Meilensteine der Elektronik Der erste Taschenrechner – Der Cal Tech von Texas Instruments
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Statt eines Displays druckte er Ergebnisse auf einen Papierstreifen, doch er läutete das Zeitalter Chip-basierter Elektronik ein: Am 29. März 1967 präsentierte Texas Instruments (TI) mit "Cal Tech" den weltweit ersten Taschenrechner.

Im heutigen Zeitalter der Embedded Systeme und des Internet der Dinge gibt es kaum ein Produkt, das nicht mit einem Chip ausgestattet ist. In den 60er Jahren war das noch vollkommen anders: Zwar war bereits 1958 der erste integrierte Schaltkreis (auch IC genannt, für integrated curcuit) erfunden worden, doch kaum ein Hersteller konnte sich vorstellen, ein Produkt mit einem solchen kleinen Chip auszustatten. Dioden, Widerstände und Transistoren – selbst gerade erst seit wenigen Jahren erhältlich – waren leicht im Umgang und günstig zu beschaffen. Wenige Elektronikentwickler sahen einen Vorteil darin, einen teuren und komplizierten IC zu verbauen. Miniaturisierung – ein Begriff, dass auch heute noch die Systementwicklung treibt – war vor 50 Jahren noch weitgehend ein Fremdwort in der Elektronik.
Ein Produkt, um die Industrie vom Chip zu überzeugen
Pat Haggerty, in jenen Tagen Präsident von Texas Instruments, wollte das ändern. Seine Firma war eine der ersten, die einen Integrierten Schaltkreis entwickelt hatte. Doch für den umgangssprachlich auch „Mikrochip“ genannten Baustein fanden sich wenig Käufer. Haggerty wollte ein Produkt, mit dem sich eindrucksvoll der Nutzen eines solchen IC demonstrieren lassen konnte – ähnlich, wie es Texas Instruments 1954 schon mit dem Transistorradio eben für Transistoren gelungen war.
Anfang der 60er Jahre waren die ersten „voll-elektronischen Rechner“ aufgekommen – Maschinen, die ohne mechanische Elemente addieren, subtrahieren, dividieren und multiplizieren konnten. In einer Zeit, in denen ein einzelner Computer noch die Ausmaße mehrerer Kühlschränke hatte, waren diese ersten Rechner nur verhältnismäßig „leicht“ (zwischen 15 und 25 Kilogramm) und „kompakt“ in dem Sinne, als dass sie auf einem Schreibtisch platziert werden konnten. Betrieben wurden sie meist mit Hilfe von Vakuumröhren.
Erst ab 1964 erschienen Transistoren-basierte Tischrechner auf dem Weltmarkt. Da diese Geräte aber immer noch schwer und unhandlich waren, kamen Pat Haggerty und Jack Kilby, einer der Erfinder des ersten Integrierten Schaltkreises, auf die Idee, einen praktischeren, Chip-basierten Taschenrechner zu entwickeln.
Eine Komplexität von "astronomischen" Ausmaßen
Zusammen mit den Ingenieuren Jim Van Tassel und Jerry Merryman wurde Jack Kilby darauf angesetzt, einen funktionierenden Prototypen eines handlichen Taschenrechners zu produzieren. Wie sich Merryman 40 Jahre später in einem Radiointerview erinnerte, zählte das Testen der Funktionalitäten zu den schwierigsten Aufgaben der Entwickler.
Ein regulärer IC hatte 1965 etwa 20 Transistoren, die mit 14-16 Drähten verbunden waren; die möglichen Kombinationen zu testen war noch überschaubar. Doch der von TI für dieses Projekt entwickelte Chip hatte bereits einige Tausend Transistoren integriert und besaß bis zu 120 I/O-Verbindungen. Insgesamt verfügte der Taschenrechner über 6000 Transistorfunktionen. Die Entwickler mussten sich erstmals mit der für damalige Verhältnisse astronomischen Zahl an möglichen Input-Output-Kombinationen auseinandersetzen
Zu verifizieren, dass jedes einzelne entwickelte Teil des Taschenrechners auch wirklich die Aufgabe erfüllte, für die es gedacht war, war daher eine mühselige, zeitaufwändige Angelegenheit. Um damit zurechtzukommen fertigten die Entwickler zu Testzwecken eine Breadboard-Version des Taschenrechners. Dieses umfasste schließlich einen zweistufigen, knapp 1,80 Meter langen Tisch, damit jede einzelne Verbindung, die später der Mikrochip übernehmen sollte, genau in Augenschein genommen werden konnte.
