Neue Erkenntnisse der Spinforschung Magneteffekt in Elektronen senkt Energieverbrauch um Faktor 100
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Forscher nutzen die magnetischen Eigenschaften von Halbleitern, um den Stromverbrauch von Computern um den Faktor 100 zu senken. Die Herausforderung besteht darin, die winzigen Kontakte der Halbleiter miteinander zu verbinden.

Elektronik-Entwickler kennen das Problem: Kleiner werdende elektronische Geräte und Computer und die darin verbauten Chips benötigen bei wachsenden Anwendungswünschen eine größere Leistungsdichte. Die Frage ist: Wie lassen sich Hochleistungscomputer mit einem sehr geringen Stromverbrauch entwickeln? Die Antwort geben Forscher am Fraunhofer-Institut IZM mit ihrer Spinforschung.
Als Spinwellen bezeichnet man die kollektive Anregung in einem magnetischen Material. Ein Spin ist dabei der Eigendrehimpuls eines Quantenteilchens, beispielsweise eines Elektrons oder Neutrons. Dieser Drehimpuls, der „Spin“, ist die Grundlage aller magnetischen Phänomene. Die Quantenteilchen der Spinwellen wiederum werden auch als Magnonen bezeichnet. Und genau die will sich die Spinforschung zunutze machen, denn sie können mehr Informationen transportieren und verbrauchen weniger Energie als klassische Mikro- und Halbleiterchips.
Chipaufbau für Frequenzen bis 16 GHz
Um die Konzepte aus der Spin- und Magnonikforschung für eine konkrete Anwendung zu adaptieren, haben Forscher am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM zusammen mit europäischen Partnern aus Forschung und Industrie ein Rechnersystem konzipiert, bei dem die Magnonik an einen Standardcomputer angeschlossen und somit in gängige Halbleitersysteme integriert wird.
Damit die Technologie kompatibel wird, hat sich das Forschungsteam für sogenannte CMOS-Schaltungen entschieden. Diese Halbleiterelemente finden sich in allen gängigen Computern und können sowohl digitale als auch analoge Daten speichern und verarbeiten. Im Rahmen des Projekts entwarf die Gruppe am Fraunhofer IZM einen Chipaufbau für Frequenzen bis etwa 16 GHz und mit nahezu gleichen Leitungslängen für mehr als 100 Kanäle. Dieser Chip soll dann die Schnittstelle zwischen einem klassischen PC und einer Spinwellenschaltung auf der Basis von Saphir oder Gadolinium-Gallium-Granat (GGG) bilden.
Bisher ein Logikgatter auf dem Chip
Die besondere Schwierigkeit liegt in der räumlichen Dichte der Spinwellen-Logikgatter auf einem Chip. Ein Logikgatter ist ein Rechenoperator, der binäre Eingangssignale in Ausgangssignale umwandelt. „Derzeit wird auf einem dieser Spin-Wave-Chips nur ein Logikgatter betrieben. In Zukunft wollen wir mehr als 100 Gatter auf einem Chip unterbringen“, erklärt der zuständige Projektleiter am Fraunhofer IZM, Dr. Martin Hempel, und blickt dabei zuversichtlich auf die besondere Expertise des Instituts bei der Einbettung von Hochfrequenzchips mit vielen Ausgängen.
In dem Projekt sollen erstmals komplexere Rechenfunktionen eines Computerchips mithilfe von Spinwellen demonstriert werden. Damit soll der Weg zu einem um den Faktor 100 reduzierten Energieverbrauch zukünftiger Computersysteme geebnet werden. Darüber hinaus ermöglicht die vom Fraunhofer IZM in diesem Projekt entwickelte Technologie zur Ansteuerung einer Vielzahl von Hochfrequenzkanälen weiterführende Anwendungen auch in anderen Bereichen wie Hochfrequenz- und Kommunikationssystemen, beispielsweise in der Kollisionsvermeidung beim autonomen Fahren.
Das von der Europäischen Union geförderte HORIZON-Projekt SPIDER (Spin Wave Computing for Ultimately-Scaled Hybrid Low-Power Electronics) 801055 läuft vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. Mai 2026 und wird mit drei Mio. Euro gefördert. Das Projekt wird vom Interuniversity Microelectronics Centre (IMEC) in Leuven koordiniert.
Weitere Projektpartner sind die Technische Universität Delft, die Technische Universität Kaiserslautern-Landau, das Nationale Forschungs- und Entwicklungsinstitut für Mikrotechnologien IMT aus Bukarest sowie die Unternehmen Thales und Akronic.
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