Wärmemanagement: Thermisch kontaktieren Das sind die neuen TIMs für die Leistungselektronik
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Materialien für thermische Schnittstellen kombinieren heute die thermische Verbindung und die elektrische Isolation. Eine neuartige Beschichtung minimiert Lufteinschlüsse und macht Wärmeleitpaste überflüssig.

Der allgegenwärtige Trend in der Elektronik zu immer höheren Leistungsdichten erfordert, die von der Elektronik erzeugte Wärme möglichst schnell, effektiv und kostengünstig abzuleiten. Ein ausgewogenes Wärmemanagementkonzept ermöglicht eine längere Lebensdauer der elektronischen Bauteile und damit eine höhere Leistungsfähigkeit und Qualität der gesamten Elektronik-Baugruppe.
Bei der Konzeption der neuen Familie der thermischen Interface-Materialien (TIM) hat AISMALIBAR besonderes Augenmerk darauf gelegt, effektive und langlebige TIMs für den Einsatz u.a. in hochvolumigen Fertigungen im Bereich Automotive zu entwickeln.
Thermische Interface-Materialien werden in Modulen der Leistungselektronik eingesetzt, um die von den Leistungsbauelementen erzeugten Wärme auf der Leiterplatte in eine Kühlkette bzw. an ein Folge-Kühlelement abzuleiten.
Damit wird gewährleistet, dass die vom Hersteller definierte maximale Bauteiletemperatur innerhalb der spezifizierten Werte gehalten wird. Neben der Wärmeleitfähigkeit des TIMs spielen – speziell in Hochvolt-Umgebungen wie z.B. elektrischen Fahrzeugen – die elektrische Isolation des TIMs eine immer größere Rolle.
Die aktuellen und künftigen Potenziale von TIMs
Je ausgewogener der Kompromiss zwischen thermischem Widerstand und elektrischer Isolationsfähigkeit des thermischen Schnittstellenmaterials ist, umso höher ist die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des gesamten Leistungselektronik-Moduls über die Lebensdauer. Gleichzeitig lassen sich kompaktere Baugrößen der Leistungsmodule realisieren, wie sie zum Beispiel von der Automobilindustrie für elektronische Komponenten im Elektrofahrzeug gefordert werden (Bild 1).
Abhängig vom Anwendungsfall werden verschiedene thermische Interface-Materialien eingesetzt. Eine in der Leistungselektronik heute breitflächig verwendete TIM-Technologie ist die thermisch leitende und elektrisch isolierende, silikonfreie TIM-Folie BONDSHEET Cured. Diese dünnen ausgehärteten Wärmeleitfolien finden überall dort Anwendung, wo neben einer hohen thermischen Leitfähigkeit, maximale Durchschlagsfestigkeiten bei geringer Materialstärke gefordert sind.
Weltweit setzen viele Anwender diese TIM-Technologie für Leistungsmodule in PV-Invertern, Windturbinen-Steuerungen, in elektronischen Getrieben, AC/DC-Umsetzern und industriellen Beleuchtungssystemen auf Basis von High-Power-LEDs ein.
Künftige Applikationen finden sich derzeit im Umfeld der Elektrischen Fahrzeuge (EV) für Anwendungen im Antriebsstrang, der Ladeeinrichtungen im Fahrzeug (On-Board-Charger) sowie der externen Schnellade-Infrastruktur.
Auswahlkriterien für thermische Schnittstellen
Schlüsselfaktoren bei der Auswahl des optimal passenden TIMs für den jeweiligen Anwendungsfall sind die thermische Leitfähigkeit bzw. thermische Widerstand, die elektrischen Isolationseigenschaften des verwendeten Materials sowie die Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten.
Ebenso wird von TIM-Anwendern auf Silikonfreiheit immer häufiger Wert gelegt. Darüber hinaus sollen die TIMs möglichst automatisiert im Montageprozess des Anwenders, zum Beispiel durch Roboterarme, verarbeitet werden können.
