Lidar-Sensoren im virtuellen Fahrversuch simulieren

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Mit einer passenden Simulationsplattform können Entwickler unterschiedliche Sensortechniken simulieren. Dazu gehören auch Lidar-Sensoren, die beim automatisierten Fahren verwendet werden.

Lidar im Straßenverkehr: Autonome oder teilautonome Fahrzeuge können mit Lidar ihre Umgebung erkunden. Doch Entwickler müssen im Vorfeld die Lidar-Sensoren 
ausgiebig simulieren.
Lidar im Straßenverkehr: Autonome oder teilautonome Fahrzeuge können mit Lidar ihre Umgebung erkunden. Doch Entwickler müssen im Vorfeld die Lidar-Sensoren 
ausgiebig simulieren.
(Bild: temp-64GTX - stock.adobe.com)

Durch Fahrerassistenzsysteme und automatisierte Fahrfunktionen ist der Testaufwand in der Fahrzeugentwicklung stark gestiegen. Die Entwicklung und der Test dieser Systeme sind allein mit dem realen Fahrversuch nur schwer umzusetzen. Der virtuelle Fahrversuch mithilfe einer Simulationsplattform nimmt daher einen größeren Stellenwert ein als je zuvor.

Nutzt der Entwickler eine Simulationsplattform, dann lässt sich die Fahrzeugentwicklung stark beschleunigen und sogar einfacher gestalten. Dafür wird in der Simulation ein sogenannter virtueller Prototyp verwendet, der den realen Prototyp abbildet und für jede seiner Komponenten über ein entsprechendes Modell verfügt. Diese virtuellen Prototypen werden miteinander kombiniert und ergeben ein vollständiges virtuelles Fahrzeug mit realitätsgetreuem Verhalten. Alle Abhängigkeiten und Einflüsse der verschiedenen Fahrzeugsysteme untereinander können so abgebildet und frühzeitig aufeinander abgestimmt werden. Dies ermöglicht eine starke Reduktion der benötigten realen Prototypfahrzeuge.

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Dennoch ist es auch in der Simulation der Fall, dass der Testaufwand für die Entwicklung und Absicherung automatisierter Fahrfunktionen extrem ansteigt, da diese in sämtlichen denkbaren Szenarien sicher und fehlerfrei arbeiten müssen. In der Simulation wird die Erfassung einer Verkehrssituation durch Sensormodelle geleistet. Die Lidar-Sensorik ist eine Technik, deren Bedeutung für automatisierte Fahrzeuge zunimmt. Zusammen mit mehr als 20 weiteren unterschiedlichen Sensoren bildet sie die Grundlage für automatisierte Fahrfunktionen. Dies resultiert in entsprechend steigendem Rechenaufwand in der Simulation. Die Modellierungstiefe der eingesetzten Sensoren hängt dabei vom Anwendungsfall und Testfokus ab, weshalb in der Simulationsplattform CarMaker unterschiedliche Modelle implementiert sind.

Das Verhalten der Sensormodelle und ihre Funktionen

CarMaker bietet drei verschiedene Sensormodellklassen an – ideale Sensormodelle, HiFi-Sensormodelle und Rohsignalschnittstellen (Raw Signal Interfaces, kurz RSI) [1]. Das Verhalten der Sensormodelle und der Funktionen, die deren Informationen nutzen, kann in verschiedensten Verkehrssituationen auf beliebigen Straßenabschnitten unter diversen Umweltverhältnissen reproduzierbar untersucht werden. Ergänzend dazu sind Anwender mithilfe der Simulation in der Lage, mit verschiedenen Sensorkonfigurationen zu experimentieren oder Sensorkonzepte zu testen, die noch nicht als realer Prototyp verfügbar sind. Auch der Kostenaspekt ist nicht zu vernachlässigen – die Simulation ermöglicht es, sehr viel konzeptuelle Vorarbeit zu leisten, bevor reale Sensoren benötigt werden.

Ideale Sensormodelle dienen dazu, eine Liste von relevanten detektierten Objekten auszugeben. Die dafür nötigen Informationen werden durch eine direkte Extraktion aus dem Simulationsmodell bereitgestellt. Damit erfolgt eine ideale und technologieunabhängige Umfelderfassung, ohne dass die Sensorphysik detailliert betrachtet wird oder sensortypische Fehler in der Objektliste abgebildet werden. Wie die idealen Sensormodelle liefern auch die HiFi-Sensormodelle eine Objektliste. Im Gegensatz zu der reinen Extraktion aus dem Simulationsmodell werden in diesem Fall die Informationen durch physikalische Effekte und/oder technologiespezifische, teils stochastische Fehlermodelle angereichert – so ergibt sich eine realitätsnahe Objektliste für die verwendete Sensortechnik.

