Wie virtuelle Schallwellen helfen, Hirntumore zu zerstören und Werkstoffe zu prüfen

Redakteur: Michael Eckstein

Schall-Tsunami in der Hallkammer: Durch gezielte Fokussierung akustischer Wellen ist es möglich, Energie auf bestimmte Knotenpunkte zu konzentrieren. Die Technik bietet Anwendungsmöglichkeiten in ganz unterschiedlichen Bereichen.

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Punktuell: Versuchsaufbau zum Erforschen akustischer Wellen mit acht Hornlautsprechern und einem Mikrofon in der Hallkammer.
Punktuell: Versuchsaufbau zum Erforschen akustischer Wellen mit acht Hornlautsprechern und einem Mikrofon in der Hallkammer.
(Bild: Spectrum Instrumentation)

Mithilfe der Time-Reversal-(TR)-Signalverarbeitung lassen sich akustische Wellen mit hoher Amplitude gezielt an einem bestimmten Ort fokussieren. Durch die verwendeten Rekonstruktionsalgorithmen entsteht eine definierte, virtuelle Quelle so genannter sphärischer Wellen. Akustikforscher am Institut für Physik und Astronomie an der Brigham-Young-Universität in den USA ist es gelungen, derartige virtuelle Schallquellen im Ultraschallbereich zu erzeugen.

Die Fähigkeit, Wellen gezielt punktuell zu fokussieren, bietet interessante Möglichkeiten in mehreren Bereichen wie Kommunikation, Ultraschall, zerstörungsfreie Werkstoffprüfungen (NDT, NonDestructive Testing), medizinische Forschung und Audio. „Zum Beispiel lässt sich in biomedizinischen Anwendungen die konzentrierte Energie des fokussierten Ultraschalls bei Lithotripsieverfahren zum Behandeln von Nierensteinen oder Hirntumoren einsetzen“, erklärt Brian Anderson, Associate Professor an der BYU.

Signalgenerierung per Arbitrary Waveform Generatoren und einem Digitizer

In ähnlicher Weise ließe sich das TR-Verfahren in der zerstörungsfreien Werkstoffprüfung dazu verwenden, Defekte in festen Materialien zu lokalisieren und zu charakterisieren. „Darüber hinaus eignet sich das TR-Verfahren dazu, Ultraschall mit hoher Amplitude für eine kontaktfreie Schallquelle zu erzeugen, die dann für ebenfalls zerstörungsfreie Materialuntersuchungen verwendet werden kann“, sagt Anderson.

Zum Generieren der Schallwellen und zum Erfassen der Ergebnisse nutzen die Forscher Arbitrary Waveform Generatoren (AWG) und einem Digitizer von Spectrum Instrumentation. „Die Kombination aus mehreren Kanälen, synchroner Wellenformen-Generierung und -Erfassung sowie hohen Abtastfrequenzen der PC-Karten von Spectrum Instrumentation war ideal für die Entwicklung von zerstörungsfreien Ultraschall-Auswertungstechniken“, erläutert Anderson. Seine Akustik-Forschungsgruppe habe die Karten auch für nichtlineare akustische Messungen von Schall in Räumen verwendet. „Die hohen Abtastfrequenzen der Hardware erlauben es uns, die beobachteten steilen Wellenformen detailliert zu charakterisieren.“

Hoher Amplitudenfokus: Schall-Tsunami in der Hallkammer

Bei ihren Experimenten an der BYU erzeugen die Wissenschaftler Schall mit einem hohen Amplitudenfokus in einer Hallkammer. Das TR-Signalverarbeitungsverfahren konzentriert Schallwellen von entfernt voneinander angeordneten Quellen „unter Verwendung eines Vorwärts- und Rückwärtsschritts: Während des Vorwärtsschritts erzeugen wir eine Impulsantwort, also eine Übertragungsfunktion in der Frequenzdomäne, für eine Quelle und einen Empfänger“, erläutert Anderson. Der Impuls werde dann zeitlich umgekehrt und bei Bedarf auch bearbeitet. Während des Rückwärtsschritts erfolge das Senden der umgekehrten Impulsantwort von der Quelle. Dadurch würde sich der Ton an der Empfängerstelle fokussieren.

Der entwickelte Versuchsaufbau mit acht koaxialen Hornlautsprechern ermöglicht laut Anderson eine hohe Amplitude im Fokus. Das Messen der akustischen Ereignisse übernimmt demnach ein hochwertiges Freifeldmikrofon mit breitem Dynamikbereich, das Signale von bis zu 175 dB Schalldruck verarbeiten kann.

Die benötigten Signale für die Experimente haben die Forscher in MATLAB erzeugt und über zwei 4-kanalige Spectrum-Generatorkarten M2i.6022-exp mit 20 MS/s ausgegeben. Die acht Ausgänge der Spectrum AWG-Karten sind mit zwei 4-kanaligen Crown CT4150 Verstärkern verbunden, die schließlich die Hornlautsprecher ansteuern. Die Signalaufnahme des Mikrofons erfolgt mit einer 4-kanaligen Spectrum-M2i.4931-exp-Digitizerkarte mit 16-Bit-Auflösung und einer Abtastrate von 50 kHz.

„Clipping Method“ erzeugt höchsten Amplitudenfokus

Als Ergebnis der Studie hat sich die als “clipping method” bekannte Vorgehensweise als beste Impuls-Modifikationsmethode zur Erzeugung des höchsten Amplitudenfokus herausgestellt. In diesem Experiment wurde eine optimaler Clipping-Threshold von 9,05 kPa (173,1 dB Spitze) erreicht. Experimente, die bei niedrigeren Amplituden durchgeführt wurden und entsprechend auf das Ergebnis mit der höchsten Amplitude skaliert wurden, liefern den Beweis, dass die TR-Fokussierung bei diesen hohen Amplituden ein nichtlinearer Prozess ist.

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