Unabhängig davon, wie gut thermisch leitend das verwendete Interface-Material ist, besteht bei TIMs die Herausforderung darin, Lufteinschlüsse an den Kontaktübergängen zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren. Lufteinschlüsse, egal welcher Größe, behindern einen effizienten Wärmefluss von der Wärmequelle durch das TIM hin zum nachfolgenden Kühlelement.
Eine Minimierung der Lufteinschlüsse wird in heutigen Applikationen oft durch den Einsatz von Wärmeleitpasten erreicht. Das Auftragen der Paste ist häufig zeitaufwendig und mit großen Toleranzen behaftet, was unter Umständen Auswirkungen auf die Qualität, Kosten und Langlebigkeit des gesamten Leistungsbaugruppe haben kann.
TIM: Beschichtungstechnik minimiert Lufteinschlüsse
Mit dem Air Gap Filler hat Aismalibar eine neuartige Beschichtungstechnik entwickelt, die verschiedene Schlüsselaspekte vereint, die an künftige TIMs gestellt werden. Nachfolgend sollen einige der wesentlichsten Eigenschaften der Air Gap Filler aufgeführt werden.
- Thermisch leitend, dünne Schichtdicken; z.B. 30 µm, silikonfrei
- Härten bereits bei leichtem Montage-Druck durch die mechanischen Verbindung innerhalb der Leistungsbaugruppe aus (der Polymerisationsprozess kann durch externe Wärmezufuhr in der Montage des Anwenders erhöht / beschleunigt werden)
- Wird anwendungsspezifisch auf unterschiedliche Trägermaterialien flüssig glaslos aufgebracht
- Solide langlebige thermische Verbindung mit wählbaren elektrischen Isolationseigenschaften
- Oberfläche ist im Anlieferzustand nicht haftend, somit automatisierbar beim Anwender zu verarbeiten
- Kein Aufbringen von Wärmeleit-Pasten zur Minimierung von Lufteinschlüssen notwendig
- Kein Abziehen von Schutzfilmen einer Klebefolie.
Die Verbindung des thermischen Überganges härtet während des Betriebs des Leistungsmoduls unter Betriebstemperatur weiter aus. Dadurch wird sich die Verbindung des Wärmeüberganges über Lebenszeit kontinuierlich verbessern, wodurch die Zuverlässigkeit der mechanischen Verbindung innerhalb des Leistungsmodules an Bedeutung verliert.
Der Air Gap Filler wird zur Beschichtung unterschiedlicher Trägermaterialien verwendet, damit der Anwender die optimale TIM-Lösung entsprechend seiner individuellen elektrischen und thermischen Anforderungen auswählen kann.
So stehen thermische Interface-Materialien mit unterschiedlichen thermischen Leitfähigkeiten und Spannungsfestigkeiten zur Verfügung. Gleichzeitig werden durch die dünnen ein- oder doppelseitig aufgebrachten Beschichtungen mit dem Air Gap Filler die teils aufwendig aufzubringenden Wärmeleitpasten zur Minimierung von Lufteinschlüssen überflüssig.
Grundsätzlich unterscheidet der spanische Hersteller beim TIM-Familienkonzept (Bild 2) zwischen TIM-Folien mit elektrischer Isolation und TIM-Folien, bei denen der Fokus darauf gelegt wird, die Wärme möglichst schnell zu spreizen, um Hotspots im oder am Leistungshalbleiter zu vermeiden.
Im zweiten Schritt wird die Wärme des Leistungsbauteils an das Folgeelement der Kühlkette effizient abgeführt mit dem Ziel, einen möglichst niedrigen Rth des gesamten thermischen Pfades zu erreichen.
TIM mit elektrischer Isolation oder hoher Wärmespreizung
Der elektrisch isolierende Familienzweig Bondsheet Cured & Air Gap Filler kommt dort zum Einsatz, wenn eine sichere Isolation über Lebenszeit zwischen den thermisch zu verbindenden Oberflächen der Kühlkette gefordert ist.
