Massenentlassung Vorhaben gescheitert: Oppo stoppt Entwicklung eigener Handy-Chips
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3.000 Ingenieure sind über Nacht entlassen worden, als Chinas größter Handy-Hersteller Oppo am 12. Mai seine Chip-Sparte „ZEKU“ geschlossen hat. Selbst in der Volksrepublik, wo man große Zahlen gewöhnt ist, ist dies eine außergewöhnliche Massenentlassung. Die Halbleiterindustrie des Landes ist schockiert und spekuliert über die Gründe.

Oppo, Chinas führender Handy-Hersteller, hatte ZEKU 2019 gegründet, um wie seine Rivalen Apple oder Samsung eigene Chips für seine Smartphones und andere Geräte zu entwickeln. In den vier Jahren bis heute muss das Unternehmen etwa zehn Milliarden Yuan (1,3 Milliarden Euro) in Maschinen, EDA-Lizenzen und andere IP-Kosten investiert haben, schätzt das chinesische Fachportal EET China.
Jetzt aber kommt das überraschende Aus. „Angesichts der Unsicherheiten in der Weltwirtschaft und auf dem Markt für Mobiltelefone, hat sich das Unternehmen nach sorgfältiger Überlegung dazu entschlossen, das Geschäft von ZEKU einzustellen“, heißt es in einer Mitteilung von Oppo.
Nötige Investitionen sind zu hoch
In einem im Internet kursierenden Video kämpft Liu Jun, der CEO von ZEKU, sichtbar mit den Tränen, als er seinen Mitarbeitern die Konditionen ihrer Entlassung erklärt. Sie bekommen Abfindungspakete. Einige der jüngeren Talente, die erst vor kurzem angeworben worden waren, bekommen Jobs bei Oppo angeboten.
„Die Firma kann sich diese gewaltigen Investitionen in Chips einfach nicht leisten“, sagte Liu. Er verwies auf die Flaute auf dem Weltmarkt für Handys. Oppo dominierte zwar nach Stückzahlen gerechnet im ersten Quartal dieses Jahres den chinesischen Markt und war global der viertgrößte Handyhersteller nach Apple, Samsung und seinem chinesischen Rivalen Xiaomi. Doch die Geschäfte gehen im Moment nicht mehr gut.
23 Prozent Umsatzeinbuße
20,8 Millionen Smartphones hat Oppo in den ersten drei Monaten dieses Jahres verkauft, ein Minus von mehr als zehn Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum vor einem Jahr. Im vergangenen Jahr waren die Auslieferungen um 20,7 Prozent auf 107,6 Millionen Stück gesunken, die Umsätze des Unternehmens sogar um 23
Prozent.
Der Aufbau einer eigenen Chipproduktion aber erfordert hohe Investitionen und dies kontinuierlich über viele Jahre hinweg. Voller Optimismus hatte das Unternehmen bei der Gründung von ZEKU angekündigt, in rascher Folge 50 Milliarden Yuan (rund 6,7 Milliarden Euro) in die Entwicklung und Produktion selbst entworfener Chips stecken zu wollen.
„Null-Covid-Politik“ und sinkende Nachfrage
Damals konnte noch niemand vorhersehen, was kurz folgen sollte. Drei von vier Jahren seiner kurzen Existenz litt ZEKU wie jedes andere chinesische Business unter der radikalen „Null-Covid-Politik“ des chinesischen Staats- und Parteichefs Xi Jinping. Endlose, strikte Lockdowns und das folgende Lieferketten-Chaos haben Millionen kleinerer Unternehmen in China in den Ruin getrieben.
Zwar musste Xi seine gescheiterte Null-Covid-Politik zum Jahreswechsel abrupt aufgeben und – wenn auch nicht offiziell verkündet – zu einer Politik der Koexistenz mit dem Virus übergehen. Doch Chinas Wirtschaft hat sich noch immer nicht vom Einfluss der überzogenen Corona-Maßnahmen erholt. Die Verbraucher sind vorsichtiger geworden.
