Für 2022 Wünsche aus der Wirtschaft an die Politik

Von Margit Kuther |

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2021 war geprägt durch Lieferengpässe, Planungsunsicherheiten, Preissteigerungen, die Corona-Pandemie und nicht zuletzt das Ende der 16-jährigen Ära Merkel – die ELEKTRONIKPRAXIS hat Erwartungen aus der Wirtschaft für das Jahr 2022 eingefangen.

Welcome 2022: Packen wir die Zukunft gemeinsam an.
Welcome 2022: Packen wir die Zukunft gemeinsam an.
(Bild: Geralt, Pixabay / Pixabay)

Lieferengpässe nicht nur bei Bauelementen dämpfen die Wirtschaft immens, Corona mit seiner neuen Variante Omikron hält uns weiterhin im Klammergriff. Die Exporterwartungen brechen ein und selbst das Weihnachtsgeschäft kann viele Händler nicht mehr aus der Misere reißen. Erst im Sommerhalbjahr 2022 dürfte es zu einer „Erholung kommen“, so die Ifo-Konjunkturprognose im Dezember 2021.

Hinzu kommen Preissteigerungen quer durch alle Produktbereiche, bei Energie und Rohstoffen, die sich laut Ifo-Institut erst im Jahr 2023 „wieder normalisieren sollen“. Und eine weitere Hiobsbotschaft vermeldete kürzlich Intels CEO Pat Gelsinger: „Bis 2023 bleiben Chips knapp.“ Die Herausforderungen für die kommenden Monate sind also immens. Die Wirtschaft ist bereit, anzupacken – und fordert dies auch von der Regierung.

Die Unternehmen sind bereit, anzupacken

„In unseren Augen muss die neue Regierung dafür sorgen, dass der Austausch zwischen Wirtschaft und Politik intensiviert wird und auf Augenhöhe stattfindet“, fordert Thomas Rudel, CEO bei Rutronik Elektronische Bauelemente. „Wir haben in der Vergangenheit oft genug erleben müssen, dass Hinweise auf real existierende Herausforderungen und pragmatische Lösungsvorschläge nicht wahrgenommen oder zugelassen werden", so Rudel weiter. Dabei sind viele Unternehmen wie Rutronik bereit, ihre unternehmerische Verantwortung auch gegenüber der Gesellschaft gerecht zu werden. Vorausgesetzt, man lässt sie.

Ein Beispiel hierfür ist die Corona-Pandemie, in der viele Unternehmen selbst aktiv wurden, um ein sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen. „So haben wir bei Rutronik beispielsweise früh die richtigen Schritte eingeleitet und kostenlose innerbetriebliche Testungen eingeführt und darüber hinaus bundesweit Testzentren eröffnet, in denen per Lisa-App eine ordnungsgemäße Abrechnung sichergestellt wird. Das heißt, wir als Unternehmen gehen voran und bringen uns ein, werden dann aber alleine gelassen“, so Thomas Rudel, Rutronik. Dabei sei gerade in der Wirtschaft großes Potenzial vorhanden, Problemstellungen innovativ zu bewältigen. Das zeige sich insbesondere in Ausnahmesituationen mit weitreichenden Auswirkungen. Es muss seitens der Politik gelingen, dieses Potenzial auszuschöpfen, wenn wir alle zukunftsfähig bleiben möchten.

Ein Merkel 2.0 darf es nicht geben

Bankenkrise, Finanzkrise, Eurokrise, Flüchtlinge und zahlreiche weitere (inner)politische Herausforderungen: Summa summarum, finde ich, haben Angela Merkel und die frühere Regierung eine ordentliche Politik gemacht. Doch die Zeiten ändern sich: die Klimakrise verlangt nach schärferen Maßnahmen, das Säbelrasseln politischer Provokateure auf der internationalen Bühne ist nicht mehr zu überhören, Corona, etc. – ein „weiter so“ ist nicht länger möglich.

Andreas Falke, Geschäftsführer des Fachverbands der Bauelemente-Distribution (FBDi) bringt die Forderungen an die Politik auf den Punkt: „Für die neue Regierung wurde bereits zu Beginn der Begriff Zukunftskoalition geprägt. Diese Begrifflichkeit trägt das hehre Ziel und unsere Erwartungen bereits in sich: Wir erwarten von der neuen Regierung eine politische Vision und daraus abgeleitete Strategien für unser aller Zukunft, die mit dem entsprechenden Maßnahmenpaket unterstützt richtungsweisend sein muss.“

