Aktion Elektronik hilft Wie Ballons das Internet zu allen Menschen bringen

Redakteur: Peter Koller

Mit einem ungewöhnlichen Konzept will Suchmaschinenriese Google abgelegene Regionen in Entwicklungsländern mit kostengünstigem Web-Zugang versorgen: Durch Schwärme vernetzter Gasballons.

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Up in the Air: Mit solchen Helium-gefüllten Ballons hat Google in Neuseeland den Web-Zugang aus der Stratosphäre getestet
Up in the Air: Mit solchen Helium-gefüllten Ballons hat Google in Neuseeland den Web-Zugang aus der Stratosphäre getestet
(Google)

Project Loon nennt sich das Vorhaben von Google. Laut Google leben derzeit noch etwa zwei von drei Menschen auf der Erde ohne einen – bezahlbaren – Zugang zum Internet, das sind etwa fünf Milliarden Menschen. In vielen Ländern gerade der südlichen Hemisphäre koste ein Internetzugang oft mehr als ein durchschnittliches Monatseinkommen. Um das zu ändern, tritt das Project Loon an. Es ist Teil der sogenannten Moonshot-Projekte des Entwicklungslabors Google [x], in dem auch Google Glass und autonome Autos entwickelt werden.

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Ein günstiger Internet-Zugang aus der Stratosphäre

Die Idee klingt gleichermaßen simpel wie atemberaubend. Denn es geht bei Loon um nicht weniger als darum, einen Internetzugang durch Helium-gefüllte Ballons zu gewährleisten, die in 20 Kilometer Höhe in der Stratosphäre fliegen: Hoch über dem Wetter und den Routen von Passagierflugzeugen.

Doch die Positionierung der Ballons gerade in der Stratosphäre hat noch einen anderen Grund. Denn die Idee, Ballons oder Luftschiffe als hochfliegende Internetplattformen zu nutzen, ist grundsätzlich nichts neues. Einen Durchbruch dieses Konzepts verhindert haben aber meist die Schwierigkeiten, die entsprechenden unbemannten Fluggeräte autonom und dauerhaft über einem bestimmten Gebiet zu halten.

Project Loon geht deswegen von vornherein einen anderen Weg. Die Ballons sollen gar nicht an einem Ort bleiben, sondern in einem bestimmten Breitengrade-Bereich rund um die Erde fliegen. Dazu nutzen sie die Höhenwinde in der Stratosphäre, die sogenannte Jetstreams. Durch einen gezielte Höhenveränderung können die solarbetriebenen Ballons in unterschiedlich ausgerichtete Jetstreams gebracht werden, so dass eine rudimentäre Steuerung möglich ist.

Komplexe Algorithmen und eine große Zahl von eingesetzten Ballons sollen dafür sorgen, dass immer genügend fliegende Internet-Access-Points über einer Region sind. Die Ballons können sich untereinander zu einem Mesh-Network und mit Internet-Providern am Boden vernetzten.

Durch speziell konstruierte Empfangsantennen – die selbst wie kleine rote Ballons aussehen – sollen sie an Geräte am Boden eine Internet-Bandbreite liefern, die mindestens der des 3G-Mobilfunkstandards entspricht.

Dazu sind die Ballons, die aus einer dünnen Polythylen-Folie mit rund 15 Metern Durchmesser bestehen, mit einem Elektronikpaket ausgestattet, das sich aus einem Flugsteuerungscomputer, einem Höhenkontrollsystem, einem Kommunikationssystem samt Antenne sowie einer Solarzellen-Stromversorgung zusammensetzt.

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Laut Nigel Snoad, einem Mitglied von Project Loon, sollen die Ballons dann bis zu 100 Tage die Erde umfliegen, ehe sie wieder gezielt durch das Ablassen von Helium zur Erde zurückkehren. Hergestellt werden die Ballons übrigens von Raven Aerospace. Die Firma macht nicht nur Wetterballons für die US-Weltraumbehörde NASA, sondern hat auch den Riesen-Ballon fabriziert, der Felix Baumgartner zu seinem Rekordsprung aus 39.045 Metern Höhe gebracht hat.

30 Ballons fliegen für 50 Test-Anwender

Mitte Juni haben in Neuseeland erste Tests mit diesen Ballonschwärmen stattgefunden. Insgesamt 30 der Ballons wurden in die Höhe geschickt, um insgesamt 50 Test-User mit Internetzugang zu versorgen. Einer der ersten war der Farmer Hayden MacKenzie aus Geraldine, 85 Meilen entfernt von der Hauptstadt Christchurch gelegen. Wie auch die anderen Tester war er höchst konspirativ angesprochen worden und musste eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen, eher er überhaupt erfuhr, worum es ging. „Es hörte sich völlig verrückt an, aber man hofft natürlich, dass es funktioniert“. Das tat es dann auch.

Doch bevor Loon das Internet in alle Welt bringt, gibt es noch mehr als genug Hürden zu überwinden. Zum einen technische, wie etwa die Tatsache, dass die Solarzellen der Ballons an bestimmten geographischen Positionen aufgrund einer flachen Sonneneinstrahlung zuwenig Strom produzieren.

Zum anderen politische, denn die Frequenzbereiche für Kommunikationsanwendungen sind in den meisten Ländern ebenso reguliert wie die Überflugrechte. Ganz zu schweigen von diktatorischen Ländern, die gar kein frei verfügbares unkontrollierten Internet für ihre Völker haben wollen.

So verwundert es kaum, dass etliche Experten eher skeptisch sind. So sagte etwa Phares Kariuki, ein ehemaliger Technologie-Berater der Weltbank, der MIT Technology Review: „Die Hürde für eine stärkere Verbreitung des Internet in Entwicklungsländern ist oft gar nicht das Fehlen von Konnektivität, sondern die Tatsache, dass die Menschen zu arm sind, um sich Laptops oder Smartphones leisten zu können.“

Es dürfte also noch eine ganze Stange an Verrückheit nötig sein, um das Projekt – pardon – zum Fliegen zu bringen. Aber das haben die Entwickler im Projekt Loon offenbar schon vorhergesehen. Denn Loon ist nicht nur die Kurzform von Balloon, sondern bedeutet im Englischen auch soviel wie verrückter Bursche.

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