Interview mit Sven Krumpel, Codico „Wir müssen wieder lernen, einfach zu denken“
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CODICO hebt sich in der Welt der Distribution durch frische Ansätze und eine beständige Wachstumsdynamik von der Konkurrenz ab. Im exklusiven Interview mit Geschäftsführer Sven Krumpel reden wir über die Gründe für den Erfolg und erhalten wertvolle Einblicke in die Strategien, Herausforderungen und Philosophien, die CODICO zu einem Vorreiter in der Branche machen.

Seit 1977 hat sich CODICO von einem kleinen Wiener Start-up zu einem führenden Distributor elektronischer Bauelemente entwickelt. In einem inspirierenden Gespräch mit Sven Krumpel, Geschäftsführer von CODICO, sprechen wir darüber, wie dieses dynamische Unternehmen die Herausforderungen der Elektronikindustrie meistert, von globalen Lieferketten bis hin zu nachhaltigen Geschäftspraktiken, und dabei stets den Fokus auf Einfachheit und Kundennähe legt.
CODICO wächst seit Jahren kontinuierlich und gefühlt auch deutlich schneller als die meisten Mitbewerber. Wie machen Sie das?
Der Eindruck trügt nicht. Wir wachsen regelmäßig schneller als der Markt! Das liegt daran, dass wir konsequent unserem strategischen Ansatz folgen, technische Lösungen für unsere Kunden für deren neue Produkte und Innovationen zu finden und diese Projekte zu entwickeln. Obwohl wir im Kern ein „kleiner“ Distributor sind, bieten die von uns bereitgestellten Lösungen echten Mehrwert. Für unsere Kunden bedeutet das Zeit- und Kosteneinsparungen sowie einzigartige Produktleistungen, die sie anderswo nicht erhalten können. In Europa zählen wir zu den wenigen, die Technologien nicht nur übernehmen, sondern sie auch marktgerecht – ähnlich einem Hersteller – entwickeln und vorantreiben können. Ein Ansatz, der vielen Herstellern bei anderen Distributoren fehlt. Dank dieses konsequenten Ansatzes bauen wir uns ein positives Image und Vertrauen sowohl bei Kunden als auch bei Herstellern auf.
Im letzten Jahr haben viele Distributoren Rekordumsätze gemeldet. War die allgemeine Preissteigerung auf Grund von Verknappung und Lieferengpässen etc. und wie nachhaltig ist diese Entwicklung?
Der Markt war ein komplett verrückter im Jahr 2021 und 2022. Es gab Versorgungsschwierigkeiten und Preiserhöhungen. Niemand wusste, wie es weitergeht.
Überall herrschten Unsicherheiten - seien es geopolitische Spannungen oder die Auswirkungen der Pandemie. Dennoch hat sich die Elektronikbranche erneut als unglaublich widerstandsfähig erwiesen, ungeachtet der Herausforderungen.
Wir beobachteten, dass viele Kunden aufgrund der herrschenden Unsicherheit mehr als notwendig bestellt haben, was natürlich zu einem Anstieg des Lagerbestands führte. Tatsächlich ist ein großer Teil dieses Wachstums für uns nachhaltig. Wir setzen nicht auf kurzfristige Geschäfte, sondern konzentrieren uns auf langfristige Projekte und sorgen für eine stetige Versorgung. In diesem Sinne ist unser Ansatz durch und durch nachhaltig.
Wie ist denn da das Initial? Findet Euch das Projekt? Oder findet Ihr die Projekte?
Das ist die Königsfrage der Königsfragen. Da gibt’s nicht DIE eine Antwort. Es sind manchmal Gründe, bei denen wir einfach lange stur bleiben und uns sagen: Ok, das wird aufgehen. Das wird funktionieren oder diese Technologie wird kommen. Ein Beispiel dafür: EVSE (Anm. d. Red. (Electric Vehicle Supply Equipment), das Charging-Thema. Vor zwölf Jahren haben wir begonnen, uns intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ein von uns vertretener Hersteller wollte ein entsprechendes Produkt einstellen, aber wir haben darauf bestanden, dass es Potential hat. Das Produkt wurde dank unserer Überzeugungsarbeit nicht eingestampft, aber wir haben keine Unterstützung bekommen. Wir haben sieben Jahre null Geschäft gemacht mit diesem Produkt. Und irgendwann hat die Technologie sich dann durchgesetzt und wurde zu einem Verkaufsschlager. Und somit konnten wir dann faktisch alle Projekte in diesem Bereich mit einer Technologie abdecken, die einzigartig ist und nach wie vor am Markt ist. Manchmal ist ein Beharren und langer Glaube an eine Lösung ein potentieller Weg zum Projekt. Natürlich gibt es auch traditionelle Ansätze, bei denen wir direkt mit Kunden in Kontakt treten. Wir holen den Kunden durch hochmoderne Marketinglösungen an jedem Punkt seiner Journey ab, sind zu jedem Zeitpunkt seines Projektzyklus für ihn da. Wir nutzen stets verschiedene und manchmal auch kreative Ansätze, um unsere Designs voranzutreiben. Ich bin überzeugt, dass wir dies nachhaltiger umsetzen als viele andere Unternehmen.
