Streit um Handel und Hightech-Patente EU verschärft Vorgehen gegen China bei der WTO
Die EU wirft China einmal mehr unzulässige Handelspraktiken vor. Jetzt sollen sich Schiedsgerichte der WTO um zwei für Europa besonders ärgerliche Fälle kümmern – darunter der Umgang mit Hightech-Patenten.

Die EU hat am Mittwoch bei der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO) das Einsetzen von WTO-Panels zur Regelung von zwei Handelsstreitigkeiten mit China beantragt. Hintergrund sind zum einen die Versuche Chinas, europäische Inhaber von Hightech-Patenten daran zu hindern, bei Gerichten in der EU ihre Rechte wirksam zu schützen und durchzusetzen. Zum anderen geht es um Handelsbeschränkungen, die Peking nach einem diplomatischen Streit rund um die Eröffnung einer taiwanischen Landesvertretung gegen das EU-Land Litauen im Dezember 2021 erlassen hatte. Diese richten sich gegen Ausfuhren aus Litauen und gegen Ausfuhren von Gütern mit litauischen Bestandteilen aus der EU.
Der Schaden, der für europäische Unternehmen aufgrund der von China verhängten Maßnahmen entsteht, ist in beiden Fällen enorm. Die diskriminierenden chinesischen Maßnahmen gegenüber Litauen beeinträchtigen ferner den Handel und die Lieferketten innerhalb der EU und wirken sich – unter anderem durch erzwungene Marktanpassungen – negativ auf das Funktionieren des EU-Binnenmarkts aus. Die Aufhebung dieser Maßnahmen liegt sowohl im wirtschaftlichen als auch im strategischen Interesse der EU, teilt die EU-Kommission mit.
Chinesische Prozessführungsverbote: „Maulkorb“ für Inhaber von Hightech-Patenten
Im August 2020 haben chinesische Gerichte damit begonnen, sogenannte Prozessführungsverbote auszusprechen. Damit sollen Unternehmen, die Hightech-Patente („standardessenzielle Patente“) besitzen, daran gehindert werden, zum wirksamen Schutz ihrer Technologien Gerichte außerhalb Chinas anzurufen – etwa Gerichte in der EU.
Von dem Patentstreit sind nach früheren Angaben aus der EU-Kommission insbesondere Telekommunikationsunternehmen wie Ericsson und Nokia betroffen, die Patente im Zusammenhang mit Mobilfunkstandards wie 5G halten. Patentinhaber, die außerhalb Chinas vor Gericht zögen, würden in China oft mit erheblichen Geldstrafen belegt, wodurch sie unter Druck gesetzt würden, sich mit Lizenzgebühren unter den marktüblichen Sätzen zufrieden zu geben, erklärte die Brüsseler Behörde Anfang des Jahres. So könnten bei Verstößen gegen das chinesische Prozessführungsverbot Geldstrafen in Höhe von 130.000 Euro pro Tag verhängt werden.
Günstigen Zugang zu europäischer Technologie erzwingen
Chinesische Hersteller haben ihrerseits das Einführen dieser Prozessführungsverbote gefordert. Über diesen Hebel können sie Patentinhaber dazu drängen, ihnen einen günstigeren Zugang zu europäischer Technologie zu gewähren. Diese chinesische Politik nimmt europäischen Technologieunternehmen aus Sicht Brüssels de facto die Möglichkeit, ihre Patentrechte innerhalb der EU oder vor einem anderen Gericht außerhalb Chinas auszuüben und durchzusetzen. Das ist insofern bedenklich, da diese Patente nicht nur den Unternehmen, sondern letztlich auch der EU einen technologischen Vorsprung verschaffen. Daher ist die EU-Kommission der Ansicht, dass bei Fragen zu EU-Patentrechten Gerichte der EU entscheiden sollten.
Die EU ist der Auffassung, dass die chinesischen Maßnahmen nicht mit dem WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Übereinkommen) vereinbar sind und macht klar: „Mit diesen Prozessführungsverboten begünstigt China die eigenen Unternehmen einseitig, was sich nachteilig auf das multilaterale System der WTO zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums auswirkt.“ Der Weg über das WTO-Panel soll nun sicherstellen, dass die Hightech-Industrie in der EU ihre Patentrechte wirksam wahrnehmen kann, um Investitionen in Innovationen zu schützen.
Handel zwischen Litauen und China: Rückgang um 80 Prozent
Auch in dem anderen anhängigen Fall hält sich China nach Ansicht der EU ebenfalls nicht an die Regeln der WTO. Seit Dezember 2021 wendet China gegen Ausfuhren aus Litauen sowie bei Ausfuhren von EU-Waren mit litauischen Bestandteilen diskriminierende Maßnahmen und auch Zwangsmaßnahmen an. Dementsprechend wurden Einfuhren aus Litauen von den chinesischen Zollbehörden abgewiesen, Einfuhrbeschränkungen für multinationale Unternehmen, die Inputs aus Litauen nutzen, eingeführt und die chinesischen Ausfuhren nach Litauen reduziert.
„China animiert multinationale Unternehmen dazu, auf die Verwendung litauischer Komponenten bei ihrer Produktion zu verzichten, da sie ansonsten Einfuhrbeschränkungen ausgesetzt sein könnten“, erklärte der zuständige EU-Kommissar Valdis Dombrovskis bereits im Januar.
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Damit nicht genug: Im Rahmen derselben Maßnahmen hat China unerwartet die Einfuhr von Alkohol, Rindfleisch, Milchprodukten, Holzstämmen und Torf aus Litauen vollkommen verboten und hierfür pflanzenschutzrechtliche Gründe angeführt. Um eine Stellungnahme gebeten, konnte China nicht belegen, dass diese Verbote gerechtfertigt waren. Doch sie haben eine erhebliche Wirkung: Aus den chinesischen Zollstatistiken geht hervor, dass der Handel zwischen Litauen und China zwischen Januar und Oktober 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent zurückgegangen ist.
Der Grund für das chinesische Vorgehen liegt auf der Hand: Das Riesenreich ist vergrätzt, dass Litauen seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan trotz Protesten aus China ausgebaut hat. Letztlich hat Taiwan in der litauischen Hauptstadt Vilnius eine Repräsentanz unter eigenem Namen eröffnet. China reagierte darauf erbost, weil es das demokratische Taiwan als abtrünnige Provinz und nicht als unabhängigen Staat ansieht.
Durch die Beantragung der Einsetzung eines WTO-Panels will die EU ihre Mitgliedstaaten gegen die diskriminierenden Maßnahmen Chinas verteidigen, die nach Auffassung der EU klar gegen die weltweit geltenden WTO-Regeln verstoßen.
Nächste Schritte
Das WTO-Streitbeilegungsgremium („Panel“) wird den Antrag der EU auf seiner nächsten Sitzung am 20. Dezember 2022 erörtern. China kann die Einsetzung eines Panels einmal ablehnen. In diesem Fall will die EU ihren Antrag erneuern. Dann würde das Panel auf der Sitzung des Gremiums am 30. Januar 2023 eingesetzt. Panelverfahren können bis zu anderthalb Jahre dauern. (me)
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Mit Material von dpa, EU-Kommission
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