Das ist zum Beispiel der Fall bei diskreten Leistungshalbleitern in TO-Gehäusen, deren Rückseite nicht potentialfrei ist und daher beim Einsatz von mehreren Einzelkomponenten, beispielsweise in Leistungsbrücken, elektrisch isoliert sein muss.
Ebenso bedeutend ist eine elektrische Isolation für berührungsempfindliche Kühlkörper wie Metallgehäuse. Dünne TIM-Materialstärken von 70 bis 100 µm isolieren 4 bis 6 kV bei thermischen Leitfähigkeiten von 2,2 oder 3,2 W/mK (nach ASTM) bei einer Glasübergangstemperatur von 180 °C.
Wird bei der Entwicklung der Leistungselektronik Hauptaugenmerk auf bestmögliche Entwärmung der Leistungsbauteile gelegt, bieten sich die auf 30 µm dicken Kupferfolien basierenden Varianten der COPPERFILLER an.
Diese eignen sich in Verbindung mit integrierten Power Modulen (IPM), deren rückseitige Modul-Kühlfläche potentialfrei ist. Hier wird bei der Ankopplung des IPMs an einen Kühlkörper keine elektrischen Isolation benötigt, die Priorität liegt auf der optimalen thermischen Anbindung des IPMs an das nachfolgenden Element der Kühlkette.
Zwischen den oben genannten Anwendungen, hohe elektrische Isolation im kV-Bereich einerseits und dem Fokus auf einer optimierten thermischen Anbindung andererseits, gibt es noch eine Zwischenvariante.
Die Zwischenvariante mit moderater Spannungsfestigkeit
Der Fokus liegt dabei weiterhin auf einer möglichst optimalen thermischen Kopplung des Leistungsbauelement mit dem nachfolgendem Kühlelement. Zusätzlich benötigt der Anwender eine moderate Spannungsfestigkeit im unteren Kilovolt-Bereich.
Um diesem Anforderungsprofil gerecht zu werden, wird auf den Träger aus 30 µm Kupferfolie eine zusätzliche elektrisch isolierende glaslose Beschichtung aufgebracht, die Isolationseigenschaften bis zu 2 kV erreicht. Diese Spannungsfestigkeit genügt in vielen Anwendungen der Leistungselektronik, in denen Priorität auf die thermische Leitfähigkeit und niedrige thermische Widerstände gelegt wird.
Alle oben genannten Wärmefolienvarianten der TIM-Familie sind ein- oder doppelseitig mit dem neuen Air Gap Filler beschichtet. Alternativ besteht die Möglichkeit, eine Folienseite mit einer thermischen Klebefolie zu versehen, die ein Verrutschen nach dem Einlegenden der Wärmeleitfolie verhindert und eine passgenaue Verarbeitung des gesamten Leistungsmoduls sicherstellt.
TIM: Effizientere Montage ohne Wärmeleitpaste
Ausgehend von der seit Jahren in Massenproduktion hergestellten und weltweit eingesetzten Wärmeleitfolie BONDSHEET Cured 2,2 W/mK wurde das TIM-Portfolio vom spanischen Hersteller mittlerweile umfangreich erweitert. Das Ziel bestand darin, den Entwicklern künftiger Leistungselektroniken optimierte TIM-Lösungen für die immer dedizierter und anspruchsvoller werdenden Anforderungen zur Entwärmung der Leistungselektronik anzubieten.
Im ersten Schritt wurde eine thermisch leistungsfähigere Variante des oben genannten ausgehärteten BONDSHEET Cured mit 3,2 W/mK (nach ASTM D5470) bei einer Materialstärke von 80 µm und einer Glasübergangstemperatur von 180 °C hinzugefügt.
Zusätzlich wurde besonderer Wert darauf gelegt, elektrisch isolierenden Wärmeleitfolien zu entwickeln, die die Ankopplung an das nachfolgende Kühlelement der Entwärmungskette ohne Wärmeleitpaste ermöglichen und damit den Montageprozess beim Anwender zuverlässiger und effizienter gestalten.
