorsichtshalber erst einmal sperren.
Nun lässt Merz auch den WSF auf Verfassungsmäßigkeit prüfen. Er rechne Ende nächster, Anfang übernächster Woche mit einem ersten Ergebnis eines von ihm in Auftrag gegebenen Rechtsgutachtens zur Frage, ob das Karlsruher Urteil auch für den WSF gelte, sagte der CDU-Chef am Donnerstagabend im ZDF-„heute journal“. Auf dieser Grundlage werde die Union entscheiden, ob sie auch gegen diesen Fonds nach Karlsruhe gehe.
Es drängt sich mehr und mehr der Eindruck auf, dem Unionsfraktionschef und seinem vermeintlich wirtschaftsnahen politischen Lager geht es primär darum, den politischen Gegnern in der Regierung keine Erfolge zuzugestehen. Und nicht darum, sinnvolle Lösungen zuzulassen, die helfen könnten, die deutsche Wirtschaft in schwierigen Zeiten zu unterstützen. (me)
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