Leiterplattenmaterial immer teurer Verknappung bei PCBs: So reagieren Sie richtig
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Leiterplatten bestehen im Wesentlichen aus Kupfer, Harz und Glasgewebe. Diese Zutaten werden immer knapper und damit teurer. Wo führt das hin und was kann man jetzt tun?

„Lächle, es könnte schlimmer sein! Ich lächelte und es kam schlimmer.“ Zum Jahreswechsel schrieb ich an dieser Stelle, dass Preisanstiege und Verknappungen drohen. Aber dass weitere Probleme die Lage der Elektronikindustrie derartig verschärfen, wie dies jetzt der Fall ist, konnte niemand voraussehen. Wir haben jetzt – im April 2021 – ein Stadium erreicht, in dem man sich kaum noch wundert, wenn es noch schlimmer kommt.
Der Ausgangspunkt ist ein kleines Virus, der die Welt umkrempelt. Steigende Infektionszahlen und hohe Sterblichkeitsraten brachten das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben zum Stillstand. Fehlendes Personal in der Lieferkette führt zur Drosselung der Produktionsleistung in allen Industrien, doch hier soll lediglich die Leiterplattenindustrie näher untersucht werden.
Eine Leiterplatte besteht im Wesentlichen aus nur wenigen Grundstoffen: Kupfer, Harz und Glasgewebe (bei der fertigen Baugruppe kommen noch hunderte von Komponenten unterschiedlichster Zusammensetzung hinzu). Für jede Komponente in der Leiterplattenindustrie gibt es nur wenige Lieferanten, so dass – gemessen an der Bedeutung der Elektronik – die Industrie nur auf einer sehr engen Basis steht.
Kupfer
Etwa 40 Prozent der Weltförderung an Kupfer kommt aus Chile und Peru. Durch die dort rasant steigenden Infektionszahlen fiel die Förderung – besonders im 2. Quartal 2020. In der Weiterverarbeitung hat China einen Weltmarktanteil von über einem Drittel, die Top 10 mehr als drei Viertel. Wegen auch dort fehlender Mitarbeiter fiel die global verfügbare Menge um 2 Prozent. In den kommenden Jahren dürfte steigender Bedarf in der Elektrik (z. B. erneuerbare Energie) und der Elektronik zu deutlichen Versorgungsengpässen führen.
Nach dem Tiefstpreis von 4617,50 US-Dollar/t Kupfer vom 23.3.20 verdoppelte sich die Notierung bis zum 25.2.21 auf einen Höchststand von 9614,50 US-Dollar/t. Inzwischen hat sie wieder etwas nachgelassen, doch bewegt sich die Notierung weiterhin auf sehr hohem Niveau. Goldman Sachs prognostiziert bereits, dass das Allzeithoch vom 14.2.2011 von 10.148 US-Dollar/t erreicht oder überschritten wird.
Kupferfolie
Die Leiterplattenindustrie setzt standardmäßig Folien von 18 µm und 35 µm ein, Hochstromanwendungen benötigen bis zu 400 µm. Die Substrate für die Chips der Halbleiterhersteller und die im Aufbau begriffene 5G-Technologie benötigen dünnere und anspruchsvollere Folien mit zudem besseren Preisen.
Außerdem ist der Elektronik mit der e-Mobilität in mehrfacher Hinsicht ein Wettbewerber um die ohnehin schon knappen Folien erwachsen: Es werden sowohl dünnere Folien benötigt, die technischen Anforderungen sind nicht so hoch und auch in diesem Fall sind die erzielbaren Preise besser. Kupferfolien werden per m² verkauft. Das bedeutet, dass dünnere Folien mehr Umsatz aus der gleichen Gewichtseinheit generieren. Daher ist es verständlich, dass sich die wenigen Anbieter auf profitable Segmente konzentrieren.
Zwar sind Produktionserweiterungen für 2021 und 2022 im Bau oder zumindest geplant, doch die erforderlichen Einrichtungen dafür haben z. T. Lieferzeiten von 18 Monaten. Daher dürften dickere Kupferfolien zunächst kaum noch produziert werden und für die Auto- und Solarindustrie weitere Einschränkungen bedeuten.
Epoxidharz
Ende 2019 waren die Wirtschaftsprognosen für 2020 schon sehr verhalten, mit dem Coronavirus verschlechterten sich die Aussichten weiter. Daher wurde Kapazität stillgelegt und Wartungsarbeiten wurden vorgezogen. Durch die im 2. Quartal 2020 plötzlich einsetzende Wirtschaftsbelebung waren die Hersteller überrascht, doch die getroffenen Entscheidungen konnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Damit wurde die erste Preiserhöhungswelle für Harze ausgelöst.
In der ersten Novemberwoche 2020 kam es in China zur Explosion in zwei Epoxidharzwerken und in Korea zu einem Brand in einem Werk für Bisphenol A. Als Konsequenz verdoppelten sich die Preise innerhalb von Stunden.