Dies erreicht der Hersteller durch die neuartige Beschichtungstechnik mit dem Air Gap Filler. Durch die spezielle Polymerisation werden Lufteinschlüsse minimiert und eine dauerhafte Verbindung des thermischen Übergangs innerhalb der Kühlkette der elektronischen Leistungsbaugruppe geschaffen.
Die thermische Verbindung härtet unter Betriebsbedingungen des Leistungsmoduls kontinuierlich weiter aus, wodurch die Stabilität der mechanischen Verbindung innerhalb des Leistungsmoduls nicht mehr im Fokus steht.
Sowohl sämtliche existierende als auch die neu verfügbaren TIMs können sehr effizient durch Schneiden oder Stanzen in eine individuelle Form gebracht werden (Bild 3), entweder direkt beim Anwender oder in der Fertigung in Barcelona.
TIM-Anwendungsszenario im elektrischen Fahrzeug
Die neuen TIM-Folientechnologien wecken seit ihrer Vorstellung auf der productronica 2021 besonderes Interesse bei Leistungselektronik-Ingenieuren für zukünftige Anwendungen im elektrischen Fahrzeug. Hier werden immer größere elektrische Leistungen umgesetzt, um primär die Reichweite zu steigern, gleichzeitig die Ladezeiten der Fahrzeugbatterien kontinuierlich zu reduzieren. Ebenso wird die Miniaturisierung der Leistungselektronik-Baugruppen im elektrischen Fahrzeug zunehmend wichtiger.
Um diesen ständig steigenden Anforderungen der Fahrzeughersteller hinsichtlich der Leistungselektroniken gerecht zu werden, stehen Leistungshalbleiter mit „Top Side Cooling“-Gehäuse im Fokus.
Bei der thermischen Kopplung dieser Leistungsbauelemente in die Entwärmungskette des gesamten Leistungsmoduls, bieten die TIM-Folien Vorteile bei der elektrischen Isolation (bis >6 kV), kombiniert mit einer hohen Wärmeleitfähigkeit von z.B. 3,2 W/mK bei geringen Schichtdicken von 100 bis 150 µm. Bild 4 zeigt eine Entwärmungskette der Leistungselektronik, aufgebaut aus Multilayer-Leiterplatten und Leistungshalbleitern mit Top Side Cooling (TSC).
Aus Produktionssicht gestaltet sich die Handhabung von maschinell einlegbaren silikonfreien TIMs auf Folienbasis in der hochautomatisierten Serienproduktion des Elektronikmodul-Herstellers deutlich effizienter, verglichen mit den heute häufig verwendeten Wärmeableitungskonzepten, die zum Beispiel auf Wärmepasten, thermischen Pads oder ähnlichem basieren.
TIM-Anwendungsszenario in der Leistungselektronik
Im Unterschied zur Anwendung im Bereich Automotive, werden in der industriellen Leistungselektronik häufig Halbleiterbauelemente in TO-Gehäusen eingesetzt. Diese haben sich seit Jahren als robust und zuverlässig erwiesen, sind außerdem kostengünstig von vielen Herstellern beziehbar.
Im Gegensatz zu Integrierten Leistungsmodulen (IPM) sind die einzelnen MOSFETs / IGBTs an der Rückseite nicht potentialfrei, das vorgesehene TIM zwischen TO-Gehäuse und Kühlkörper muss neben der Wärmeleitung die geforderte elektrische Isolation realisieren.
Um die Montage beim Elektronikmodulhersteller zu vereinfachen, verwenden Anwender häufig eine TIM-Folie, die auf einer Seite mit einer thermisch leitende Klebefolie versehen ist. Damit kann beim Anbringen der TIM-Folie auf den Kühlkörper die Folie nicht verrutschen bis die Montage der mechanischen Verbindung durch Schrauben oder Verklemmen erfolgt.
Künftig will der Hersteller standardisiert konturierte Wärmeleitfolien aus dem TIM-Portfolio für die Einzel-, Dreifach- oder Sechsfach-Montage anbieten.
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* Uwe Lemke ist Business Development Manager D/A/CH bei Aismalibar in Barcelona / Spanien.
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