Überlebenskünstler Relais in Digitalisierung und Automation

Klaus Stark *

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Obwohl Elektromechanische Relais immer wieder totgesagt wurden, sind sie heute sowohl unverzichtbar als auch Technologietreiber in vielen Anwendungen. Wir gehen der Frage nach, warum das so ist.

Elektromechanische Relais: Das Relais ist heute das Bindeglied zur digitalen Urbanisierung und Automation.
Elektromechanische Relais: Das Relais ist heute das Bindeglied zur digitalen Urbanisierung und Automation.
(Bild: VCG)

Eine vernetzte Welt, urbane Verdichtung, Smart Grid, autonomes Fahren, Fertigung On Demand, Smart Home und Digital Hospital sind bereits Teil unserer Wirklichkeit. Offensichtlich ist die digitale Vernetzung. Weniger sichtbar ist hingegen der Link in die reale Welt. Relais sind in vielen Fällen das flexible Bindeglied zwischen diesen Welten. Sie sorgen dafür, dass sich Roboter bewegen, Aufzüge fahren, Medizinlaser schneiden oder Jalousien Räume verdunkeln. Mit dem notwendigen Knowhow bei der Auswahl und Integration verhelfen Relais Geräten und Systemen zu hoher Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.

Seit den 1980er Jahren gibt es einen Schub zur Digitalisierung. Relais und ihre Einsatzfälle wandelten sich entsprechend. BUS-Systeme kamen auf und zeigten wohin die Reise in der Industrieautomation und Prozesstechnik geht. Sogenannte „Relaiskarten“ als Bindeglied zwischen Last und Logik waren „Stand der Technik“. Zugleich übernahmen Halbleiter klassische Relais-Anwendungsfelder. Zum Beispiel wurden in Telekom-Anwendungen auf breiter Front Relais durch Halbleiter ersetzt.

In der Gebäudeautomation und im Automobil hingegen veränderten sich die Anforderungen. Bei beiden wurde auf BUS-Systeme gesetzt. Dazu wurden wiederum Relais mit veränderten Eigenschaften benötigt: In der Gebäudeautomation flache, kompakte Relais, die sich in die Unterputzdose inte­grieren ließen. Im Automobil Relais mit Eigenschaften, die sich deutlich vom bisherigen klassischen Kfz-Relais abhoben, beispielsweise für 48-V-Bordnetze.

Warum braucht man heute immer noch Relais?

Die Antwort darauf ist ebenso banal wie vielschichtig und sicherlich im ersten Moment eher eine Plattitüde, die im Grunde auf alle Technologien anzuwenden ist, die über lange Zeiträume verwendet werden. Ein einleuchtendes Argument ist sicherlich die eindeutige Funktion. Relais haben, wie auch andere elektromechanische Schaltelemente, einen zu erwartenden Schaltzustand, „Ein“ oder „Aus“. Ein solcher „Digitaler Schalter“ mit galvanischer Trennung besitzt Eigenschaften, die Halbleiter nur bedingt in gleichem Umfang und zu vergleichbaren Kosten liefern.

Ein wesentlicher Punkt ist die Robustheit – sie trifft sowohl auf den Kontaktsatz als auch auf den Relaisantrieb gleichermaßen zu. Sie verleiht einer Anwendung oftmals das Maß an „Freiheitsgrad“, welches in einer Gerätekonstruktion so nicht im Pflichtenheft beschrieben werden kann: seien es Schwankungen in der Ansteuerung oder die Bewältigung von Lastspitzen wie auch Umwelteinflüssen, die kompensiert werden. Das Relais „schluckt“ die eine oder andere Überlastung.

Relais werden individuell auf die Anwendung angepasst. Relaisspulen werden auf die Spannungsversorgung abgestimmt und Kontaktkonfigurationen oder Kontaktwerkstoffe werden den Applikationsbedingungen entsprechend bestimmt. Hierzu müssen keine neuen Fabriken gebaut werden. In der Regel ist dies für recht überschaubare Auftragsmengen und zeitnah realisierbar.

Ausschlaggebend für den „Überlebenskünstler Relais“ ist die Anpassungsfähigkeit an neue Anwendungsgebiete. Hierbei geht es nicht nur um Miniaturisierung und Energieeffizienz. Lastbedingungen, die neuartige Relais bedingen, manifestieren diese Wandlungsfähigkeit. So beispielsweise Relais für Ladesysteme der Elektromobilität.

Die Wandlungsfähigkeit zeigt sich auch mit Blick auf Produktion und Qualität. Relais entstehen im Sekundentakt und die 100% Funktionsprüfung am Ende der Fertigung ist eine reale und keine statistische Größe. In der Anwendung wird dies sehr deutlich, wenn die Feldstabilität betrachtet wird.

Der Bedarf an Relais steigt heute und künftig rasant

Seit der Jahrtausendwende steigt der Relaisbedarf. In Deutschland beträgt der Stückzahlzuwachs seit 2009 >4% pro Jahr (Quelle: ZVEI). Dies ist höher als die Zuwächse in der Elektroindustrie von durchschnittlich 1,4% für die Jahre 2013 bis 2017. Dies wird noch deutlicher unter Einbeziehung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Europäischen Union stieg im Betrachtungszeittraum zwischen 2009 bis 2017 nur um durchschnittlich 0,8%. (Quelle: Eurostat).

Wachstumsimpulse aus der Industrieelektronik sind da. Eine deutliche Forcierung der Automatisierung in praktisch allen Bereichen ist zu verzeichnen. Nicht ohne Grund sind unsere Unternehmen mit ihren Produkten in diesem Bereich gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern so erfolgreich. In diesen Ländern ist die Transformation von manueller Tätigkeit hin zur Maschinenproduktion sehr ausgeprägt.

