Technologiekonflikt verschärft sich Peking schließt US-Speicherhersteller Micron vom Markt aus
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China zieht durch: Nach einer allem Anschein nach politisch motivierten Untersuchung verliert der US-amerikanische Speicherhersteller Micron de facto seinen Zugang zum chinesischen Markt. Der bislang einzigartige Vorgang gegen den weltweit viergrößten Chiphersteller darf als Warnschuss gegen weitere Technologie-Boykotte gewertet werden.

Das war erwartbar: Nachdem die Cyberspace Administration of China (CAC) am 31. März bekannt gegeben hatte, dass sie eine „Untersuchung zur Cybersecurity“ gegen die Niederlassung von Micron in China angestrengt hat, folgt nun der nächste Schritt auf der Eskalationsleiter: China verbietet den Einsatz von Speicherprodukten des US-Herstellers Micron „wegen schwerwiegender Cybersicherheitsrisiken“. Dazu zählen Produkte wie DRAM- und NAND-Flash-Speicherchips und -module sowie Solid-State-Laufwerke (SSD). Nach Aussagen des CAC stellen die Produkte gar „eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar“, berichtet die Zeitung „South China Morning Post“ (SCMP). Welche Produkte im Einzelnen betroffen sind und nach welchen Methoden die Untersuchung erfolgte, hat das CAC – genauer: das „Cyber Security Review Office“ – bislang nicht preisgegeben.
Die angestrengte Untersuchung zielte offiziell darauf ab, „zentrale Aspekte der Sicherheit der Informations-Infrastruktur-Lieferketten” zu gewährleisten, hieß es in einer kurzen Stellungnahme der obersten chinesischen Aufsichtsbehörde für Cybersecurity. Nun ist der US-amerikanische Chiphersteller – einer der größten Produzenten von NAND-Flash-Speichern – bei der Überprüfung der Cybersicherheit aus chinesischer Sicht durchgefallen und darf seine Produkte nicht mehr an die Betreiber kritischer Informationsinfrastrukturen in China verkaufen. Wie weit diese Definition dehnbar ist, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Anscheinend politisch motivierter Vorgang
Branchenbeobachter gehen davon aus, dass der Vorgang politisch motiviert ist: China reagiert damit auf die stetig weiter angezogenen Daumenschrauben durch die US-Handelssanktionen. Die Entscheidung wird Micron auf einen Schlag einen Markt kosten, der im Jahr 2022 etwa 11 Prozent seines Gesamtumsatzes in Höhe von 30,8 Milliarden US-Dollar ausmachte. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Bloomberg zählen Konzerne wie Lenovo, Xiaomi, Inspur Electronics Information, ZTE, Coolpad, China Electronics Corp und Oppo zu den wichtigsten Kunden von Micron in China.
Die Vorschriften für kritische Informationsinfrastrukturen in China sind laut SCMP umfangreich und betreffen zahlreiche Sektoren, die als entscheidend für die nationale Sicherheit und die Lebensgrundlage der Menschen gelten, darunter Sektoren von öffentlichem Interesse wie Kommunikations- und Informationsdienste, Energie, Verkehr, Wasserressourcen und Finanzen. Zu den Betreibern derartiger kritischer Infrastrukturen zählt demnach ein breites Spektrum von Banken über Telekommunikationsprovidern bis hin Wasserversorgern.
US-Handelsministerium lehnt „Restriktionen, die keine Grundlage haben, entschieden ab“
Mit seiner Vergeltungsmaßnahme zieht Peking erwartungsgemäß den Unmut des US-Handelsministerium auf sich: In einer Stellungnahme erklärte dieses, es lehne „Restriktionen, die keine Grundlage haben, entschieden ab“ und bezeichnete die Micron-Entscheidung und die jüngsten „Razzien und Angriffe auf andere amerikanische Firmen“ als unvereinbar mit Pekings erklärtem Engagement für einen offenen Markt und einen transparenten Rechtsrahmen.
Man werde sich direkt mit den Behörden der Volksrepublik China in Verbindung setzen, die eigene Position erläutern und das weitere Vorgehen abstimmen. Eine Abstimmung würde zudem mit „wichtigen Verbündeten und Partnern“ erfolgen, um „die durch Chinas Maßnahmen verursachten Verzerrungen auf dem Markt für Speicherchips anzugehen“.
Laut SCMP teilte der betroffene US-Konzern Micron Anfang der Woche mit, dass man die Entscheidung zur Kenntnis nehme und sich „auf weitere Gespräche mit den chinesischen Behörden freue“. Letzteres darf bezweifelt werden. Zweifellos wird Micron hingegen versuchen, die Behörden umzustimmen.
Neue General Managerin vor unlösbarer Aufgabe
Seit Jahren führen die Volksrepublik und Micron aus unterschiedlichen Gründen Scharmützel. So drohte China Micron bereits 2018 mit einem Verkaufsverbot, damals wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen. Als Konsequenz aus einem Streit um Technologiediebstahl hingegen zog Micron 2022 seine komplette DRAM-Entwicklung aus China ab. Demnach wurden in den letzten Jahren im großen Stil Mitarbeiter von chinesischen Konkurrenten abgeworben worden – angeblich hat Micron mehr als ein Drittel der teuer ausgebildeten Ingenieure an chinesische Konkurrenz verloren.
Erst Anfang Mai hatte Micron Betty Wu Mingxia zur neuen General Managerin von Micron China ernannt. Laut Mitteilung soll sie „das unermüdliche Engagement des Unternehmens für das lokale Technologie-Ökosystem, die Geschäftsaktivitäten und die verschiedenen Stakeholder in China verkörpern“. Wu sollte sicherstellen, dass Micron China „eine entscheidende Rolle beim Ausbau der globalen Präsenz und der führenden DRAM-Technologie des Unternehmens spielt“. Das dürfte durch den Boykott nun schwierig bis unmöglich werden.
Was für Micron eine Hiobsbotschaft ist, könnte andere Hersteller von Speicherchips und SSDs beflügeln – allen voran Samsung Electronics und SK Hynix sowie den von US-Sanktionen betroffenen chinesischen Zulieferer Yangtze Memory Technologies Corp (YMTC). (me)
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