Chipmangel verändert Wettbewerb Chinas Autokonzerne wollen SiC-Chips verstärkt selbst bauen

Von Henrik Bork

Chinas Autofirmen investieren immer häufiger in eine eigene Halbleiter-Produktion. So wollen sie Versorgungsengpässen und langfristig auch der rasant steigenden Nachfrage nach Siliziumkarbid-(SiC)-Chips begegnen.

Autohersteller steigen zunehmend auf Hochvoltsysteme mit 800 V und mehr um. SiC-Halbleiter spielen dabei eine wichtige Rolle  sowohl in E-Autos als auch in der Ladeinfrastruktur.
Autohersteller steigen zunehmend auf Hochvoltsysteme mit 800 V und mehr um. SiC-Halbleiter spielen dabei eine wichtige Rolle sowohl in E-Autos als auch in der Ladeinfrastruktur.
(Bild: Clipdealer)

Das jüngste Beispiel für diesen Trend ist das neu gegründete Joint-Venture zwischen Li Auto und Sanan Optoelectronics, das seit dem 23. März mit einem registrierten Kapital von umgerechnet rund 44 Millionen Euro auf der Daten-Plattform Tianyancha gemeldet ist. Das neue Joint-Venture gehört anteilig der „Beijing CHJ Automotive Technology Co. Ltd.“, einer Zweigfirma von Li Auto und dem SiC-Chip-Produzenten „Hunan Sanan Semiconductor Co. Ltd.”, einem Tochterunternehmen des LED-Chip-Produzenten Sanan Optoelectronics. Einer Regierungswebseite zufolge soll die Li-Auto-Tochter 70% der Anteile an dem neuen Chiphersteller halten. Li Auto folgt damit den E-Auto-Herstellern BYD, NIO und XPeng, die schon früher in der einen oder anderen Form in eine eigene Produktion von SiC-Chips investiert haben.

Seit Tesla sie zuerst in seinem „Model 3“ verbaut hat, gelten die neuen Power-Halbleiter aus Siliziumkarbid als Chips der Zukunft. Denn wegen ihrer besseren Energie-Effizienz können sie die Batterieleistung und damit die Reichweite von Elektroautos steigern. In der Zukunft, so glauben die Beobachter der Industrie in China, werden SiC-Chips für E-Autos zum neuen Standard werden.

SiC-Chips nicht mehr nur für die Premiumklasse

Das gilt wohl nicht nur für teure Modelle der Premiumklasse, so wie es momentan noch ist, sondern für alle E-Autos. Der Einsatz der momentan noch vorherrschenden IGBT-Chips (Insulated-Gate-Bipolar-Transistor) werde immer weiter zurückgehen, sagen die Marktbeobachter. Li Auto will sich mit der Gründung des neuen Gemeinschaftsunternehmens offenbar langfristig den Zugang zur einer Schlüsselkomponente sichern, die künftig über den Erfolg oder Misserfolg von Herstellern im Bereich der E-Mobilität entscheiden könnte.

Ein Grund für den Siegeszug der neuen Chips ist der allmähliche Umstieg der Autoindustrie von Antriebssträngen mit Spannungen von rund 400 Volt auf solche mit 800 Volt – oder sogar mehr. SiC-Chips kommen damit besser klar. Sie werden daher nicht nur immer häufiger in E-Autos aller Preisklassen verbaut, sondern kommen auch in Schnell-Lade-Plattformen zum Einsatz, wie etwa denen von Xpeng.

Trend zur vertikalen Integration

Neben diesem technologischen Trend symbolisiert das neue Gemeinschaftsunternehmen von Li Auto und dem Chip-Hersteller aber auch einen weiteren: den der vertikalen Integration der Chipherstellung in der chinesischen Autoindustrie. „Es wird zu einem generellen Trend, dass Autokonzerne und wichtige Zulieferer von Komponenten enger miteinander verknüpft sind“, schreibt etwa das chinesische Fachmedium Weike Wang in einer Analyse.

Auch das in letzter Zeit sehr erfolgreiche E-Auto-Startup NIO hat in die eigene Forschung & Entwicklung von SiC-Chips investiert. Im vergangenen Juni gab das Unternehmen bekannt, das erste selbst entwickelte elektrische Antriebssystem mit SiC-Chips für sein Modell ET7 in Serie zu produzieren. Sie komme besonders im Motor-Controller zum Einsatz, wo Gleich- in Wechselspannung umgewandelt wird, hieß es damals.

SiC-Antriebs- und Steuerungschips für E-Autos

Der NIO-Konkurrent Xpeng wiederum finanziert neuerdings als strategischer Investor das chinesische Startup InventChip Technology in Shanghai, das sich auf SiC-Chips spezialisiert – insbesondere auf Antriebs- und Steuerungschips für E-Autos. InventChip ist das erste Unternehmen in China, das selbst entwickelte MOSFET-Produkte und Prozess-Plattformen auf 6-Inch-Wafern produziert.

Auch traditionelle Autohersteller in China, die ihre Produktpalette momentan mehr oder weniger schnell elektrifizieren, investieren in die Halbleiter-Produktion. BYD, das sich kürzlich schon komplett vom Bau von Autos mit Verbrennungsmotor verabschiedet hat, hatte als erster mit seiner Unternehmenstochter BYD Semiconductor mit der Serienproduktion von SiC-Chips begonnen.

Experten: Bedeutung von SiC wird zunehmen

SAIC hat gemeinsam mit Xpeng in den SIC-Hersteller SICC investiert. Great Wall Motor (GWM) ist an Synlight Crystal beteiligt und hat sich außerdem an dem KI-Chip-Hersteller Horizon Robotics beteiligt. Viridi E-mobility, eine Tochter von Geely, hat ein Gemeinschaftsunternehmen zur Halbleiterproduktion mit Acco Power und Xinhe Bot gegründet. Dongfeng, das besonders bei Nutzfahrzeugen stark ist, hat sich an Wuxi Huaxin beteiligt.

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Und nicht nur in der Autoindustrie, auch für andere Zukunftstechnologien werden zunehmend SiC-Chips gebraucht. So sagte beispielsweise der chinesische Tech-Konzern Huawei in seinem Bericht „Digital Power 2030“ voraus, dass die Marktpenetration von SiC-Halbleitern in der Photovoltaik von derzeit 2% auf mehr als 70% steigen werde. Huawei hat auch gemeinsam mit NIO und Changan in ein Gemeinschaftsunternehmen zur Chip-Herstellung namens Avatr Technology (früher “Changan NIO” genannt) investiert.

* Henrik Bork ist Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen in Peking.

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