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Industrie 4.0 bringt weitere, zum Teil neue Anforderungen an das Relais. Dass es bereits sehr konkrete Forderungen gibt, zeigen u.a. die Aktivitäten bei Klassifizierung binärer 24-V-Schnittstellen mit Testung im Bereich der Funktionalen Sicherheit (Quelle ZVEI Positionspapier CB 24 April 2017).

Neue und eventuell entscheidende Impulse für die Weiterentwicklung von Relais ergeben sich durch die Applikationen u.a. in urbaner Verdichtung, eine alternde Gesellschaft und veränderte Mobilität sowie die Nutzung alternativer Energieträger und deren Erzeugung.

Die globalen Trends der urbanen Verdichtung, des Verkehrs und bei Home- und Health-Care offenbaren die Komplexität von Systemen, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen.

Digitalisierung und vernetzte Systeme benötigen schließlich die Schnittstelle in die reale Welt. Türen sind zu öffnen, Ladesysteme zu trennen, Roboter zu bewegen; und zwar möglichst störungsfrei und sicher. Das hat zur Folge, dass all dies geschaltet werden muss, deutlich mehr als dies in der Vergangenheit der Fall war. Die damit verbundenen Forderungen prädestinieren das Relais als Bindeglied zwischen digitaler und realer Welt, insbesondere aufgrund der nachfolgenden Aspekte:

  • Eindeutiges Schaltverhalten,
  • Robustheit in Verarbeitung und Betrieb,
  • Systemverfügbarkeit,
  • Störunempfindlichkeit,
  • Manipulationssicherheit,
  • Elektrische Sicherheit,
  • Galvanische Trennung,
  • Individualisierung.

Relais: auf dem Weg von der Komponente zum System

Neben der technischen Anpassungsfähigkeit hat sich die Betrachtungsweise des Relais gewandelt. Vor Jahren noch eine Komponente wird es immer mehr zum „Teilsystem“. Um die Vorteile der Relais in vollem Umfang zu nutzen, ist jedoch notwendig, in Entwicklungsprojekten vielleicht früher als bislang den Kontakt zu den Relaisspezialisten zu suchen.

Um den Dialog zwischen Relaishersteller und Relaisanwender zu stärken, flankiert der ZVEI dies mit seinen Arbeitskreisen. Von Umweltaspekten und technischem Recht bis hinein in die technische Sicherheit reicht die Spannweite der interdisziplinären Zusammenarbeit. Als Bindeglied zwischen Relaisfunktionalität und Relaisanwendung bemüht sich hier insbesondere die Fachabteilung „Relais“ mit dem Arbeitskreis „Schaltrelais“ und dem Technischen Ausschuss „Relais“ um die Diskussion.

In diesem Kontext ist es für den ZVEI eine sehr erfreuliche Entwicklung, dass es der Fachzeitschrift ELEKTRONIKPRAXIS gelungen ist, mit dem 1. Anwenderforum Relaistechnik eine neue Plattform für den interdisziplinären Dialog zu schaffen.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Keynote-Vortrag, den Klaus Stark als Vertreter der Fachabteilung Relais und des Arbeitskreises Schaltrelais des ZVEI auf dem 1. Anwenderforum Relaistechnik am 11. Oktober 2018 im Vogel Convention Center in Würzburg halten wird. Das detaillierte Programm finden Sie unter www.relaisforum.de

Mehr zum Thema: Das 1. Anwenderforum Relaistechnik im Überblick

Der Grundlagenvortrag von Manfred Cloot (Finder) bietet den Einstieg in die nachfolgenden Themenfelder. In ihm erklärt der Referent nach einem kurzen historischen Abriss Konstruktionsmerkmale, die Ansteuerung des Magnetkreises und das Zusammenspiel von Relaisantrieb und Kontaktsatz sowie das Schaltverhalten unter verschiedenen Schaltlastbedingungen.

Der nachfolgende Block mit dem erweitertem Basiswissen beleuchtet Aspekte, die sowohl beim Design-in als auch in der Anwendung wichtig sind. Dabei handelt es sich um die Temperatureinflüsse, die Absicherung und die Lichtbogenlöschung.

Bei den Relais Features gehen die Referenten auf Besonderheiten und Nutzungsmöglichkeiten spezieller Relais ein. Im einzelnen sind das Automotive-Relais, Relais für Smart Home, Relais in der Industrieelektronik, Solar-Relais und Relais für kleine Lasten. In den Vorträgen werden die Bandbreite der neuesten Relaisentwicklungen und die Vorteile in der Anwendung aufgezeigt im Kontext zu Megatrends wie Smart Grid, Energy Storage, Smart Home, Automotive etc. Das Best-Practice-Bespiel stellt die Realisierung von Schaltaufgaben in Maschinen, Geräten und Systemen vor und zeigt, wie Relais einen hohen Nutzen in der Applikation erzielen. Relais-Trends richtet den Blick auf kommende Herausforderungen an Relais.

Zielgruppe sind Ingenieure, Konstrukteure, Techniker und Wirtschaftsingenieure aus Entwicklung, Anwendungstechnik, Qualitätssicherung, Einkauf und Bauteilezulassung bei Anwendern und Herstellern von elektrischen Schaltgeräten und elektronischen Steuerungen. Der Fokus der der Veranstaltung liegt auf dem Praxisbezug und soll eine direkte Umsetzung der Inhalte durch die Teilnehmer nach dem Kongress ermöglichen.

* Dipl.-Ing.(FH) Klaus Stark ist ehrenamtliches Mitglied im ZVEI, Fachbereich Relais, AK TASi, AK ZÜS/GÜS und Innovationsmanager bei Pilz in Ostfildern.

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