Die chinesischen Behörden haben daraufhin die Sicherheitsauflagen für derartige Werke deutlich erhöht, und ob die beiden zerstörten Werke wieder eine Genehmigung zum Aufbau bekommen, ist immer noch unklar. Eine ungewöhnliche Kältewelle in China und den USA verschärfte die Situation weiter, weil die Produktionskapazität reduziert werden musste.
Glasgewebe
Bei Glasgeweben gab es die gleiche Situation wie bei Harzen: Stilllegung von Kapazitäten und vorgezogene Wartung. Dabei müssen die Schmelzöfen zunächst abkühlen, die Ausmauerung wird ausgebrochen, und der Ofen neu ausgekleidet, bis die Aufheizphase erfolgen kann – ein Vorgang von insgesamt mehreren Monaten. Daher kam es seit Mai 2020 zu Versorgungsengpässen.
Die Kapazitätsreduzierung und ein Brand im Juli bei einem Hersteller für Gewebe für Glasfilamente im Juli führten ab Mai für Gewebe zu Engpässen und Verteuerungen. Je nach Gewebedichte stiegen die Preise im 1. Halbjahr 2020 um bis zu 50 Prozent, im November um weitere 5-10 Prozent und zusätzliche Erhöhungen werden auch in diesem Jahr erwartet. Weil es auch für diese Hersteller Märkte mit besseren Preisen gibt (z. B. 5 G, IC Substrate) bekamen Laminathersteller mit Bedarf für Standardgewebe weniger Mengen.
Laminate
Aus den drei Vorprodukten werden also Laminate für die Leiterplattenproduktion gefertigt. Weil bis zu 90 Prozent der Produktionskosten für Basismaterial von den Vorprodukten bestimmt werden, hatten die Hersteller keine Wahl, als ihrerseits die Preise zu erhöhen. Die Top 10 Hersteller haben etwa 75 Prozent Weltmarktanteil – und alle sind in Asien.
Die Verknappungen führten ab dem 2. Quartal 2020 zu Preissteigerungen und ab dem 3. Quartal 2020 zur Zuteilung. Selbst „gute“ Stammkunden erhalten nicht die Mengen, die sie im Vorjahr bekamen, von Mehrbedarf gar nicht zu reden. Aufgrund der sich verschärfenden Versorgungslage werden Aufträge nur unter Vorbehalt angenommen, Preise gelten allenfalls einen Monat (bis jetzt – April – nur in Asien, doch dürfte es bald in Europa ebenfalls dazu kommen.
Selbstverständlich gibt es für die Hersteller ebenfalls profitablere Bereiche (dünnere Laminate mit anspruchsvolleren Harzsystemen), so dass die Produktion von Standardmaterial reduziert wurde. Hinzu kam die deutliche Unterversorgung bei den Geweben 7628 und 2116, daher haben im April 2021 einzelne Hersteller sogar die Produktion von doppelseitigem Standardmaterial – zumindest auf absehbare Zeit – eingestellt.
Ab Jahreswechsel 2020/21 stiegen die Lieferzeiten von 2 auf 12 Wochen und mehr und schon jetzt ist Produktionskapazität für das 3. Quartal knapp (Hauptsaison in Asien für das Weihnachtsgeschäft), und es ist nicht zu erwarten, dass das 4. Quartal 2021 Entspannung bringt. Zu allem Übel kam es Mitte April bei einem der Top 10 Laminathersteller zu einem Brand, der wesentliche Fertigungsanlagen zerstörte und damit für einen deutlichen Produktionsausfall sorgte, der die ohnehin angespannte Lage noch weiter verschärft.
Logistik
Die bisher geschilderten Details sind schon schlimm genug, doch auch die Logistik trägt einen wesentlichen Teil zur Problematik bei. Wegen Corona kam es zu Störungen im Seeverkehr, Häfen wurden nicht mehr angelaufen, die Inlandslogistik brach wegen fehlender LKW-Fahrer zusammen – und damit die Rückführung der Behälter.
Der Containerumschlag beträgt normalerweise nur zwei bis vier Tage, stieg aber 2020 auf mehrere Wochen an. Zwar gibt es weltweit etwa 40 Mio. Container (davon ist etwa die Hälfte ständig unterwegs) doch seit Mitte 2020 stehen zu viele am jeweils falschen Ort. Das trieb die Frachtkosten von Asien nach Europa von etwa 1300 US-Dollar im April 2020 auf 8300 US-Dollar im März 2021 (= 6x mehr).
Alle Schiffe von Asien nach Europa kommen in diesem Jahr im Durchschnitt zwei Wochen später an als geplant. Außerdem können bestätigte Abfahrten kurzfristig abgesagt werden. Und wenn eine Havarie wie „Ever Given“ dazwischenkommt, ist jede Planung Makulatur. Luftfracht ist ebenfalls keine Alternative, da durch fehlende Passagierflüge (die normalerweise 60 Prozent der Fracht befördern) hier ebenfalls keine Kapazität zur Verfügung steht.
