Erster rein optischer Transistor arbeitet bei Raumtemperatur
Ein Team von Forschern von IBM Research Zürich und Skoltech hat den weltweit ersten rein optischen Transistor gebaut, der bei Zimmertemperatur betrieben werden kann. Er bietet schnelle Schaltzeiten und lässt sich flexibel einsetzen.
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Computer sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ihre Leistungsfähigkeit wird vor allem durch riesige Datenmengen getrieben. Aber auch Techniken wie Künstliche Intelligenz setzen leistungsstarke Rechner voraus. Zwei der wichtigsten Säulen eines modernen Computers sind elektronische Transistoren und die von-Neumann-Computerarchitektur. Während die von-Neumann-Architektur die physikalische Trennung von Aufgaben wie Speicherung und Verarbeitung etablierte, sind Transistoren die grundlegenden Bausteine moderner Computer. Indem immer mehr Transistoren auf immer kleineren Chips Platz finden, haben beispielsweise aktuelle Smartphones eine um Größenordnungen größere Rechenleistung als die großen Rechner, welche die NASA einsetzte, um die ersten Menschen auf den Mond zu bringen.
In den letzten Jahren gab es eine Renaissance des Interesses an radikal neuartigen Komponenten und Architekturen. Die Zukunft leistungsstarker Rechnersysteme umfasst KI-angepasste Hardware, In-Memory, Analog- und Quantum-Computing. Bei IBM werden solche Entwicklungen seit vielen Jahren erforscht mit dem Ziel, die physikalischen Grundlagen künftiger IT-Techniken zu erarbeiten.
Organisch halbleitendes Polymer
Einem Team im IBM Research Lab in Zürich ist es gemeinsam mit dem Forschungslabor von Prof. Pavlos Lagoudakis am Skolkovo Institute of Science and Technology und der Universität Southampton (eine Zusammenarbeit im Rahmen des europäischen Trainingsnetzwerks SYNCHRONICS) gelungen, den ersten kaskadierbaren, volloptischen Transistor für den Betrieb bei Raumtemperatur zu realisieren. Gelungen ist das, weil das Team Materialeigenschaften eines organischen halbleitenden Polymers genutzt hat. Basierend auf diesem Material wurde eine Mikroresonator entwickelt, in dem ein ankommendes optisches Signal (ein Laserstrahl) ein- und ausgeschaltet oder durch einen anderen Laserstrahl verstärkt werden kann.
Mit rein optischen Komponenten, die Informationen allein mit Licht manipulieren, könnten viel schnellere Schalt- und Logikvorgänge ermöglichen und Bausteine für neue Anwendungen wie das Routing von „fliegenden Qubits“ zur Quantenkommunikation/-transduktion oder „Blind Quantum Computing“ liefern. Aber solche volloptischen Komponenten sind sehr schwierig zu bauen. Es gab in der Tat seit etwa 50 Jahren Bemühungen, rein optische Computer herzustellen.
Organischer Polariton-Transistor
Damit ein optisches Signal mit einem anderen optischen Signal geschaltet werden kann oder zu verstärken, ist ein Material notwendig, das die Wechselwirkung vermittelt. Es liegt in der Quantennatur von Lichtteilchen (Photonen), dass sie im Vakuum nicht miteinander interagieren. Im neu entwickelten optischen Transistor erfolgt die Wechselwirkung durch Quasiteilchen, die als Exziton-Polaritonen bezeichnet werden. Sie entstehen in einem organischen Halbleiter wie etwa methylsubstituiertes Leiterpoly-[paraphenylen] oder MeLPPP), das Prof. Ullrich Scherf an der Universität Wuppertal herstellt. Die Studienautoren haben eine Schicht MeLPPP mit einer Dicke von 35 nm zwischen zwei hochreflektierende Spiegel gelegt, um einen optischen Resonator zu bilden, in dem Exziton-Polaritonen mit einem Laser erzeugt wurden. Ein Exziton-Polariton besteht aus der Superposition eines Exzitons (ein Elektron-Loch-Paar) und eines Photons. Der neue Transistor gehört also in die Kategorie der organischen Polariton-Transistoren.
Der volloptische Transistor arbeitet bei Raumtemperatur und bietet eine 6500-fache optische Signalverstärkung mit einer Bauteillänge von nur wenigen Mikrometern. Das ist 330-mal größer als die Verstärkung, die durch das beste anorganische Pendant erreicht wird. Damit erreichen die Forscher die notwendige Kaskadierbarkeit, um den Transistor in Logikgatter einzusetzen. In Experimenten zeigte die Resonatorstruktur auch die höchste jemals für einen optischen Transistor beobachtete optische Nettoverstärkung von rund 10 dB pro Mikrometer.
Schnelle Schaltgeschwindigkeit und flexibler Einsatz
Darüber hinaus lässt sich der Transistor ultraschnell schalten (Sub-Picosekunden-Bereich), was ihn in Bezug auf die Multi-Terahertz-Schaltgeschwindigkeit mit einigen früheren rein optischen Geräten vergleichbar macht, mit dem zusätzlichen Vorteil, dass der Betrieb des Transistors keinen Tieftemperatur-Kryostaten erfordert.
Wichtig ist zudem, dass der organische Polaritonentransistor eine weitere Einschränkung beseitigt, die in seinen anorganischen Gegenstücken vorhanden ist und für praktische Zwecke relevant ist. In anorganischen Polaritonen-Mikroresonatoren muss der Pumplaser, mit dem die Transistorfunktion ausgelöst wird, unter ganz bestimmten Winkeln auf das Bauteil ausgerichtet sein. Der organische Transistor gibt es keine spezifischen Anforderungen an den Winkel des Pumplasers, was eine viel größere Flexibilität in der Geometrie ermöglicht und das Pigtailing, also das Anschließen von Glasfaserkabeln an das optische Bauteil oder das Erstellen integrierter planarer Schaltungen ermöglicht.
Die Schaltzeiten bewegen sich im Bereich von Sub-Pikosekunden und wurden erreicht, indem ultraschnelle Exzitonen-Relaxationsdynamik, die organischen Halbleitern eigen ist, und der Sub-Pikosekunden-Zerfallszeit innerhalb der Mikrokavität kombiniert wurden. Im verwendeten Aufbau bildete der Pumpstrahl den Adresszustand, der durch den weiteren Kontrollstrahl gesteuert wurde. Bei einer Schaltenergie des Steuerstrahls von 1 pJ wurde ein maximales Auslöschungsverhältnis (bestimmt als Intensitätsverhältnis zwischen dem Zustand 1 und 0) von 17 dB erreicht. Die Reaktionszeit für das Schalten zwischen den beiden logischen Zuständen betrug etwa 500 Femtosekunden.
Originalpublikation:
A room-temperature organic polariton transistor, Anton V. Zasedatelev, Anton V. Baranikov, Darius Urbonas, Fabio Scafirimuto, Ullrich Scherf, Thilo Stöferle, Rainer F. Mahrt & Pavlos G. Lagoudakis, Nature Photonics, volume 13, pages 378–383 (2019)
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