Neue Analyseverfahren Organs-on-Chips und Organoids-on-Chips: Markt in China wächst schnell

Von Henrik Bork* Lesedauer: 4 min

Medizinische Biochips könnten in Zukunft Tierversuche überflüssig machen und die Erforschung von Krankheiten sowie Behandlungsmethoden revolutionieren. Schon gilt die Verzahnung von Elektronik und pharmazeutischer Forschung als wichtiger Zukunftsmarkt – auch in China.

Organs-on-Chips und Organoids-on-Chips haben das Potenzial, Tierversuche zum Nachweis der Wirksamkeit von Medikamenten zu ersetzen.
Organs-on-Chips und Organoids-on-Chips haben das Potenzial, Tierversuche zum Nachweis der Wirksamkeit von Medikamenten zu ersetzen.
(Bild: frei lizenziert / Pixabay)

Die „Konversion“ oder zunehmende Verzahnung von Elektronik und pharmazeutischer Forschung hält Investoren in China auf Trab. Zwei vielversprechende neue Felder der Biotechnologie, „Organs-on-a-Chip“ (OOAC) und deren Weiterentwicklung „Organoids-on-a-Chip“ gehören zu den am schnellsten wachsenden Nischen der Wirtschaft in der Volksrepublik.

Gab es im Jahr 2021 in China immerhin schon sechs große Investitionen in diesen beiden Technologie-Feldern mit einem Gesamtvolumen von 250 Millionen Yuan (31,6 Mio. Euro), so waren es ein Jahr später schon neun Finanzierungen mit einem Volumen von 400 Millionen Yuan (rund 50,6 Mio. Euro), ist dem kürzlich veröffentlichten „Weißbuch Organoids- and Organs-on-chips“ des Forschungsinstitutes VC Beat zu entnehmen. Und sowohl die Nachfrage, als auch die Umsätze in diesem Bereich wachsen ähnlich schnell.

Was die Pharma-Industrie und das Risikokapital in China dabei besonders interessiert, ist das Potenzial, mit Hilfe dieser neuartigen Mikrochips Tierversuche teilweise oder in der Zukunft vielleicht sogar völlig durch In-Vitro-Versuche im Labor ersetzen zu können. Tierversuche sind ethisch fragwürdig, sehr teuer und ihre Ergebnisse erweisen sich dennoch in den nachfolgenden klinischen Tests mit Freiwilligen viel zu oft als nicht auf den Menschen übertragbar.

Mit Biochips menschliches Gewebe simulieren

Ein Organ-on-a-Chip (OOAC) ist ein Biochip, mit dem die wesentlichen Funktionen von menschlichen Organen in einer Zellkultur und mit mikroelektronischen Impulsen simuliert und sehr exakt beobachtet werden können. Gewöhnlich aus einem transparenten Polymer hergestellt, konnten sie vor rund 13 Jahren zuerst die Lunge, seither auch schon die Nieren, andere Organe und Knochenmark imitieren.

Während die Technologie zuerst in den USA entwickelt worden ist, sind chinesische Unternehmen nun besonders schnell bei der praktischen Anwendung und wachsen mit jeder weiteren Finanzierungsrunde schnell zu Konkurrenten von ausländischen Firmen wie Emulate in Boston, Mimetas in Leiden, AxoSim, BiominX oder Elveflow heran.

Boomender Markt zieht neue Startups an

In den vergangenen fünf Jahren haben sich bereits die ersten heimischen Marktführer in China herauskristallisiert, darunter etwa Daxiang Biotech, Avatarget und Accurate International (Chuangxin). Während der Markt nun immer stärker boomt, werden immer neue Startups gegründet, allein im vergangenen Jahr zehn Stück, wie das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet.

Bei Ai Xiaoni, der leitenden wissenschaftlichen Beraterin von Daxiang Bio, steht seit Beginn dieses Jahres das Telefon kaum noch still, wie sie in einem Interview mit Caixin verriet. Pharma-Unternehmen, die bis vor kurzen noch zurückhaltenden waren, fragen nun plötzlich proaktiv nach den neuesten Produkten des Unternehmens und nach Kooperationsmöglichkeiten, berichtet sie.

Neuer Trend der „Organoids-on-a-Chip“

Und auch den neuesten Trend der „Organoids-on-a-Chip“ haben chinesische Unternehmensgründer und Investoren sehr schnell entdeckt. ImmunoChina, Hengrui Medicine, Qilu Pharma und andere chinesische Firmen haben diese neue Kombination von pharmakologischer Laborforschung mit Hilfe von Organoiden und der Chip-Umgebung von OOAC bereits in vorklinischen Tests eingesetzt und entsprechende Daten an zuständige chinesische Behörden gemeldet, schreiben Fachmedien.

Organoids-on-a-Chip können grob vereinfacht als das nächste technologische „Upgrade” von Organ-on-a-Chips bezeichnet werden. Die selbst-organisatorischen 3D-Modelle von Gewebe oder Organen können dabei auf Mikrochips noch einmal gezielter stimuliert werden und ihre Reaktionen auf bestimmte Stoffe sind noch besser messbar, was vor allem für das gerade entstehende Feld der Präzisionsmedizin hochinteressant ist.

Es handelt sich dabei also um eine Kombination aus dem „besten von zwei Welten“, eine wissenschaftlich-technische Konvergenz aus Mikrofluidik-Forschung und Mikroelektronik, aus Stemmzellenforschung und Detektionstechnologie.

Biochips im Fokus der chinesischen Politik

Auch was die Politik und Regulierungsbehörden betrifft, so lässt sich China nun vom Vorbild der USA und Europa inspirieren und schenkt diesen zwei neuen Technologien der Medikamentenforschung immer mehr Aufmerksamkeit.

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Schon im Januar 2021 hatte das chinesische Industrieministerium MIIT erstmals „auf Organoiden basierende, bösartige Tumor-Erkrankungsmodelle” als besonders förderungswürdig bezeichnet, nachdem sie zuvor im 14. Fünf-Jahresplan der Volksrepublik als Schlüsseltechnologie genannt worden waren.

Industrielle Lieferkette wird im Eiltempo hochgezogen

Mit dem China-typischen Schnellzug-Tempo entsteht nun gerade eine komplette industrielle Lieferkette mit neuen Chancen für ausländische und heimische Hersteller von Präzisions-Instrumenten und verwandten Labor-Ausrüstungen, CROs („pharmaceutical Contract Research Organisations“) und Biotech-Unternehmen.

Auch mehr Regulierung durch die Regierung wird in China künftig nötig sein. Derzeit ist noch nicht einmal klar, ob die vom Industrieministerium oder der Arzneimittel-Überwachungsbehörde übernommen werden soll.

Dennoch ist ein positives Momentum spürbar. Der Moment, an dem Tierversuche nicht mehr nötig sein werden, rückt dank des wissenschaftlichen Fortschritts und der Risikobereitschaft chinesischer Unternehmer von Tag zu Tag ein klein wenig näher. (me)

* Henrik Bork ist Managing Director und Analyst bei Asia Waypoint, einem auf den asiatischen Markt fokussierten Beratungsunternehmen mit Sitz in Peking.

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