Wie sich Geräteschutzsicherungen in der Praxis verhalten (Teil 1)
Anbieter zum Thema
Bei der Auswahl einer geeigneten Sicherung für den Schutz eines Gerätes sind eine ganze Reihe von Aspekten zu berücksichtigen. Wir verraten Ihnen, worauf Sie dabei achten sollten.

Für Entwickler und Hersteller von elektrischen Geräten oder deren Komponenten stellt sich in der Regel immer die Aufgabe, eine geeignete Sicherung auszuwählen, die den notwendigen oder vorgeschriebenen Schutz des Gerätes vor Stromüberlastung gewährleistet. Jeder Hersteller von Geräteschutzsicherungen stellt dazu auf seinen öffentlichen Dokumentationen mehr oder weniger umfangreiche Informationen zu seinen Produkten zur Verfügung.
Dieser Beitrag informiert über einige Eigenschaften von Geräteschutzsicherungen, die in der Regel nicht einfach verfügbar sind. Für die Auswahl und den Einsatz von Geräteschutzsicherungen innerhalb einer gegebenen Anwendung sind diese Informationen aber notwendig.
Als Grundlage zur Auswahl einer geeigneten Geräteschutzsicherung dient im Allgemeinen das vom Hersteller zur Verfügung gestellte Datenblatt (Bild 1). Dort werden neben allgemeinen Angaben (Spezifikationen, Prüfzeichen, Approbationen) vor allem aber die, für die jeweilige Applikation wichtigen, technischen Daten ausgewiesen. Neben Nennspannung, Widerständen, Ausschaltvermögen, I2t-Werten werden als wesentliche Merkmale der Nennstrom und die Zeit-Strom-Kennlinie dargestellt. Das elektrische Verhalten einer bezüglich der Abhängigkeit der Schaltzeit vom einwirkenden konstanten Strom wird allgemein als Zeit-Strom-Kennlinie bezeichnet. Mit ihrer Hilfe kann das Sicherungsverhalten den bekannten Einschalt- und Betriebsbelastungen angepasst werden.
Schmelzleiter – Funktion und Wärmebilanz
Alle im Datenblatt ausgewiesenen Daten werden in einer, durch die jeweilige Norm standardisierten Prüfumgebung ermittelt. Dabei kommen z.B. DC-Konstantstromquellen, Prüfhalter mit definierten Volumen eines vorgegebenen Metalls sowie eine Kontaktierung mit hohen Kontakt-Kräften und geringen Kontaktwiderständen zum Einsatz. Somit wird gewährleistet, dass die in der Geräteschutzsicherung erzeugte Stromwärme definiert und reproduzierbar abgeführt wird. Bei dem praktischen Einsatz der Geräteschutzsicherung in einer elektrischen Einrichtung sind die Umgebungsbedingungen, verglichen mit den Prüfbedingungen, unterschiedlich. Dieser Unterschied zwischen genormten Prüfhalter und realen Einbau innerhalb einer Platine wird in Bild 2 deutlich.
Der Einfluss dieses Unterschieds wird theoretisch erkenn- und erklärbar, wenn man die Wärmebilanz der Sicherung, also das Zusammenspiel von Wärmeerzeugung und Wärmeabführung, näher betrachtet.
Im Überstrombereich der Kennlinie ist das Verhältnis von Wärmeerzeugung infolge Stromfluss in der Sicherung und Wärmeabgabe in der Praxis von besonderer Bedeutung. Dieser Zusammenhang wird durch die Energiebilanz erfasst. Im Kennlinienbereich, der einen Zeitbereich von 1 s < t < ∞ umfasst, resultiert die zeitlich umgesetzte Energie dE/dt aus der eingekoppelten elektrischen Leistung, die sich durch Strahlungs-, Leitungs- und konvektive Leistungsanteile reduziert.
Pel ist dabei die eingekoppelte elektrische Leistung, Prad die abgegebene Leistung durch Strahlung, Pcond die abgegebene Leistung durch elektrische Leitung und Pconv die abgegebene Leistung durch konvektive Einflüsse.
In dem Zustand von Qzugeführt (I²R) = QVerlust stellt sich ein instabiles Wärme-Gleichgewicht ein, dessen der jeweilige Belastungsstrom als Grenzstrom Ig bezeichnet wird (Bild 3). Wird mehr Wärme zugeführt als abgegeben werden kann, schaltet die Sicherung irgendwann ab. Wird weniger Wärme zugeführt als abgegeben, hält die Sicherung quasi unendlich. Die immer gegebene Exemplar Streuung der Sicherungswiderstände bleibt hier unberücksichtigt.
Je nach Schmelzleiteraufbau kann dieser Gleichgewichtszustand durch Alterungsvorgänge mehr oder weniger stark in die eine oder andere Richtung verschoben werden. Auf markante Alterungsvorgängen wird im Folgenden noch näher eingegangen. Im Gegensatz zum Nennstrom IN ist der Grenzstrom Ig ein, für das jeweilige System aus Umgebung, Zuleitung, Kontaktierung, Sicherungsbauform und Schmelzleiterkonstruktion (Zusammensetzung, Geometrie) spezifischer Wert.
