Vier Prozent Produktionswachstum ZVEI: Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung als Umsatztreiber
Nach einem schwierigen Jahr 2020 konnte die deutsche Elektro- und Digitalindustrie 2021 die Corona-bedingten Verluste des Vorjahres überkompensieren. Die Auftragsbücher sind voll, daher blicken die Unternehmen optimistisch ins Jahr 2022. Doch Materialengpässe bleiben voraussichtlich bis 2023 ein Problem.
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Das Jahr 2021 ist für die Elektro- und Digitalindustrie insgesamt sehr erfolgreich gewesen. „Als eine von wenigen Branchen ist es gelungen, die Verluste aus dem Vorjahr mehr als nur wettzumachen“, bewertet ZVEI-Präsident Dr. Gunther Kegel die positive Entwicklung. „Die Zahlen sind umso beachtlicher, weil auch das zurückliegende Jahr von der Corona-Pandemie und Lieferengpässen bestimmt war.“
Die Produktion stieg zwischen Januar und November 2021 um gut 9 Prozent, die nominalen Erlöse legten im gleichen Zeitraum um knapp 10 Prozent zu. Auf das gesamte vergangene Jahr hochgerechnet hat der Umsatz erstmals knapp die 200-Milliarden-Euro-Marke erreicht. Nahezu alle Teilbranchen zeigten eine positive Entwicklung. Die Beschäftigtenzahl legte um mehr als 5.000 auf 877.000 zu, während die Kurzarbeit deutlich auf 15.000 zurückging.
„Schwierige Pandemie-Situation sehr gut gemanaged“
„Es ist der Branche im vergangenen Jahr sehr gut gelungen, die Pandemie-Situation zu managen. Die von den Unternehmen getroffenen Sicherheitsmaßnahmen haben gegriffen“, freut sich Dr. Kegel. Wichtig Sei, dass das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben weiter aufrechterhalten bleibt, auch „wenn uns neue Virusvarianten vor neue Herausforderungen stellen“.
Selbstverständlich schließe dies notwendige Schutzmaßnahmen nicht aus. Zu schaffen macht der Branche die anhaltende Materialknappheit. Ohne die vorhandenen Lieferengpässe hätte der Umsatz 2021 deutlich höher ausfallen und die 200-Milliarden-Euro Marke geknackt werden können, ist Dr. Kegel überzeugt. Der ZVEI erwartet frühestens ab Jahresmitte eine Besserung der Lage.
„Europas Stärken stärken!“
Mit Blick auf die unter Druck stehenden globalen Lieferketten und die Vernetzung der Branche mahnt der ZVEI, die technologische Souveränität und Resilienz Europas dringend zu stärken. „Europa kann nur aus einer starken Position heraus seine Wirtschaftsinteressen gegenüber China und den USA selbstbewusst vertreten. Hierfür darf es keine einseitigen Abhängigkeiten geben, weder bei Spitzentechnologien wie Halbleiter noch in der Spitzenforschung“, erklärt der ZVEI-Präsident weiter.
Europa müsse mit eigenen Kompetenzen stark und souverän agieren können, ohne protektionistisch zu sein. Dazu müsse beispielsweise die EU das zweite IPCEI für Mikroelektronik jetzt schnell auf den Weg bringen. Dr. Kegel: „Wenn anderswo Milliarden-Förderungen erfolgen, darf Europa nicht zurückstehen.“
Auch für das Jahr 2022 ist der Verband zuversichtlich, weist aber auf große Unsicherheiten bei der diesjährigen Prognose hin. „Stand heute gehen wir von einem Produktionsplus von 4 Prozent aus“, blickt der ZVEI-Präsident nach vorne. Das sei sehr konservativ geschätzt. Mehr sei möglich – sofern zum Bearbeiten der bereits aufgestauten und weiterer Aufträge ausreichend Material verfügbar sei.
All-Electric-Society: Branche treibt Entwicklung
Die wachstumsfördernden Megatrends Elektrifizierung und Digitalisierung sind unmittelbar mit der Elektro- und Digitalindustrie verbunden und durch die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung nochmals verstärkt worden. Beispiel Klimaschutz: „Um die ambitionierten Klimaziele zu erreichen, muss die Elektrifizierung mit durchgängiger Kopplung der klimarelevanten Sektoren Energie, Industrie, Gebäude und Mobilität jetzt entschlossen angegangen werden“, erklärt Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung.
Bei intelligenter Verbindung und direkter Nutzung könne erneuerbarer Strom nicht nur eine zunehmend CO2-freie Energieversorgung ermöglichen, sondern auch hohe Energieeffizienzpotenziale generieren. „Durch Elektrifizierung kann der Primärenergiebedarf bis 2045, dem Zieljahr für Klimaneutralität, um mehr als 40 Prozent gesenkt werden“, betont Weber.
„Digitalisierung und Elektrifizierung kann Primärenergiebedarf über 40 Prozent senken“
Die Technologien hierfür seien vorhanden, blieben aber weiterhin viel zu häufig ungenutzt. Ein großer Schwachpunkt: Der seit Jahren vernachlässigte Netzausbau. „Ohne ein leistungsstarkes, digitalisiertes Stromnetz kann die Energiewende nicht gelingen“, mahnt Weber. Ihre Ertüchtigung und Ausbau müssten mit dem Ausbau der Erneuerbaren deshalb dringend synchronisiert werden.
Aber auch an anderen Stellen sieht der Verband große Handlungsbedarfe. „Die Infrastruktur in Deutschland insgesamt braucht eine Verjüngungskur“, erklärt der Vorsitzende der ZVEI-Geschäftsführung. Beispiel Gebäudesektor: „Der Großteil der Gebäude ist nicht Energiewende-fähig, die Sanierungsquote zu gering und die Elektroinstallationen sind häufig museumsreif.“
„Mehr Fortschritt wagen“ – und bürokratische Hürden abbauen
Es sei dringend geboten, tatsächlich „mehr Fortschritt zu wagen“. Der ZVEI fordert die Ampel-Koalition auf, schnell Maßnahmen zu ergreifen, die die Entwicklung zur All-Electric-Society unterstützen. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei der Strompreis ein.
Weber ist überzeugt: „Um erneuerbaren Strom als vorrangigen Energieträger attraktiv zu machen, muss der Strompreis rascher gesenkt werden – für alle.“ Die Abschaffung der EEG-Umlage allein reiche nicht. Auch die Stromsteuer müsse abgesenkt und für erneuerbaren Strom vollständig reduziert werden.
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