Ganz verschiedene Sensormodelle testen

Rohsignalschnittstellen stellen Eingangsdaten für Perzeptionsalgorithmen des Sensors bereit. Dazu gehören beispielsweise Bilddaten für die Kamerasimulation oder die Kanalimpulsantwort für ein Radar. Werden Rohsignale generiert, muss man detaillierte physikalische Effekte bei der Signalausbreitung und der Interaktion mit anderen Objekten berücksichtigen. Das Bild 1 zeigt, wenn unterschiedliche Sensormodellklassen verwendet werden. Ideale Sensormodelle werden in der Regel zum Test von Planungsalgorithmen verwendet, da hier gezielt Fehler in der Wahrnehmung ausgeschlossen werden können. Auch können sie als Referenz für die Objekterkennung und die Sensorfusion herangezogen werden.

HiFi-Modelle werden genutzt, wo realistische fehlerbehaftete Daten auf Objektebene benötigt werden, beispielsweise als Eingang in die Sensorfusion oder Planung. RSI-Modelle werden für die Entwicklung und den Test der Perzeption benötigt, aber auch, um das Komplettsystem zu betrachten.

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Wenn der Test parallel ablaufen muss

Insbesondere bei Testkatalogen mit einer großen Anzahl virtueller Fahrversuche ist es sinnvoll, dass parallel getestet wird. Mithilfe der Parallelisierung und automatisierter Testabläufe wird es trotz des Rechenaufwandes möglich, einen sehr großen Testumfang in kurzer Zeit zu bewältigen [2]. Aufseiten der Simulationsplattform gibt es verschiedene Ansätze, Testkataloge zu parallelisieren.

Die einfachste Variante ist die Parallelisierung auf Ebene des virtuellen Fahrversuchs. Sie bietet eine nahezu lineare Skalierung und ist ein geeigneter Ansatz für große Testkataloge und viele Testkilometer. Technisch kann dies auf verschiedene Weisen umgesetzt werden. Es ist sowohl möglich, auf einem Rechner mit mehreren CPU- oder GPU-Kernen parallele Berechnungen durchzuführen als auch innerhalb eines Netzwerks mehrere Rechner gleichzeitig einzusetzen oder dedizierte Rechencluster lokal oder in der Cloud zu verwenden.

Weiterhin ist es möglich, die innerhalb des Fahrversuchs berechneten Modelle zu parallelisieren – so wird der einzelne Versuch beschleunigt. Speziell die Verwendung von Rohsignalschnittstellen stellt hohe Anforderungen an die Rechenleistung, insbesondere an die GPU (Graphics Processing Unit). Die simulierte Umgebung muss detailliert modelliert und die einzelnen Oberflächen mit entsprechenden technologieabhängigen Materialeigenschaften ausgestattet sein. Bei der Simulation eines vollständigen Fahrzeugs mit detaillierten Sensormodellen, die beispielsweise rechenaufwändige Raytracing-Verfahren nutzen, kann nur durch die Verwendung mehrerer GPUs eine hohe Performanz bzw. die Echtzeitfähigkeit gewährleistet werden.

Lidar-Technik im Auto

 Der Einsatz von Lidar hat sich zu einem wichtigen Bestandteil autonomer Fahrzeuge entwickelt. Das Bild visualisiert, die mit Lidar die Umgebung des Fahrzeugs erkannt wird.
Der Einsatz von Lidar hat sich zu einem wichtigen Bestandteil autonomer Fahrzeuge entwickelt. Das Bild visualisiert, die mit Lidar die Umgebung des Fahrzeugs erkannt wird.
(Bild: Design Science Tech - stock.adobe.com)

Lidar steht für Light Detection and Ranging. Nutzen Sensoren diese Technik, tasten sie die Umgebung mithilfe von Laserstrahlen ab, um potenzielle Hindernisse und andere Verkehrsteilnehmer zu detektieren. Laserimpulse, die in einem bestimmten Muster ausgesandt werden, ermöglichen es, anhand der Laufzeit des reflektierten Laserlichts die exakten Distanzen zu entfernten Objekten zu ermitteln. Der Einsatz der Lidar-Technik hat sich dadurch zu einem wichtigen Bestandteil autonomer Fahrzeuge entwickelt, da diese Technik die übrigen gängigen Sensortechnologien sinnvoll ergänzen kann. Sie bietet beispielsweise eine hohe Auflösung und Reichweite sowie eine sehr hohe Genauigkeit bei der Messung von Abständen.