Der Nennstrom dagegen ist ein festgelegter Wert, der durch die zu Grunde gelegte Normung im Langzeit- Kennlinienbereich definiert ist. In Abhängigkeit der Norm stellt sich der Nennstrom unterschiedlich dar. Nennstromdefinitionen sind normenabhängig. So sind die Definitionen in der transatlantischen UL anders als in der europäischen IEC. Die Unterschiede sind z.T. auch durch verschiedene Prüfbedingungen bzw. Prüfhalter bedingt. Näheres dazu weisen die jeweiligen Datenblätter aus. Die hier diskutierten Zusammenhänge beziehen sich auf die Norm IEC 127. Ein einfaches Prinzipschaltbild der Wärmeverteilung zeigt Bild 4.
Die Werte der wirksamen Wärme-RC-Glieder bestimmen das oben beschriebene Wärme-Gleichgewicht. Wird im Praxiseinsatz das während der Normprüfung wirksame Wärme-Gleichgewicht verändert, verschiebt sich der Grenzstrom Ig und mit ihm die Kennlinie. Wird der Wärmestrom in die Umgebung vermindert, sinkt der Grenzstrom. Wird der Wärmestrom verstärkt, z.B. durch Kühlung der Sicherungsumgebung, steigt der Grenzstrom. Daraus resultiert gegebenenfalls auch eine Änderung des Nennstroms IN. Die Sicherung wird dann in einem Bereich betrieben, der nicht mehr durch das Datenblatt beschrieben wird. Die Wirkung dieser Änderungen betrifft immer den Schmelzleiter als zentrales Element der Sicherung.
Je nach Art des Schmelzleiters ist die resultierende Änderung in verschiedenen Funktionsbereichen mehr oder weniger ausgeprägt.
Jede Verschiebung der Wärmeverhältnisse (z.B. ein geringerer Leitungsquerschnitt, kleinere Halter, geänderte Kontaktwiderstände oder andere Umgebungstemperaturen) führen – je nach Art und Ausführung des Schmelzleiters – zu einer Verschiebung des Grenzstromes. Diese Verschiebung der Kennlinie kann nach Foster „RC-thermal models“ in einer Größenordnung von etwa 10% bis zu 15% liegen (siehe „derating“ Bild 5).
Durch die Abhängigkeit des Wärmestroms ɸ = ∆T/Rth von der Wärmequelle (dem Schmelzleiter) in die Umgebung und in die Anschlüsse ist der Grenzstrom ein durch die Praxis bestimmter, individueller Wert.
Besonders im Überstrombereich (etwa t ≥ 1 s) der Kennlinie ist der Schmelzleiter zunehmend dominant und maßgebend. Seine von Materialien und Konstruktion bestimmten Eigenschaften werden in der Entwicklung der Sicherungen so angepasst, dass sie mit dem gewählten Gehäuse und mit vorgegebener Prüftechnik die jeweiligen Norm- oder Spezifikationsvorgaben erfüllen.
Der Nennstrom ist somit ein per Definition festgelegter Wert innerhalb eines Bereichs von Überstrom-Grenzwerten (z.B. 1,5/2,1 . IN).
Eine ideale Auslegung des Schmelzleiters würde die Kennlinie in der Mitte der beiden oberen Grenzwerte legen (Bild 4). In diesem Fall wird dann am Ende der Kennlinie der Grenzstrom getroffen. Allerdings ergibt sich der Grenzstrom aus den jeweiligen Prüfgegebenheiten.
In den technischen Informationen der Sicherungshersteller werden für den Nennstrom oft Derating-Kurven gezeigt, die sich auf eine Nennstromänderung bei erhöhter Umgebungstemperatur beziehen. Allerdings werden diese Kurven bei ansonsten unveränderten Norm-Prüfbedingungen ermittelt.
Das Diagramm in Bild 6 stellt die zu erwartende Änderung des Nennstromes im Norm-Prüfhalter bei geänderter Umgebungstemperatur dar. Die Kontaktierung und Anschlüsse entsprechen den genormten Geometrien.
Es fällt auf, dass die Änderung bei Sicherungen mit träger Abschaltcharakteristik (M mittelträge, T träge) deutlich ausgeprägter ist. Ursache dafür ist das unterschiedlich empfindliche Verhalten der Schmelzleiterarten auf Änderungen der Wärmeverhältnisse.
Praxisbedingungen bei der Auswahl berücksichtigen
Der Schmelzleiter nimmt innerhalb einer Geräteschutzsicherung eine dominante Rolle ein. Wesentlich werden die funktionalen Eigenschaften durch die Materialzusammensetzung und -konstruktion beeinflusst. Bei der Auswahl einer geeigneten Geräteschutzsicherung sollten die jeweiligen Praxisbedingungen immer berücksichtigt werden.
* Manfred Rupalla ist Senior-Berater für Geräteschutz bei der Elschukom GmbH.
Artikelfiles und Artikellinks
(ID:46017160)