Dabei gelte es gerade in der aktuellen, schwierigen Lage, gerade nicht an Bewährtem festzuhalten, also neue Wege zu beschreiten und nicht auf ein Merkel 2.0 zu setzen. Denn, so Andreas Falke, FBDi, weiter: „Bewährtes darf nicht zur Bremse für das Neue werden. Wenn die Erkenntnis der notwendigen Transformation sich immer stärker durchsetzt, darf Lobbyismus, der per definitionem stärker tradierte Branchen vertritt, die Entwicklung der neuen Technologien nicht hemmen.“

Lieferengpässe bei Halbleitern könnten bis 2023 andauern

Nicht nur die Elektronikbranche, sondern fast alle Teile der Wirtschaft sind von Lieferengpässen betroffen und ein Blick nach England zeigt jedem, wie sich diese auswirken können. Schmerzhaft für Unternehmen sind insbesondere die Engpässe bei Halbleitern, die nicht nur in der Automobilbranche zu einem Produktionsstopp führten. Intels CEO Pat Gelsinger zeichnet ein geradezu düsteres Bild wenn er davon ausgeht, dass die Chipkrise noch über das Jahr 2022 andauern könnte. So stellte er in einem Interview mit Nikkei Asia fest, dass „die Chip-Knappheit bis 2023“ anhalten werde. Dabei verwies Gelsinger auf die extrem steigende Nachfrage. So wuchs vor Covid die Halbleiterindustrie um „etwa 5 Prozent“ pro Jahr und jetzt sei „die Nachfrage im Jahresvergleich auf etwa 20 Prozent explodiert“.

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Festzuhalten ist, dass die Corona-Lockdowns zwar das Kerngeschäft vieler Unternehmen drosselte, etliche Unternehmen aber plötzlich durch neue und teilweise profitablere Kunden profitierten. Denn als traditionelle Halbeiterkunden nach den Lockdowns dann wieder zu ihrem Kerngeschäft zurückkehren wollten und Halbleiter bestellten, mussten sie feststellen, dass diese nicht mehr verfügbar waren. Viele Kunden reagierten und reagieren darauf mit Panikkäufen, die die Spirale der Chipverknappung weiter in die Höhe treibt. Details zu diesem Dilemma lesen Sie im Beitrag „Halbleiterverknappung: Ursachen, Hintergründe, Lösungen".

Schlüsseltechnologien in Deutschland fördern

Thomas Rudel, Rutronik, sieht bei den Lieferengpässen nicht nur Hersteller und Kunden, sondern auch die Politik in der Pflicht: „Wir als einer der weltweit führenden Distributoren von elektronischen Bauelementen erleben aus erster Hand, wie Schlüsselindustrien zu kämpfen haben. Die Folge ist oftmals eine Produktionsdrosselung oder gar ein Produktionsstillstand. Das kann nicht im Sinne der Politik sein. Sondern sie muss im ureigenen Interesse Voraussetzungen schaffen, aus der eine prosperierende Wirtschaft hervorgeht. In dieser Lage befinden wir uns auch, weil wir es in Europa versäumt haben, in eine Halbleiterindustrie zu investieren, die gegenüber den USA und China wettbewerbsfähig ist.“

„Die Politik hat die Bedeutung dieser Industrie nicht erkannt. Unsere Forschung ist herausragend, die Umsetzung obliegt aber zumeist nicht europäischen Firmen. Die Lösung kann aber nicht lauten, mithilfe von staatlichen Geldern beispielsweise amerikanische Firmen anzulocken. Sondern wir müssen eine langfristige Strategie entwickeln, die zielgerichtet Schlüsseltechnologien und -industrien fördert. Ansonsten drohen wir den Anschluss zu verlieren. Hier gilt es, gemeinsam und in enger Abstimmung mit der Wirtschaft Wege zu finden. Denn Unternehmen wissen am besten, welche Voraussetzungen sie benötigen, um am Markt bestehen zu können.“

Blick nach Vorne und neue Fußstapfen setzen

Für die Wege, die Unternehmen, Wirtschaft und Politik jetzt finden müssen, gilt es, bisherige Pfade zu verlassen und neue Fußstapfen zu setzen. Andreas Falke vom FBDi fasst dies folgendermaßen zusammen: „Wohin wir gehen müssen, ist doch offenbar – regenerative Energien haben Prio1, daneben Recycling und Regionalität. Vision, Aufbruch und Konsequenz gepaart mit realistischem Blick – das erwarten wir – und wäre das nicht etwas, wofür genau diese neue Regierung bestehend aus den drei Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gemeinsam stehen könnten? Ein Ziel, das den heutigen Anforderungen gerecht wird und Europa motiviert und ausrichtet, damit die Völker Europas statt passiv erduldend und auf Krise reagierend sich mit dem Ziel einer besseren Zukunft aktiv identifizieren, voranschreiten und gestalten. Wir können gemeinsam so viel schaffen und erreichen – was wir brauchen, ist eine neue Mondlandung.

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