Auf eine LCD- oder LED-Anzeige mussten die Entwickler des Cal Tech ebenfalls zunächst verzichten: Die Technologie war noch nicht so weit. „Man hat zwar 1965 schon versucht LEDs herzustellen, aber [damals] erzeugten diese nur infrarotes Licht. Man konnte es also nicht sehen.“ sagte der Miterfinder Jerry Merryman 2007 etwas amüsiert in einem Radiointerview. „Wir hielten das für einen Nachteil.“
Stattdessen verwendete der Cal Tech einen kleinen Thermodrucker, der die Kalkulationen auf einem Papierstreifen ausgab – auf diese Weise konnten einzelne Rechnungen in gewissem Maße auch für die Nachwelt „gespeichert“ werden. Für die einzelnen Additions-, Subtraktions-, Multiplikations- und Divisionsberechnungen konnten neben dem Operanden jeweils sechs Ziffern eingegeben werden. Für die Ausgabe war eine Zahl von bis zu 12 Stellen möglich. Der Thermodrucker war in der Lage, bis zu 12 Zeichen pro Sekunde auszugeben – das Ergebnis einer maximal möglichen Rechnung war also innerhalb von einer Sekunde verfügbar.
Eine Offenbarung in Sachen Miniaturisierung
In Sachen Größe und Gewicht war der Cal Tech für seine Zeit eine regelrechte Offenbarung: Der batteriebetriebene Taschenrechner kam mit vier ICs aus, war 4,25 x 6,15 x 1,75 Inches (ca. 10,8 x 15,6 x 4,5 cm) groß und wog gerade einmal 45 Unzen (1275 Gramm). Am 29. März 1967 konnten Kilby, Van Tassel und Merryman TI-Präsident Pat Haggerty den ersten voll funktionsfähigen Cal Tech präsentieren.
Mit diesem Prototypen eines Taschenrechners fiel es Texas Instruments nun deutlich leichter, Elektronikentwickler von der Nützlichkeit eines Integrierten Schaltkreises zu überzeugen. Der japanische Elektronikhersteller Canon war eines der ersten Unternehmen, das ab 1970 chipbasierte Taschenrechner auf dem Weltmarkt präsentierte; zahlreiche weitere sollten folgen. Das Mikrochip-Zeitalter hatte offiziell begonnen.
Die Taschenrechner-Entwicklung setzt sich weiter fort
Erst 1972 beschloss das Unternehmen, auch selbst mit eigenen Modellen auf dem Weltmarkt aufzutreten. Mit dem Ein-Chip-Modell TI-2500 „Datamath“ begann ab Juli des Jahres auch die kommerzielle Erfolgsstrecke der Taschenrechner von Texas Instruments. Seitdem schreitet die technischer Weiterentwicklung der Geräte stetig voran.
Die LED-Anzeige wurde zunächst durch ein sparsameres LED-Display ersetzt, dass mehr Möglichkeiten bot - etwa zur Darstellung von Graphen. Seit den 80er Jahren sorgen in die Geräte integrierte Solarzellen für eine erheblich längere Lebensdauer der Taschenrechner-Batterien.
Vor allem im schulischen und universitären Umfeld sind die seit 1999 erhältlichen, mit Flash ROM ausgestatteten und programmierbaren grafischen Taschenrechner noch immer weit verbreitet. Und mittlerweile bieten die Handgeräte sogar hochauflösende, hintergrundbeleuchtete Displays in Farbe, um die Darstellungsmöglichkeiten weiter zu unterstützen – beispielsweise für die räumliche, farblich unterscheidbare Darstellung von Skalen und Graphen.
Auch die zunehmende digitale Mediennutzung hat sich inzwischen auf die weitere Entwicklung von Taschenrechnern ausgewirkt. Die TI-Nspire Technologie von Texas Instruments ist etwa ein Beispiel für eine plattformübergreifende Lösung, die als eigenständiger graphischer Taschenrechner, als Anwendung für den PC (Win/Mac) und als Tablet-App (Win/iPad) erhätlich ist.
Diese jüngste Generation zeigt, dass die Rechenwerkzeuge nicht mehr ausschließlich als technisches Hilfsmittel für den Matheunterricht oder Denkhilfe fürs schnelle Rechnen ausgelegt sind, sondern sich zunehmend für den weiterführenden praxisorientierten Einsatz im technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich eignen.
Im Januar 2017 hat Texas Instruments ein weiteres Feld für den Taschenrechnereinsatz erschlossen. Das TI Innovator Hub bietet Schulen eine Lösung für den Einsatz in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, den sogenannten MINT-Fächern. Dabei handelt es sich um ein an moderne TI-Taschenrechner andockbares Entwicklungssystem, das darauf ausgelegt ist, Schülern den Einstieg in das Erlernen von Elektronik- und Programmierkenntnissen zu erleichtern.
Eine Zeitleiste von Texas Instruments' Meilensteinen in 50 Jahren Taschenrechnergeschichte finden Sie in der Bildergalerie zu diesem Artikel.
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