Ihr Unternehmen fällt in der Elektronikbranche positiv auf durch kreative Messeauftritte und gute Fachkommunikation. Wie entscheidend ist das für Ihr Geschäft? Und welche Rolle spielt der Faktor Sympathie im heutigen Geschäft noch?
Mit Sympathie kannst Du in der Branche nichts kaufen. Ich glaube aber, dass man offener ist mit Informationen und im Umgang miteinander, wenn man auf Menschen trifft, mit denen man sich gut versteht und denen man vertraut. Und das heißt nicht, dass du ein Geschäft machst, nur weil Du ein netter Mensch oder ein imagemäßig positiv auffallendes Unternehmen bist. Aber es heißt, dass du die Möglichkeit dazu hast.
Der erste Teil der Frage war, ihr habt auffallend freundliche und einladende Messeauftritte und betreiben professionelle Fachkommunikation, was nicht alle tun. Wie schaffen Sie dies als Distributor?
Wir machen unseren Umsatz mit Bewegung von Ware. Trotz unserer Basis im Warengeschäft liegt unser Hauptaugenmerk aber auf technischem Mehrwert. Und wenn man dies aus Marketingsicht betrachtet, entspricht das dem Schaffen von Inhalten. Für einen Entwickler bedeutet dies, schneller in seiner Entwicklung voranzukommen oder sein Produkt zu verbessern. Das gelingt nur mit den richtigen Informationen. Daher sehen wir uns primär als Informationsunternehmen und nur sekundär als Handelsunternehmen. Wir liefern relevanten Content, den wir oftmals selbst erstellen. Dank unserer Ressourcen können wir Inhalte produzieren, aufbereiten und dem Markt zur Verfügung stellen, und das über verschiedene Kanäle. Und zu unserem Auftritt oder zu unserem grundsätzlichen Verständnis: Wir sind eine transparente Firma. Wir sind eine extrovertierte Firma. Für uns bedeutet Marktpräsenz Offenheit und Begegnung.
Responsibility ist bei euch kein Schlagwort, sondern gelebte Praxis. Was macht ihr konkret für die Menschen in eurem Unternehmen und darüber hinaus?
Für mich liegt der Schlüssel im zwischenmenschlichen Umgang: Ich schätze und respektiere meine Mitarbeiter aufrichtig. Diese Wertschätzung bedeutet, sie nicht nur als Angestellte zu betrachten, sondern als erweiterten Teil meiner Familie. Dieser Ansatz beeinflusst die Art und Weise, wie man kommuniziert und Entscheidung trifft.
Unser Unternehmen gleicht einem Schiff. In stürmischen Zeiten gehen wir alle gemeinsam unter Deck, bis der Sturm vorüber ist. Wir lassen niemanden zurück und flüchten auch nicht als Führungsteam. Wir gehen gemeinsam durch Herausforderungen und unterstützen einander.
Wenn die Chemie stimmt, entsteht eine ganz besondere Art von Zusammenarbeit, die über das normale Arbeitsverhältnis hinausgeht.
Also, man fühlt sich sicher und wohl in der Familie. Wirkt sich das familiäre Gefühl in Ihrem Unternehmen positiv auf die Beziehung Ihrer Mitarbeiter zu Kunden und Partnern aus?
Ja, dieses familiäre Gefühl spielt eine entscheidende Rolle. Denken Sie an einen Verkaufsabschluss: Wenn ein Vertriebsmitarbeiter zu einem Kunden geht, der bereits unter Druck steht, wird die Grundstimmung des Verkäufers maßgeblich die Interaktion beeinflussen. Selbst ein hochmotivierter Verkaufsleiter kann durch eine negative Firmenkultur belastet werden und diese Belastung an den Kunden weitergeben.
Dagegen, wenn ein Verkäufer sich gestärkt fühlt, weil er aus einem unterstützenden Umfeld kommt, strahlt er Authentizität und Selbstvertrauen aus. Wenn wir unseren Mitarbeitern den Rücken stärken, dann gehen sie mit einer ganz anderen Einstellung zu den Kunden. Sie sind nicht nur auf kurzfristige Ziele fixiert, sondern agieren auch langfristig. Und diese positive Grundstimmung, die sie mitbringen, ist von unschätzbarem Wert in der Kundenbeziehung.
Viele Unternehmen kommunizieren über grünes Engagement, über saubere Supply Chain bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Sehen Sie dabei zu viel Marketing oder sogar Greenwashing? Wie gehen Sie als Distributor mit dieser komplexen Angelegenheit um?
Es gibt oft eine Diskrepanz zwischen dem, was Unternehmen sagen und dem, was sie tun. Echte Nachhaltigkeit bedeutet das Wohl zukünftiger Generationen im Blick zu haben und sich dessen bewusst zu sein, dass wir lediglich temporärer Verwalter unserer Umwelt und Ressourcen sind. Ein Beispiel aus der Landwirtschaft verdeutlicht das: Ein Bergbauer in Österreich, dessen Hof bereits seit 800 Jahren besteht, sprach darüber, dass sein Lebensziel darin besteht, den Hof in einem Zustand zu erhalten, der es der nächsten Generation ermöglicht, dort glücklich und zufrieden zu leben. Dieser einfache, aber kraftvolle Gedanke zeigt, was wahre Nachhaltigkeit bedeutet.
