EP Basics Prozessgrößen ausregeln: Reglerverhalten verständlich erklärt
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In technischen Prozessen muss man oft Prozessgrößen ausregeln. Dazu wird in den meisten Fällen eines von mehreren elementaren Reglerverhalten herangezogen. Der folgende Text erklärt unter anderem Regler, Stellglied und Messeinrichtung.

Um eine Regelung zu implementieren, sind außer einem Stellglied eine Messeinrichtung notwendig, mit der die die zu beeinflussende Prozessgröße kontinuierlich messen lässt. Das ist der Istwert. Gemäß Bild 1 wird in der dort skizzierten Standardstruktur einer Regelung der Istwert mit einem gewünschten Sollwert (Führungsgröße) verglichen, was durch eine Subtraktion erfolgt.
Das Vergleichsergebnis, die Regeldifferenz, erlaubt einem nachgeschalteten Regler – neben der Messeinrichtung die zweite wichtige zusätzliche Komponente –, eine geeignete Steuergröße zu berechnen, die das Stellglied so ansteuert, dass der Istwert möglichst gut dem Sollwert entspricht.
Die Regelstrecke oder kurz Strecke ist der Teil des technischen Gesamtprozesses, der zwischen der vom Stellglied generierten Stellgröße und der von der Messeinrichtung zu messenden Regelgröße liegt. Die Strecke lässt sich als mathematisches Modell des funktionalen Zusammenhangs zwischen den beiden verstehen.
Den Regelungsprozess beeinflussende Störgrößen kann man idealisiert als additiv zur Stellgröße betrachten. Ziel der Regelstruktur ist es, den Einfluss von Störgrößen auf den Istwert möglichst zu kompensieren. Wenn eine so als additiv wirkend angenommene Störgröße gut kompensiert wird, so gilt das in der Praxis dann meist für alle anderen Einflussorte und -arten von Störgrößen an der Strecke.
Regler, Stellglied und Messeinrichtung
Die in Bild 1 gestrichelt gezeichneten Signalflusslinien können je nach Strecke mechanischer, thermischer, hydraulischer, pneumatischer oder elektrischer Art sein. Die anderen durchgezogen gezeichneten Signale sind elektrische Signale (meist elektrische Spannungen) oder digitale Bussignale. Der Regler als technische Komponente enthält in der Praxis stets die Bildung der Regeldifferenz, was im Bild durch das gestrichelte Rechteck angedeutet ist.
In der Installationstechnik hat man mit den drei Komponenten Regler, Stellglied und Messeinrichtung zu tun. Bis auf wenige Ausnahmen (Spannungsregelung bei einfachen Netzteilen) wird das Reglerverhalten als Algorithmus programmiert. Zielsysteme können grundsätzlich alle programmierbaren Plattformen sein, vom kleinen Mikrocontroller (Embedded Controller) über Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) bis zum PC. Speziell für die im Maschinenbau weit verbreiteten SPS gibt es fertige Reglerbaugruppen wie auch Softwarebausteine zur Integration in eigene Programme. Vor allem für Temperatur- und Feuchteregelungen werden von vielen Herstellern auch kompakte Reglermodule angeboten.
Zweipunktregler als einfachster Reglertyp
Für manche regelungstechnische Probleme reicht mitunter der einfachste Reglertyp: der Zweipunktregler. Man kann sich ihn als Umschalter vorstellen, über den ein Stellglied in Abhängigkeit der Regeldifferenz e zwischen zwei Zuständen hin- und her geschaltet wird. Am Beispiel einer Raumtemperaturregelung wäre es sinnvoll, das Heizventil (voll) zu öffnen, wenn es zu kalt ist. Die Regeldifferenz ist dann positiv. Im umgekehrten Fall würde man es schließen. Der Umschaltpunkt wäre bei e = 0.
Den allgemeinen Fall der so implementierten Reglerkennlinie zeigt Bild 2. Es gibt statt dem einen Umschaltpunkt zwei symmetrisch um e = 0 angeordnete, die je nach Veränderungsrichtung von e im Sinne einer Hysterese wirken. Kommt e aus dem positiven Bereich, so wird erst nach Erreichen einer gewissen negativen Ausschaltschwelle auf den Ausschaltwert geschaltet.
