Mainstream-ICs für Nischenmärkte Drittgrößte chinesische Foundry geht an die Börse

Von Henrik Bork

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Mit dem voraussichtlich bislang größten IPO 2022 geht die Wafer-Foundry Nexchip an die Shanghaier Börse. Ihr Rezept ist nicht Highend-Prozesstechnik, sondern Mainstream für wachstumsstarke Nischen. Das Beispiel zeigt, wie Chinas Strategen den Chipmangel gezielt ausnutzen.

Die Corona-Pandemie hat ganze Arbeitswelten im Zeitraffer verändert. Homeoffice ist plötzlich selbst verständlich. Das hat den Absatz von Notebooks, Tablets und Bildschirmen angetrieben. In vielen Produkten stecken Display-Treiber-Chips von Nexchip.
Die Corona-Pandemie hat ganze Arbeitswelten im Zeitraffer verändert. Homeoffice ist plötzlich selbst verständlich. Das hat den Absatz von Notebooks, Tablets und Bildschirmen angetrieben. In vielen Produkten stecken Display-Treiber-Chips von Nexchip.
(Bild: gemeinfrei / Pixabay)

China nutzt den Chipmangel gezielt, um seine heimische Halbleiterindustrie aufzubauen. Ein Beispiel ist der kürzlich genehmigte Börsengang des chinesischen Herstellers „Nexchip“ in Shanghai: Man hofft dort auf 9,5 Milliarden Yuan (rund 1,4 Milliarden Euro) an frischem Kapital, mit dem die drittgrößte chinesische Wafer-Foundry nach SMIC und Hua Hong Semiconductor ihren Expansionskurs beschleunigen will.

Nexchip ist ein Gemeinschaftsunternehmen von „Power Semiconductor Manufacturing“ aus Taiwan und der sehr umtriebigen Stadtregierung von Hefei in Zentralchina. Der Börsengang am „Science and Technology Innovation Board“ der Shanghaier Börse ist immerhin der bislang größte in diesem Jahr.

Lehrbeispiel: So arbeiten Planungsbehörden und Firmen Hand in Hand

Der Aufstieg von Nexchip ist auf mehreren Ebenen ein Lehrbeispiel dafür, wie Chinas Planungsbehörden und Unternehmen gemeinsam den globalen Chipmangel durch gute kommerzielle Taktik und industriepolitische Strategien für ihre Ziele zu nutzen verstehen.

Weder technologisch noch von der Produktpalette oder dem Geschäftsvolumen her kann Nexchip den Platzhirschen unter den chinesischen Chip-Herstellern, der „Semiconductor Manufacturing International Corporation“ (SMIC) und Hua Hong Semiconductor, beide in Shanghai, bislang das Wasser reichen. Doch wenn es um die Gunst der Stunde und ihre erfolgreiche Nutzung geht, ist das Unternehmen aus der Provinz Anhui schon jetzt ein echter Champion.

Corona hat Nachfrage nach DDICs explodieren lassen

Die Chance, die Nexchip gerade nutzt, bis hin zum IPO, hat mit dem Wachstum der globalen „Home Economy“ in der Folge von Corona-Lockdowns und Quarantäne-Bestimmungen in unzähligen Ländern begonnen. Die gestiegene Nachfrage nach Elektronik hat die Nachfrage nach Displays steigen lassen - für Computer, iPads, Handys und mehr. Damit wiederum ist auch der Markt für „Display-Treiber-IC“ (kurz DDIC für Display Driver Integrated Circuit) sprunghaft gewachsen.

Nexchip hatte sich schon vor der Pandemie konsequent auf diese Nische gestürzt. Seit den Corona-Lockdowns und häufigen Quarantänewochen aber, die Millionen von Menschen ins „Home Office“ gezwungen haben, schnellen nicht nur die Preise für die Treiber-Chips, sondern auch die Profite von Nexchip in Hefei in die Höhe.

Die Bruttogewinnmarge verbesserte sich aus negativem Territorium auf ein Plus von 45,13%. In der ersten Jahreshälfte 2021 konnte Nexchip „Verluste in Profite verwandeln und die Profite summierten sich auf 122 Millionen Yuan (rund 17,6 Millionen Euro)“, berichtet das chinesische Fachportal Jiemian.

DDICs für LCD: Nische in der Nische gefunden

Nexchip hat sich dabei auf DDIC für LCD-Bildschirme konzentriert, die das Unternehmen mit Prozessen von 150 bis 90 nm herstellt. Seit drei Jahren macht das Unternehmen damit etwa 90% seines Umsatzes, während sich größere Foundries lieber auf Produkte mit höheren Profitmargen konzentrierten. Die technisch anspruchsvolleren Treiber-Chips für OLED-Bildschirmen kommen – noch – fast ausschließlich aus Taiwan und Südkorea.

Aber auch mit der momentan dominierenden Technologie kann man offensichtlich ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen und schnell skalieren. „Nexchip hat vom Chipmangel profitiert, indem es sich an eine Fabrik für Displays gekoppelt hat und sein Geschäftsergebnis hat sich in der Folge deutlich verbessert,“, schreibt Jiemian. Die Display-Fabrik, von der hier die Rede ist, heißt BOE, ebenfalls in Hefei beheimatet.

Zulieferer und Weiterverarbeiter an einem Standort

Hier zeigt sich die strategische Finesse der Wirtschaftsplaner aus der Kommunistischen Partei Chinas. Die Stadtregierung von Hefei hatte nicht nur BOE bei seinem Feldzug zur schrittweisen Eroberung des Display-Marktes unter die Arme gegriffen, sondern verfolge darüber hinaus die „Strategie der Integration eines Chipherstellers mit der lokalen Display-Industrie, in der Hoffnung auf Synergie-Effekte“, analysiert Jiemian. Institutionelle Investoren der kommunistischen Lokalregierung investieren nun sowohl in BOE als auch in Nexchip.

Die erhofften Synergien zeigen sich offenbar, wenn man einen Chip-Zulieferer wie Nexchip am selben Standort wachsen lässt. DDIC dient in dieser Strategie also als „Entry Point“ für die Entwicklung einer heimischen Halbleiterindustrie.

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Prozesstechnologie für Wachstum zweitrangig

Die Technologie des Unternehmens mag noch nicht ganz auf der Höhe der Zeit sein. 55-nm-Prozesse befinden sich bei Nexchip noch im Verifikations-Stadium, während SMIC oder TSMC aus Taiwan schon bei 14 nm beziehungsweise 5 nm angekommen sind. Doch was noch nicht ist, kann ja noch werden. Chinas Planer denken stets langfristig.

Egal ob diese Strategie einer gezielten industriepolitischen Förderung langfristig aufgehen wird oder nicht (und vieles spricht aus heutiger Perspektive dafür), kurz- und mittelfristig muss in Hefei bestimmt niemand darunter leiden. Seit Beginn der Corona-Epidemie ist der globale Markt für DDIC zuletzt mit einer jährlichen Wachstumsrate von mehr als 50% gewachsen, auf umgerechnet rund 12,7 Milliarden Euro im Jahr 2021. DDIC werden zunehmend zu einem wichtigen Segment der globalen IC-Industrie, mit hohen Wachstumsprognosen auch für die kommenden Jahre.

* Henrik Bork ist Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen in Peking.

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