Handelssanktionen erschweren das Geschäft
Die Chip-Boykotte der USA gegenüber Huawei und anderen chinesischen Smartphone-Herstellern hatten zur Zeit der Gründung von ZEKU zwar bereits begonnen. Sie mögen sogar ein Grund für Oppos Versuch gewesen sein, eigene Chips zu produzieren. Für die Smartphone-Sparte von Huawei hatten sich die Exportverbote aus Washington verheerend ausgewirkt.
Noch nicht absehbar war 2019 aber, dass Washington seine Boykotte immer weiter verschärfen und auch auf den Export von Lithografie-Maschinen zur Herstellung von Chips ausweiten würde. Und seit Anfang dieses Jahres machen die USA auch massiven Druck auf die Niederlande und Japan, um auch Hersteller wie ASML oder Nikon zu Boykotten gegenüber China zu zwingen.
Rückschlag für Pekings Ziel der Chip-Selbstversorgung
Der jetzt erfolgte Rückzug aus dem Chip-Geschäft dürfte der kommunistischen Führung in Peking nicht gefallen, die zur „Selbstversorgung“ mit heimischen Chips aufgerufen hat und dafür auch Milliarden ausgibt. Doch der Aufbau einer kompletten nationalen Lieferkette „vom Sand bis zum Chip“ erweist sich als schwer und langwierig.
So musste Oppo fürchten, irgendwann auch auf einer der schwarzen Listen in Washington zu landen. Das war wohl mit den „Unsicherheiten“ gemeint, die der ZEKU-CEO erwähnte.
So konnte ZEKU bis jetzt zwar erfolgreich mehrere Halbleiter für das Imaging und andere Smartphone-Komponenten herstellen, etwa den Bildverarbeitungs-Chip MariSilicon X oder den MariSilicon Y für Audio-Funktionen. Doch bis zur Entwicklung eines eigenen System-on-a-Chip-(SoC-)Chips – der wichtigsten Halbleiter-Komponenten in jedem Smartphone – war man noch nicht gekommen.
Die vor kurzem auf den Markt gekommenen Handys von Oppo enthalten etwa den „Oppo Find N2 Flip“, der als Herzstück einen Mediatek „Dimensity 9000 Plus“ enthält, sowie den „Find X6 Pro“ auf der Basis eines „Snapdragon 8 Gen 2“ von Qualcomm.
Strategische Fehler begangen
Während die genannten externen Einflüsse sicherlich maßgeblich am Scheitern der Chip-Ambitionen von Oppo beteiligt waren, so hat das Unternehmen selbst offenbar auch strategische Fehler begangen. Analysten in Peking und Shanghai sprechen in vertraulichen Gesprächen von einer „Quick-Win-Kultur“ bei ZEKU, das Ingenieure mit hohen Gehältern von der Konkurrenz abgeworben und so die eigenen F&E-Kosten unnötig in die Höhe getrieben habe.
Auch habe ZEKU zu viel zu schnell versucht – etwa die Entwicklung eines 4-Nanometer-Flagship-Chips, ohne wie andere Unternehmen Jahre oder Jahrzehnte in den graduellen Aufbau des eigenen Chip-Knowhows zu investieren. Die technischen Ziele von Oppo seien wirklich so etwas wie ein „großer Sprung nach Vorn“ gewesen, spottete EET China in einem Kommentar – in Anlehnung an den desaströs gescheiterten Versuch des Vorsitzenden Mao, innerhalb weniger Jahre die industrielle Macht der USA durch das Einschmelzen von Woks in Hinterhöfen einzuholen. Eine landesweite Hungersnot war damals die Folge gewesen.
Hunger droht den nun entlassenen knapp 3.000 Ingenieuren von ZEKU zwar nicht, doch wer scheitert, der muss auf Spott und höhnische Kommentare niemals lange warten und so ist es auch diesmal. (me)
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* Henrik Bork ist Managing Director und Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen mit Sitz in Peking.
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