Umgekehrt wartet man bis zum Erreichen einer positiven Einschaltschwelle. Die meisten Zweipunktreglerimplementierungen arbeiten mit einer derartigen Hysterese, da so verhindert wird, dass das Stellglied bei Erreichen des Sollwerts mit hoher Schaltrate ständig ein- und ausschaltet. Bei Raumtemperaturregelungen wird beispielsweise oftmals eine Hysteresebreite von 1 °C gewählt.
Einschalt- und Ausschaltwert werden vom Stellglied bestimmt. Der Regler selbst schaltet an seinem Ausgang nur um, weshalb man von Schaltreglern spricht. Die Kennlinie im Bild 2 ist also stets inklusive des Stellglieds zu interpretieren. Bei vielen Anwendungen ist der Ausschaltwert 0, so wie es bei unserem obigen Beispiel der Raumtemperaturregelung der Fall war.
Der Übergang zu einem Dreipunktregler
Bild 3 zeigt eine der Praxis nahe kommende LabVIEW-Simulation eines Zweipunktreglers inkl. Hysterese in Anwendung auf eine proportionale Strecke mit Verzögerung (PT1) und zusätzlicher Totzeit. Zusätzlich wurde eine additiv am Streckeneingang wirkende Störgröße modelliert. Kennzeichnend sind die durch die wiederholten Schaltvorgänge stark ausgeprägten periodischen Schwingungen des Istwerts sowie die Abweichung des Mittelwerts der Schwingung vom Sollwert.
Um das doch sehr ausgeprägte Schwingungsverhalten eines Zweipunktreglers zumindest etwas zu optimieren, kann man auf den Dreipunktregler übergehen. Dieser besitzt drei Schaltzustände. Dreipunktregler können an den zunächst zwei Umschaltpunkten ebenso mit einer Hysterese ausgestattet werden, so dass man dann auf vier Umschaltpunkte kommt. Dreipunktregler werden zunächst dort eingesetzt, wo Zweipunktregler an sich auch ausreichen würden, man jedoch diese Verbesserung erreichen möchte.
Temperatur bei einer Heizung regeln
Als Beispiel sei an dieser Stelle eine Temperaturregelung genannt, bei der es die drei Zustände Aus, halbe Heizleistung und volle Heizleistung gibt. Die zugehörige Kennlinie wäre dann gegenüber Bild 2 nach oben verschoben, so dass der linke Schaltzustand auf die Nulllinie fällt. Vor allem werden Dreipunktregler jedoch eingesetzt, wenn das Stellglied innerhalb der regelungstechnischen Anordnung sinnvollerweise auch drei Zustände ansteuern können sollte.
Dies ist beispielsweise bei motorgesteuerten Positionierungen häufig der Fall, wo der Motor vor und zurück geschaltet werden muss, bei Erreichen einer gewünschten Position aber auch einfach ausgeschaltet werden kann.
Von den unstetigen und stetigen Reglern
Möchte man die Nachteile der unstetigen Regler korrigieren, so muss man zu stetigen Reglern übergehen. Die stetigen Regler können beliebige Zwischenwerte innerhalb bauartbedingter Grenzen ansteuern, was jedoch nur Sinn macht, wenn auch die verwendeten Stellglieder diese Signale verarbeiten können, also selbst auch stetig arbeiten.
Der einfachste stetige Regler ist der P-Regler. Bei einem P-Regler existiert eine lineare Abhängigkeit zwischen der Regeldifferenz und der Stellgröße. Allerdings wird der P-Regler in der Praxis aufgrund seiner Nachteile eher selten verwendet. Das P steht für proportional (Formel 1):
Die Regeldifferenz e wird mit einem konfigurierenden Faktor kR (Verstärkungsfaktor) multipliziert und über das Stellglied als Stellgröße y auf die Strecke gegeben. Formel 1 bezieht sich auf den eigentlichen Regler inklusive Stellglied.
