Strommess-Sonde für hohe Stromstärken ohne magnetischen Ringkern

Autor / Redakteur: Warren Pettigrew und Sebastiano Leggio* / Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter

Gerade im Automobilbau sind beengte Platzverhältnisse nicht selten. Um dort sehr hohe Stromstärken zu messen, bietet sich eine spezielle Strommess-Sonde an, die Robust gegenüber Störeinflüssen ist.

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Die Strommess-Sonde von Raztec misst vom Motor über den Generator bis zur Batterie. Ihr Vorteil: sie ist platzsparend und misst hohe Ströme.
Die Strommess-Sonde von Raztec misst vom Motor über den Generator bis zur Batterie. Ihr Vorteil: sie ist platzsparend und misst hohe Ströme.
(Bild: Daimler AG)

Der konventionelle Ansatz für AC/DC-Stromsensoren bzw. -Stromwandler besteht darin, einen weichmagnetischen ringförmigen Kern mit einem Luftspalt um den stromführenden Leiter zu legen. Wenn man dann noch einen Magnetfeldsensor in diesen Luftspalt einbringt, so ist dessen Ausgangssignal proportional zum fließenden Strom (Bild 1). Wichtig dabei: Wechselströme lassen sich mit den auf transformatorischer Technologie basierenden Stromwandlern messen, Gleichströme hingegen aber nicht.

Das vorgestellte Messprinzip funktioniert gut bei Strömen von bis zu 1000 A. Über 1000 A wird der benötigte Sensor ziemlich voluminös und teuer: Je stärker der Strom, desto größer muss der Querschnitt des Kerns werden, um Sättigung zu vermeiden. Der Magnetkern erfüllt jedoch verschiedene Funktionen:

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  • Der magnetische Fluss wird auf den Magnetfeldsensor fokussiert.
  • Der Sensor ist weniger empfindlich gegenüber magnetischen Streufeldern.
  • Der magnetische Fluss lässt sich sehr einfach durch zusätzliche Primärwicklungen verstärken.

Mit zunehmender Stromstärke ist der Kern jedoch weniger nützlich, sondern wird eher zu einem Nachteil. Moderne Magnetfeldsensoren benötigen keinen starken magnetischen Fluss, um hohe Präzision zu erzielen. Stattdessen beeinträchtigen Sättigungseffekte im Kern die Genauigkeit. Lässt man jedoch den Ringkern ganz weg, sieht man sich dem bekannten Problem einer Signalverzerrung durch magnetische Streufelder gegenüber, die in der Regel von anderen Stromleitern in der Nähe herrühren sowie dem Einfluss des Erdmagnetfelds. Aber es existiert eine interessante Lösung für diese Probleme, die auf einer differenziellen Messung des Magnetfelds basiert.

Die differenzielle Strommessung

Diese Technik eliminiert die die Effekte gleichförmiger magnetischer Streufelder auf sehr einfache, aber wirkungsvolle Weise (Bild 2). In den Fällen, in denen die Streufelder nicht gleichförmig sind, werden die beiden Sensoren möglichst nah beieinander platziert. Um die magnetische Feldstärke zu erhöhen, kann man die Stromschiene lokal etwas verjüngen. Diese lokale Einschnürung erhöht den Widerstand nur geringfügig.

Im Bild bedeuten: B1 = Magnetischer Fluss, durch Strom induziert, B2 = Magnetischer Streufluss, B1 = Proportional zum Strom. Das Ausgangssignal der Hall-Sensoren ist proportional zu B. Das Ausgangssignal des Stromsensors ist proportional zu: B1 x (-B1) + B2 x (+B2) = 2B1. Deshalb spricht man von weitgehender Immunität gleichförmigem Streuflusses.

Der konventionelle Ansatz für die differenzielle Strommessung sieht vor, auf beiden Seiten des Leiters jeweils einen Sensor anzubringen. Bei Raztec erkannte man, dass es vorteilhaft wäre, den Strom innerhalb der Stromschiene zu messen, in dem man diese anbohrt oder – anders ausgedrückt – sondiert. Daher rührt der Name Current-Probe, zu Deutsch „Strommess-Sonde“ für den Sensor, hier in Bild 3 dargestellt.

Eine Sonde statt Wandler

Das Format der Sonde erlaubt eine erhebliche Reduktion von Größe und Gewicht des Sensors. Tatsächlich gilt sogar: je kleiner der Sensor, desto besser. Bild 5 verdeutlicht den beträchtlichen Größenunterschied gegenüber einem klassischen Durchstecksensor deutlich. Durch die einseitige Montage der Sonde vereinfacht sich der Stromabgriff erheblich. Der Sensor kann im Prinzip sogar noch im Nachhinein angebracht werden, ohne die Stromschiene zu demontieren.

Mit zunehmender Stromstärke wird auch der Querschnitt der Stromschiene größer, was bedeutet, dass sich der Magnetfluss nur wenig ändert. Deshalb kann die Strommesssonde auch bei stärkeren Strömen unverändert bleiben. Sie kann genauso gut 1000 A messen wie auch 25.000 A.

