Kommentar zu Europas Chip-Industrie Naive Hoffnung: Bei IC-Fertigung zurück zu früheren Marktanteilen

Von Sebastian Schmid

Die Europäische Union will die abgewanderte Chipproduktion zurückholen. Doch zu glauben, dass üppige finanzielle Anreize dafür ausreichen, wäre eine naive Hoffnung.

Breites Portfolio: Bosch fertigt elektronische Bauelemente für Fahrzeuge sowie die Konsumenten- und Unterhaltungselektronik – Komponenten, die stark nachgefragt werden.
Breites Portfolio: Bosch fertigt elektronische Bauelemente für Fahrzeuge sowie die Konsumenten- und Unterhaltungselektronik – Komponenten, die stark nachgefragt werden.
(Bild: Bosch)

Bosch hat am Montag eine Halbleiterfabrik in Dresden eröffnet und damit die Bedeutung von „Silicon Saxony“ für die europäische Chipfertigung weiter gesteigert.

Jeder dritte in Europa produzierte Halbleiter kommt bereits aus der Region in Sachsen, der dennoch nur eine geringe Rolle in der globalen Halbleiterversorgung zukommt. Die Knappheit, die in dem Markt weiter vorherrscht und von der die Automobilhersteller stark betroffen sind, wird das neue Bosch-Werk jedenfalls nicht beheben – auch wenn auf dem Nachbargrundstück genug Platz ist, um das Werk dort zu spiegeln und die Produktionskapazität damit zu verdoppeln.

Bosch-Chef Volkmar Denner rechnet ohnehin damit, dass sich der Halbleitermangel noch bis ins zweite Halbjahr 2022 hineinziehen kann. Der in Singapur ansässige Auftragsfertiger Flex fürchtet gar, dass sich die Knappheit für bestimmte Halbleiter bis ins Jahr 2023 hinziehen könnte. Entsprechend werden Kapazitäten längst nicht nur in Europa, sondern global ausgebaut. Die EU plant dabei bis 2030 eine Verdopplung ihres Anteils an der weltweiten Halbleiterproduktion.

Absturz von Europas Halbleiterindustrie: Große Naivität in der Vergangeheit

An diesem Mittwoch sollen die Details zu den ambitionierten Plänen vorgestellt werden, denen sich im Grundsatz bereits mehr als 20 Länder angeschlossen haben. „Wir möchten zurück zu unserem früheren Marktanteil an der Produktion“, erklärte EU-Industriekommissar Thierry Breton. Der ehemalige CEO von France Telecom führt den Absturz des europäischen Marktanteils auf eine zu große Naivität in der Vergangenheit zurück.

Gewagt ist allerdings auch das Ziel Bretons, Europa zu früheren Marktanteilen zurückzuführen. Denn selbst wenn das ambitionierte Ziel der Verdopplung des Anteils bis 2030 auf 20% gelingen würde, wäre Europa noch nicht einmal bei der Hälfte des Anteils von 1990. Laut Boston Consulting Group kommen Taiwan, Südkorea und Japan aktuell auf 60% Marktanteil. Neben Europa bauen die USA und China ihre Halbleiterfertigung mit Macht aus, so dass es wohl schon eines enormen Wachstums bedarf, um nur den aktuellen Anteil von 10% zu halten.

Hohe Subventionen alleine werden nicht ausreichen

Viel Geld bereitzustellen, wird kaum dafür sorgen, dass Halbleiterwerke plötzlich wie Pilze aus dem Boden schießen. Saftige Subventionen sind in der Branche global üblich. Was nötig wäre, ist ein Bürokratieabbau, der schnelle Projekt-Umsetzungen sowie Rechtssicherheit bietet.

Dass sich die in Europa üblichen bürokratischen Verfahren mit dem global höchsten Wachstumstempo paaren lassen, mag eine Hoffnung sein, aber diese wäre dann auch reichlich naiv.

Erstveröffentlichung auf Börsen Zeitung.

* Sebastian Schmid ist stellvertretender Chefredakteur der Börsen Zeitung.

(ID:47458487)

Jetzt Newsletter abonnieren

Verpassen Sie nicht unsere besten Inhalte

Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung