Elektromobilität Wie sich die empfindliche EV-Ladeinfrastruktur vor Überspannungen schützen lässt
Anbieter zum Thema
Die Elektromobilität gilt als einer der wichtigsten Bausteine der Energiewende. Unabdingbar für eine breite Akzeptanz ist dabei eine umfassende, sichere Ladeinfrastruktur – im privaten Umfeld ebenso wie im öffentlichen Bereich. Aber wie lassen sich die immer komplexeren Ladeszenarien zuverlässig vor Blitz- und Überspannungsereignissen schützen?

Der Waren- und Individualverkehr nimmt zu. Immer mehr und immer weitere Strecken sollen in immer kürzerer Zeit zurückgelegt werden. Das hat fatale Folgen: Die verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen steigen, während fossile Energieträger zur Neige gehen. Einen möglichen Ausweg hin zu einer klimafreundlichen Mobilität bietet die Elektromobilität. Damit sie aber zum Baustein für die Energiewende werden kann, ist ein Ausbau der EV-Ladeinfrastruktur unerlässlich. Denn die Attraktivität der Elektromobilität steht und fällt mit der Einfachheit ihrer Nutzung. Breit angenommen werden Elektrofahrzeuge nur dann, wenn sie sich problemlos laden lassen. Dabei geht es nicht nur um die Anzahl und Verteilung der Ladesäulen sowie deren Benutzerfreundlichkeit, sondern vor allem auch ihre Sicherheit und damit ihre Verfügbarkeit.
Eine besondere Gefahr für Ladesäulen und Wallboxen geht dabei von Blitz- und Überspannungsereignissen aus. Sie sind die Hauptursache für Fehler oder Ausfälle beim Betrieb von Ladesystemen für Elektrofahrzeuge.
Ohne Überspannungsschutz geht es nicht
Überspannungen entstehen in der Regel durch direkten Blitzeinschlag oder Induktionswirkung. Eher selten sind direkte Blitzeinschläge, die aber nichtsdestotrotz schwerwiegende Auswirkungen auf die in Ladestationen und Wallboxen verbauten, empfindlichen Elektronikkomponenten haben können. Weitaus häufiger sind indirekte, von entfernten Einschlägen ausgehende Effekte. Sie führen unter Umständen zu erheblichen Spannungen in den externen Stromleitungen, die die EV-Ladeinfrastruktur versorgen. Eine weitere Schadensquelle ist der Anstieg des Erdpotenzials. Dabei führt ein Blitzeinschlag in der näheren Umgebung dazu, dass die Spannung des umgebenden Bodens im Verhältnis zu weiter entfernten Punkten, etwa dem Transformator, ansteigt. Um diesen Spannungsunterschied auszugleichen, fließen kurzfristig hohe Ströme. Auch in diesem Fall kann es zu einer Beschädigung der Ladeinfrastruktur oder des angeschlossenen E-Fahrzeugs kommen.
Um die EV-Ladeinfrastruktur und die damit verbundenen – besonders im öffentlichen Bereich nicht unerheblichen – Investitionen abzusichern, muss ein ganzheitliches Schutzsystem implementiert werden, das die Ladeinfrastruktur ebenso sicher und zuverlässig schützt wie das angeschlossene E-Fahrzeug und die Person, die es lädt. Für den Schutz der Anlage vor Überspannungen und kurzfristigen Schwankungen sollten daher passende Überspannungsvorrichtungen (Surge Protection Devices, SPDs) installiert werden. Das beugt vor allem im öffentlichen Bereich Ausfallzeiten vor, die erhebliche Betriebs- und Umsatzeinbußen nach sich ziehen können. Die Implementierung von Schutzvorrichtungen ist dabei keinesfalls optional, sondern wird über verschiedene Normen vorgeschrieben und geregelt.
In welchen Fällen gelten welche Normen?