Nachteilig ist vor allem die starke Witterungsabhängigkeit. Diese Effekte sind bei der Modellierung entsprechend zu berücksichtigen. Das Lidar-RSI simuliert die Ausbreitung der Laserimpulse in der virtuellen Umgebung anhand von Raytracing. Für jeden Scanpunkt liefert es Informationen wie die Dauer, die Lichtintensität und die Echo-Pulsbreite. Für eine fehlerfreie Funktionsweise muss das Sensormodell dazu in der Lage sein, das ausgesandte Muster exakt abzubilden. Auch Effekte, die während der Strahlausbreitung auftreten – etwa Witterungseffekte, die Strahlaufweitung und verschiedene Effekte bei der Reflexion an Hindernissen – sind bei der Modellierung zu berücksichtigen.

Verschiedene Reflexionsarten im Vergleich

Die Interaktion von Lidar-Impulsen mit Hindernissen lässt sich in vier grundlegende Arten von Reflexionen einteilen:

  • Diffuse Reflexion: Die reflektierte Leuchtdichte ist homogen verteilt, also unabhängig von der Richtung des einfallenden Strahls (Lambertsche Reflexion). Die Intensität wird abhängig von Einfallswinkel des Lichts und Materialeigenschaften reduziert.
  • Retroreflexion: Der einfallende Strahl wird direkt in Richtung des Senders reflektiert. Die Intensität des reflektierten Lichts wird in Abhängigkeit von Reflexionsparametern und dem Einfallswinkel reduziert. Sie tritt hauptsächlich auf Verkehrsschildern und speziellen Reflektoren an Fahrzeugen auf.
  • Spiegelreflexion: Die einfallenden und reflektierten Strahlen bilden mit der Normale der reflektierenden Oberfläche gleiche Winkel. Einfallender Strahl, reflektierter Strahl und Oberflächennormale liegen in einer Ebene. Die Intensität wird in Abhängigkeit von Materialparametern abgeschwächt.
  • Transmission: Der einfallende Strahl behält seine Richtung und wird durch den Transmissionsgrad abgeschwächt. Unter sehr großen Einfallswinkeln tritt, abhängig vom reflektierenden Material, gegebenenfalls eine Totalreflexion auf. Sie gleicht der Spiegelreflexion.

Gegenüberstellung einer Verkehrssituation ...
Gegenüberstellung einer Verkehrssituation ...
(Bild: IPG Automotive)

und der dazugehörigen Lidar-Punktewolke.
und der dazugehörigen Lidar-Punktewolke.
(Bild: IPG Automotive)

Berücksichtigt man die genannten Effekte und Reflexionsarten, wird die Simulation der Lidar-Rohsignale realistischer, die im Anschluss zur Objektdetektion und Freiraumberechnung verwendet werden können. Die beiden Bilder zeigen die Gegenüberstellung einer Verkehrssituation und der Lidar-Punktewolke. Hohe Signalintensitäten sind gelb, geringe violett. Sichtbaren Effekte entstehen unter anderem durch starke Reflexionen von retroreflektiven Materialien bei Verkehrsschildern, eine erhöhte Intensität von Fahrspurmarkierungen, Verdeckungseffekte sowie transmissive Materialien bei Glasscheiben des kreuzenden Zugfahrzeuges.

Simulation als unverzichtbares Werkzeug

Für Automobilentwickler ist die Simulation ein unverzichtbarer Bestandteil, vor allem bei den Fahrerassistenzsystemen und den automatisierten Fahrfunktionen. Die Simulationsplattform CarMaker von IPG bietet verschiedene Sensormodellklassen für alle gängigen Sensortechniken, die unterschiedlich viel Rechenleistung benötigen. Insbesondere bei Rohsignalschnittstellen sind parallele Testabläufe aufgrund der hohen GPU-Anforderungen unverzichtbar – etwa durch parallele Berechnung oder High Performance Computing.

Das betrifft auch Lidar-Sensoren, die neben den übrigen Sensortechniken für automatisierte Fahrzeuge in sehr hohem Detailgrad in der Simulation für Entwicklung und Test zur Verfügung stehen und dazu beitragen, frühzeitig die Sicherheit der Systeme zu erhöhen.

Referenzen

[1] Höfer, A.: Verschiedene Sensormodelle für den virtuellen Fahrversuch, ELEKTRONIKPRAXIS, 9/2018, 2018
[2] Schmidt, S.: Gesamtfahrzeugsimulation auf High Performance Computern, ATZ extra Automotive Engineering Partners, 5/2018, 2018.

* Martin Herrmann ist Business Development Manager ADAS und Automated Driving bei IPG Automotive in Karlsruhe.

Artikelfiles und Artikellinks

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