In Bild 4 ist die für Bild 3 benutzte Strecke mit einem P-Regler geregelt. Die periodischen Schwingungen sind verschwunden, je nach Niveau von Sollwert und Störgröße zeigen sich teilweise noch größere Regeldifferenzen. Sie lassen sich vermindern, wenn man kR vergrößert.
Bei komplizierteren Strecken kann der komplette Regelkreis so aber in die Instabilität führen. Aufgrund der Rückkoppelstruktur entstehen Dauerschwingungen über einen großen Bereich, der Regelkreis wird unbrauchbar. Der P-Regler wird deshalb oftmals erweitert (Formel 2):
Dieser sogenannte PI-Regler ist eine Parallelanordnung eines P-Anteils des proportionalen Reglers mit dem I-Anteil, also einem Integrator. Mit kR und der entsprechenden Zeitkonstanten TN (Nachstellzeit) hat man zwei Einstellparameter.
Der PI-Regler erlaubt zumindest beim absoluten Großteil proportional oder integrativ wirkender Strecken eine komplette Einregelung des Systems auf jeweils neue Sollwerte sowie eine vollständige Kompensation von nicht zu schnell sich ändernden Störgrößen. In den meisten Implementierungen wird noch der D-Anteil hinzugefügt.
Das D steht für Differenzieren und ist das Gegenteil des I-Anteils. Man spricht auch von einem konfigurierbaren Differenzierer. Der D-Anteil kann bei geeigneter Einstellung das Einschwingen auf neue Verhältnisse (Sollwert- und/oder Störgrößenänderungen) noch beschleunigen. Insofern ist der D-Anteil eine Art Tuning-Werkzeug.
Der so entstandene PID-Regler arbeitet nach folgender Vorschrift (Formel 3):
Der additiv in der Klammer hinzugefügte D-Anteil verfügt über eine parametrierbare Zeitkonstante TV (Vorhaltzeit). Das Bild 5 zeigt die deutliche Verbesserung einer PID-Regelung gegenüber der P-Regelung aus dem Beispiel in Bild 4.
Einige praktische Einstellregeln für die Reglerparameter
Für nicht zu kompliziertes Streckenverhalten haben verschiedene Autoren in der Vergangenheit ihre Empfehlungen veröffentlicht, wie man optimale Reglerparameter für den PID-Regler und Untervarianten ermitteln kann. Von diesen Reglervarianten sind einige sehr mathematisch und für den Anwender in der Praxis nicht gut anwendbar.
Andere hingegen, wie die Einstellregeln nach Ziegler und Nichols, erfordern Schwingversuche an realen Strecken. Sie sind in der Praxis nicht realisierbar. Sehr bewährt haben sich Verfahren, bei denen man die Parameter der Strecke grob abschätzt und dann auf Basis einfacher Formeln optimale Reglerparameter ermittelt.
Demgegenüber haben sich die in Bild 6 aufgeführten Verfahren gerade in der praktischen Anwendung sehr bewährt. Ausgangspunkt bildet eine theoretische oder experimentelle Untersuchung des Streckenverhaltens mit einer zumindest groben Abschätzung der signifikanten Streckenparameter, in diesem Zusammenhang auch als Ersatzparameter der Strecke bezeichnet. Ausgehend von diesen lassen sich die drei Reglerparameter des PID-Reglers dann gemäß der im Bild aufgeführten Rechenvorschriften ermitteln.
Der Autor des Beitrags ist Herausgeber eines Open-Access-Online-Kompendiums mit einem Multiple-Choice-Zertifikatstest
Quellen
Jörg Böttcher: Kompendium Simulation und Regelung technischer Prozesse. ISBN 9783752659528 (Paperback) bzw. ISBN 9783753447711 (E-Book), Verlag: Books on Demand (www.bod.de).
Jörg Böttcher: Kompendium Messtechnik und Sensorik (2. Auflage). ISBN 9783751932967 (Paperback) bzw. ISBN 9783752632491 (E-Book), Verlag: Books on Demand (www.bod.de).
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