Aber auch Ingenieure kennen das Sprichwort: Es gibt keine Rose ohne Dornen. Die differenzielle Magnetfeldmessung ist nicht die perfekte Antwort, um die Effekte von Streufeldern zu eliminieren. Sie ist effektiv bei gleichförmigen Feldern wie dem Erdmagnetfeld. Aber die von benachbarten Stromleitern induzierten Felder sind in der Regel nicht gleichförmig. Glücklicherweise kann man diese Effekte jedoch oft vernachlässigen, da Magnetfeldsensoren gegenüber Feldern unempfindlich sind, die außerhalb ihrer Achse wirken.

Positioniert man also die Stromsensoren so, dass die Streufeldern nicht axial wirken, so lassen sich deren Auswirkungen minimieren. Bild 6 zeigt eine einfache Konfiguration. Wie bereits erwähnt kann die Störsicherheit auch erhöht werden, indem man den Leiter verjüngt und damit das zu messende Magnetfeld und gleichzeitig den Sensorausgang verstärkt.

Das Problem der elektrischen Felder

In einigen Anwendungen stellt die Befestigung der Sonde auf der Stromschiene eine Herausforderung dar. Es ist naheliegend, dass keine leitfähige Befestigungselemente für die Sonde verwendet werden dürfen. Aus diesem Grund werden Nylon-Schrauben mitgeliefert und das optimale Gegenstück dazu wären Nyloc-Muttern (Bild 4). Allerdings vertrauen nicht alle Ingenieure dieser Verbindung. Als Alternative oder Ergänzung werden deshalb Hochtemperatur-Klebepads integriert. Vertraut man auch denen nicht, dann stehen noch Arretierungen für Clips zur Verfügung. Sattelklemmen sind eine andere mögliche Low-Tech-Lösung.

Eine weitere Herausforderung für Sensoren ohne Ringkern – und bis zu einem gewissen Grad für alle Stromsensoren – ist deren Empfindlichkeit gegenüber sich schnell ändernden elektrischen Feldern, wie sie von PWM-Hochspannungssignalen erzeugt werden. Beim Design der Strommesssonde wurde deshalb ein großer Wert auf eine effektive elektrostatische Abschirmung der Elektronik gelegt. Alle empfindlichen Komponenten sind deshalb in einem faradayschen Käfig eingeschlossen.

Die hohe Temperatur stellt noch eine Herausforderung dar: Um Kosten zu sparen, werden Stromschienen häufig so ausgelegt, dass sie im Betrieb heiß werden. Die Sonde muss auf diesen heißen Leitern platziert werden. Hier müssen Komponenten ausgewählt werden, die eine hohe Zuverlässigkeit und Stabilität bei hohen Temperaturen gewährleisten. Außerdem wird das Ganze dann noch mit einer silikonbasierten Hochtemperaturkapsel ummantelt. Die Sonde ist für Temperaturen bis 125 °C spezifiziert, mit Temperaturspitzen bis 150 °C. Das ist für Stromsensoren sehr außergewöhnlich. Natürlich liefert die Verkapselung zusätzlich eine hermetische Versiegelung sowie Unempfindlichkeit gegenüber starken Vibrationen.

Das Ausgangssignal der Sonde hängt von der Größe und Gestalt des Stromleiters ab, auf dem sie montiert ist. Deshalb kann Raztec für Kalibrierzwecke jeden Leiter nachbilden und jeden produzierten Sensor entsprechend kalibrieren.

Phasenströme im Automobil messen

Eine primäre Anwendung ist die Messung von Phasenströmen in Elektromotoren, speziell im Automobil, wo die Platzverhältnisse stets kritisch sind. Auch ein geringes Gewicht ist wichtig, da die Fahrzeugmasse den Energieverbrauch unmittelbar beeinflusst. Die Strommesssonde eignet sich auch zur Überwachung von Lade- und Entladeströmen an Batterien zu Schutzzwecken oder zur Anzeige des Ladezustands.

Hybrid-Fahrzeuge decken den gesamten Bereich der Strommessung ab – vom Motor über den Generator bis zur Batterie. Der LKW-Hybridantrieb von Wrightspeed ist ein hervorragendes Beispiel (Bild 7), in dem an verschiedenen Positionen Stromsonden verbaut sind.

Zusammengefasst: Die Strommess-Sonde von Raztec misst auch sehr hohe Stromstärken und das bei kleiner Baugröße und zu geringen Kosten. Sie ist einfach in der Anwendung und Montage und bietet einen hohen Schutz gegenüber Störeinflüssen wie etwa hohe Temperaturen, Wasser, Vibration oder elektromagnetische Strahlung.

* Warren Pettigrew ist CTO beim Stromsensor-Spezialisten Raztec Sensors und Sebastiano Leggio ist Produktmanager bei Pewatron.

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