Bei EV-Ladeinfrastrukturen im privaten Bereich handelt es sich zumeist um klassische Applikationen, die an das Stromnetz des angrenzenden Gebäudes angebunden sind. Zum Beispiel, wenn eine Wallbox in eine Garage eingebaut wird. Wirksam sind hier alle Normen und Standards, die generell für die Gebäudeinfrastruktur gelten. Hervorzuheben sind dabei die DIN VDE 0100-443 und -534, welche allgemein die Verwendung/Installation eines geeigneten Überspannungsschutzes behandeln und daher auch bei privat installierten Ladeeinrichtungen zu berücksichtigen sind. Vor der Installation muss stets geprüft werden, ob die Applikation bereits durch die Gebäudeinstallation abgedeckt, also „durch den Einbauort geschützt“ ist. Trifft dies nicht zu, ist ein zusätzlicher Überspannungsschutz erforderlich. Wird ein Bestandsgebäude oder eine Bestandsinstallation erweitert, sollte die Wallbox selbst gegen Überspannungen geschützt sein. Viele Hersteller bieten ihre Produkte bereits mit den passenden SPDs an. Es ist aber auch möglich, einen Überspannungsschutz separat in der Zuleitung zur Wallbox zu installieren. Ein separater Überspannungsschutz ist auch dann erforderlich, wenn die Länge der Zuleitung zwischen Schaltschrank und Ladeeinrichtung zehn Meter überschreitet. Für den Einsatz im privaten Bereich eignen sich beispielsweise Typ-2-Ableiter, wie die Raycap ProTec ZPS Serie, die die Installation vor transienten Überspannungen infolge eines entfernten Blitzeinschlags oder eines Schaltvorganges schützen und direkt im Schaltschrank verbaut werden.
Im öffentlichen Bereich macht die DIN VDE 0100-722 seit Juni 2019 einen Überspannungsschutz bei der Planung und Errichtung öffentlich zugänglicher Anschlusspunkte zur Pflicht. Das heißt: Ein geeigneter Überspannungsschutz ist immer zwingend erforderlich. Die Auswahl des SPDs sowie die Art und Weise, wie der Überspannungsschutz umgesetzt wird, unterscheiden sich jedoch abhängig von der jeweiligen Installation zum Teil stark. So ist das Risiko eines direkten Blitzeinschlags und damit die Notwendigkeit eines Typ-1-Ableiters bei Ladestationen in einer Tiefgarage weitaus geringer als bei Ladesäulen, die sich auf freier Fläche, etwa einem Parkplatz, befinden. Da sich die Ladeszenarien stark unterscheiden und der Überspannungsschutz in Abhängigkeit von der ermittelten Blitzschutzzone gewählt wird, sollte bei EV-Ladeinfrastrukturen im öffentlichen Bereich zunächst eine Risikoanalyse nach IEC 62305 durchgeführt werden. Hierfür sind neben Kenntnissen zum Errichtungsstandort Informationen über die Netzform, die Systemspannung sowie den Nennstrom der Ladevorrichtung erforderlich.
Risikoanalyse und Blitzschlag-Szenarien
Die IEC 62305 bildet die Grundlage für einen wirksamen Schutz der EV-Ladeinfrastruktur sowohl vor direktem als auch vor indirektem Blitzeinschlag. Teil 1 beschreibt die allgemeinen Grundsätze des Blitzschutzes, Teil 2 das Risikomanagement. Teil 3 ist dem externen LPS-Schutz (Lightning Protection System) gewidmet, während Teil 4 den Schutz elektrischer und elektronischer Systeme innerhalb der Infrastruktur thematisiert (Bild 1). Teil 3 der IEC 62305 bezieht sich zudem auf die unterschiedlichen Blitzschutzstufen (Lightning Protection Levels, LPLs). Dabei werden in der Norm vier unterschiedliche Szenarien (S1, S2, S3 und S4) beschrieben (Bild 2). Wurden die Blitzschutzklasse und das jeweilige Szenario für die Applikation ermittelt, kann ein geeignetes SPD ausgewählt werden.
Kriterien für den richtigen Überspannungsschutz
SPDs sollten bei EV-Ladeinfrastrukturen sowohl an der Wechselspannungs-(AC)-Versorgung als auch an der Gleichspannungs-(DC)-Versorgung von der Ladestation zum E-Fahrzeug installiert werden. Abhängig vom jeweiligen Blitzschlagszenario (Bild 3) sind dabei zur Risikominimierung spezifische Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen erforderlich.