In unserer heutigen Welt haben wir oftmals verlernt, in diesen langfristigen Dimensionen zu denken. Nachhaltigkeit ist eigentlich ein einfaches Konzept, das auf dem Prinzip des Erhaltens für die Zukunft basiert. Allerdings lassen wir uns oft von Begrifflichkeiten und Konzepten überwältigen und verlieren dabei das eigentliche Ziel aus den Augen.
Transparenz ist wichtig, wenn es um echte Nachhaltigkeit geht. Während manche Unternehmen tatsächlich nachhaltige Maßnahmen ergreifen, gibt es auch solche, die Greenwashing betreiben. Anstatt in nachhaltige Maßnahmen zu investieren, geben sie mehr Geld für Berater und Marketing aus.
Bei CODICO konzentrieren wir uns auf einfache, aber effektive Maßnahmen. Es ist nicht immer nötig, den CO2-Fußabdruck eines Produkts zu kennen, wenn es offensichtliche Alternativen gibt, die besser für die Umwelt sind.
Einfache Lösungen sind oft die besten. Wir müssen nur wieder lernen, einfach zu denken.
Die Globalisierung in unserer Elektronikwelt ist ja besonders weit vorangeschritten. Ist die Globalisierung aus dem Gleichgewicht geraten?
Ja, das Ungleichgewicht ist offensichtlich. Unsere Branche ist vielleicht die globalisierteste überhaupt, aber gleichzeitig auch enorm abhängig von einzelnen Akteuren. Sei es ein spezialisiertes Unternehmen in Indien oder Taiwan, Rohstoffe aus Russland oder China, technologische Expertise aus den USA, Japan oder Europa, oder Produktionsmittel aus Holland. Das Modell, bei dem sich wenige Firmen weltweit spezialisieren, sodass andere Unternehmen sich auf andere Bereiche konzentrieren können, funktioniert prinzipiell gut – solange es Kooperation gibt.
Wenn diese Zusammenarbeit jedoch versagt, bricht das System zusammen. Die aktuelle Form der Globalisierung steht auf der Kippe – sie ist eigentlich tot oder zumindest auf der Intensivstation. Ohne Kooperation gibt es nur Konflikt. Und dieser Konflikt kann gefährlich werden, wenn Akteure sich das, was sie benötigen, mit Gewalt sichern, indem sie ihre Produktion verlagern oder sogar zu Spionage greifen.
Es gibt wenige Bereiche, bei denen ich nicht optimistisch bin. Aber hier mache ich mir ernsthafte Sorgen über die Zukunft. Es bleibt zu hoffen, dass wir diese kritische Phase überstehen. Also, ich hoffe, dass der Patient auf der Intensivstation gut durchkommt.
Wäre es also besser, wenn wieder parallele Ökosysteme entstehen?
Vollständige Unabhängigkeit wird in unserer vernetzten Welt niemals realisiert werden können. Wir können zwar unsere Abhängigkeiten minimieren, doch sie vollständig zu beseitigen, ist nahezu unmöglich. Selbst wenn die EU ihre eigenen Strukturen stärkt, bleibt sie in vielerlei Hinsicht abhängig. Gleiches gilt für die USA, die ihre eigene Produktion vielleicht von 20 auf 30 Prozent steigern können, aber immer noch von internationalen Partnern abhängig sind. Das gleiche Szenario zeigt sich in China, Taiwan und anderen Ländern. Niemand kann völlig unabhängig sein. Die Globalisierung hat ein solches Ausmaß erreicht, dass der Gedanke der völligen Autarkie eine Illusion ist. Es ist einfach nicht realisierbar.
Vielleicht schaffen wir am Ende noch einen positiven Spin. Steuern wir jetzt auf ruhige Zeiten zu oder bleibt der Elektronikozean stürmisch?
Da gibt es viele Lichtblicke. Ich kann das Wort Krise schon gar nicht mehr hören. Trotz der aktuellen Marktlage und der omnipräsenten Krisenstimmung blicke ich optimistisch in die Zukunft, besonders auf die nächsten fünf bis zehn Jahre. Die Elektronik wird eine Schlüsselrolle spielen, wenn es darum geht, Fortschritte in den Bereichen Nachhaltigkeit, Energie, Umweltschutz und Ressourcenschonung zu erzielen. Es ist offensichtlich, dass der Elektronikmarkt weiterwachsen wird. Ich glaube daran, dass Technologie eine Verbesserung des Lebens und der Lebensumstände bringen wird und dann auch den Zustand der Welt verbessert. Insbesondere glaube ich, dass datenbasierte Entscheidungen zu besseren Ergebnissen führen und dass die Energieprobleme letztendlich durch Elektronik gelöst werden können.
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