Ausblick 2021
Auf allen Ebenen, in jeder Branche sind Lieferfähigkeit und Nachfrage in deutlichem Missverhältnis. Die Wirtschaftsentwicklung im Allgemeinen und neue Technologien treiben den Bedarf noch höher. Regierungsprogramme zur Stützung der Wirtschaft schaffen zusätzliche Nachfrage – und weitere Engpässe. Da Lagerbestände auf historisch niedrigem Niveau sind, können kurzfristige Zusatzbedarfe in keinem Fall gedeckt werden. Damit sind Verfügbarkeit, Lieferzeiten und Preise in Bewegung. Dies betrifft alle Bereiche, auch Schlüsselbranchen. Es ist wahrscheinlich, dass diese Lage bis ins kommende Jahr hineinreicht.
Der Wettbewerb um Rohstoffe, Vorprodukte und Bauteile wird deutlich zunehmen; manche Branchen werden versuchen, Vorteile auf Kosten anderer zu erzwingen. Da auf absehbare Zeit Fernreisen um bis zu 60 Prozent zusammenbrechen dürften, steht Luftfracht weiterhin nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung.
Die jetzige Lage ist in der Geschichte der Elektronik einzigartig, denn es gibt keine Liefer- oder Versorgungssicherheit, keine Preisgarantie und – noch deprimierender – keine Aussicht auf Besserung. Daher ist jetzt unabdingbar, dass das Risikomanagement verbessert wird, die Lieferketten prüft und verkürzt.
Die Marktbeobachtung muss intensiviert werden und zusätzliche Aspekte einschließen (Bauteilversorgung bei den Kunden, denn weniger Bauteile = weniger Leiterplatten). „Schnäppchenjäger“, die ihre Lieferanten in der Vergangenheit laufend gewechselt haben, werden eine harte Zeit durchmachen, denn die Lieferanten werden ihre Stammkundschaft zuerst und nach ihren Möglichkeiten bedienen.
Was ist zu tun?
Der wichtigste Rat ist, nicht in Panik zu verfallen, sondern in enge Kommunikation mit den Lieferanten zu treten, um Bedarfsmengen und mögliche Lieferzeiten zu besprechen und abzustimmen. Bedenken Sie, dass Ihr Lieferant bestrebt ist, Sie zu beliefern, da hilft es nichts, wenn Sie ihn unter Druck setzen, denn er ist schließlich ebenfalls nur ein Glied in der Lieferkette.
- Sie sollten frühzeitig Bestellungen mit festen Terminen platzieren, und evtl. Zusatzmengen nur in Absprache mit dem Lieferanten buchen. Offene Lieferpläne dürften dieses Jahr nicht funktionieren.
- Bestellen Sie nur die Mengen, die Ihrem Bedarf entsprechen (Sie werden wahrscheinlich ohnehin kaum mehr als im Vorjahr bekommen können).
- Übernehmen Sie mögliche Lieferungen sofort auf ihr eigenes Lager, denn Konsignationslagerung dürfte dieses Jahr immer seltener möglich sein (und zudem sichern Sie sich damit auch die jeweils aktuellen Preise).
- Sprechen Sie umgekehrt offen mit Ihren Kunden, halten Sie engen Kontakt und bitten Ihrerseits um frühzeitige Bestellungen mit festen Terminen. Verweisen Sie auf die Marktsituation (auch, wenn manche Einkäufer versuchen, das zur Seite zu wischen).
- Der automatische Reflex, Preiserhöhungen und Lieferverschiebungen kategorisch abzulehnen, ist diesmal fehl am Platz. Es geht ausschließlich darum, Vormateria-lien zu bekommen und lieferfähig zu sein, oder nicht.
Das Wichtigste
Es hat keinen Sinn, durch Doppel- und Dreifachbestellungen die Situation noch zu verschärfen, denn es könnte diesmal durchaus der Fall eintreten, dass Lieferanten bei einem Platzen der Blase auf der Abnahme bestehen. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist jetzt noch wichtiger und hat Auswirkungen auf die künftigen Geschäftsbeziehungen.
Leiterplattenstudie 2021
Autor Michael Gasch von Data4PCB ist Kenner der Branche und erstellt einmal jährlich eine Studie zur europäischen Leiterplattenindustrie. In Kürze erscheint die Ausgabe für 2021. Für weitere Informationen dazu senden Sie bitte eine E-Mail an Michael Gasch: info@data4pcb.com.
* Michael Gasch von Data4PCB kennt die Leiterplattenwelt wie kaum ein anderer und ist in diesem Kontext auch Asienexperte mit besten Verbindungen zur dortigen Elektronikbranche.
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