In S1/S2-Szenarien gilt es, direkte Einschläge – entweder in die Struktur selbst oder über die zuführenden Leitungen – abzuwehren. Hier eignen sich SPDs, die auf Belastung nach IEC-Prüfklasse I gemäß IEC 61643-11 geprüft wurden und Blitzimpulsen (Iimp) bis zu 25 kA (10/350) standhalten. Bei S3/S4-Szenarien geht es dagegen darum, die Auswirkungen von Einschlägen in der näheren Umgebung abzuwehren oder abzuschwächen – entweder auf die Struktur selbst (beispielsweise ihre Verkabelung) oder auf die in sie hineinführenden Leitungen. Um das Risiko transienter Überspannungen zu minimieren, sollten SPDs installiert werden, die auf Belastungen nach IEC-Prüfklasse II gemäß IEC 61643-11 geprüft sind und Nennableitströmen (In) von 5 kA (8/20) standhalten. Wichtig ist hier außerdem zu beachten, dass nicht nur Blitze, sondern auch andere elektrische Energiequellen Überspannungen verursachen können. Auch sie müssen für ein ganzheitliches Schutzkonzept berücksichtigt werden.
Den DC-seitigen Schutz nicht vergessen
Eine Überspannung kann nicht nur die empfindliche Elektronik im Inneren des EV-Ladegeräts beschädigen, sondern auch auf das angeschlossene Fahrzeug übergreifen und die Bordsysteme beschädigen. Aus diesem Grund sollte daher stets auch die DC-Seite des Wechselrichters geschützt werden. Gleiches gilt für die immer weiter verbreiteten Fast Charger oder Ultra Fast Charger, die E-Fahrzeuge mit Gleichstrom laden. Auf 35.076 Normalladepunkte kommen im März 2021 laut Bundesnetzagentur bereits 5.730 Schnellladepunkte – Tendenz steigend.
Um eine solche Hochspannungsgleichstromanwendung zuverlässig zu schützen, sollte das SPDs besondere Konstruktionsmerkmale wie größere Luft- und Kriechstrecken sowie spezielle Technologien zur Löschung des Lichtbogens aufweisen. Im Gegensatz zu Wechselstrom hat Gleichstrom nämlich keinen Nulldurchgangspunkt, an dem der Lichtbogen natürlich erlischt. Maßgebend für die Sicherheit ist es hier, Produkte zu wählen, die für solche Anwendungen geeignet und entsprechend zertifiziert (IEC, UL) sind. Gefragt sind darüber hinaus besonders robuste und damit langlebige Technologien, wie die patentierte Strikesorb-Technologie von Raycap (Bild 4). Die wartungsfreie Überspannungsschutz-Lösung mit einer Lebensdauer von über 25 Jahren wurde speziell für kritische Anwendungen entwickelt und hält mehreren tausend kurzzeitigen Blitzeinschlägen oder länger andauernden temporären Überspannungen (TOVs) stand. Von DC-Produkten aus dem PV-Bereich ist dagegen abzuraten, da die Ladeströme vor allem beim Schnellladen deutlich höher sind. Zudem muss die Schutzvorrichtung in der Lage sein, neben Blitzimpulsen auch die hohe Energie aus dem System selbst abzufangen. Nur so kann eine dauerhafte Verfügbarkeit gewährleistet werden.
Die Verfügbarkeit muss sichergestellt werden
Was im privaten Umfeld allenfalls unbequem ist, kann im öffentlichen Bereich ein echtes Risiko bedeuten. Fallen hier Ladeinfrastrukturen aus, bedeutet das nicht nur erhebliche Betriebsstörungen und verärgerte Kunden, sondern mitunter auch enorme Umsatzeinbußen. Um hier die Verfügbarkeit zu gewährleisten und damit zur Verbreitung der Elektromobilität beizutragen, sind robuste Technologien ebenso wichtig wie ganzheitliche Schutzkonzepte (Bild 5). Denn eins ist klar: Die zunehmend komplexer werdenden EV-Ladeszenarien lassen sich durch eine einzige Überspannungsschutzlösung längst nicht mehr hinreichend absichern.
* Benjamin Görtz ist Sales Director bei der Raycap GmbH in Garching bei München.
Artikelfiles und Artikellinks
Link: Mehr bei Raycap
(ID:47712330)