Aktion Elektronik hilft Nachhaltiges Wassermanagement für indische Städte

Redakteur: Dr. Anna-Lena Gutberlet

Verschmutzte Gewässer, fehlende Abwasserkanäle und Kläranlagen: Indiens schnell wachsende Städte kommen beim Infrastrukturausbau kaum nach – deutsche Wassertechnologien sollen nun helfen.

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Coimbatore in Südindien: Mit 1,7 Millionen Einwohnern auf 257 Quadratkilometern ist die Sicherung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eines der dringendsten Probleme der Stadt.
Coimbatore in Südindien: Mit 1,7 Millionen Einwohnern auf 257 Quadratkilometern ist die Sicherung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung eines der dringendsten Probleme der Stadt.
(Bild: J. Jackson)

In Indiens Städten ist der Bedarf an angepassten Lösungen für die kommunale Abwasser­reinigung und die Überwachung der Wasserqualität am größten. Dies zeigen erste Ergebnisse des Projekts „Smart Water Future India“, das vom Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB koordiniert und vom Bundesumweltministerium (BMU) gefördert wird. Konkret sollen intelligente und nachhaltige Wassermanagementstrategien für die südindische Stadt Coimbatore entwickelt werden.

Damit die Konzepte und Strategien auch in die Praxis umgesetzt werden, wird im Rahmen des Projekts ein sogenannter „Water Innovation Hub“ aufgebaut. In diesem Netzwerk arbeiten deutsche und indische Firmen eng mit Nichtregierungsorganisationen und Stadtverwaltung zusammen, um auch langfristig die dringend benötigten Lösungen für ein bedarfsgerechtes Wassermanagement bereitzustellen. Das Angebot reicht dabei von der Identifizierung von Maßnahmen über die Suche nach geeigneten Finanzierungs­mitteln und Industriepartnern bis zur Koordinierung von Pilotprojekten und Demonstration von Prototypen.

„Deutsche Unternehmen aus der Wasserbranche zeigen großes Interesse am dynamisch wachsenden indischen Markt, haben jedoch oft Schwierigkeiten, ihre Produkte hier abzusetzen“, berichtet Philip Okito, geschäftsführender Gesellschafter von trAIDe und im Projekt für die Einbindung der Unternehmen zuständig. Angesichts der Herausforderungen in ganz Indien kann der geplante Water Innovation Hub deutschen Firmen das Tor zum indischen Markt der Wasser- und Abwasserwirtschaft öffnen.

Das Team um Projektleiter Dr. Marius Mohr, Wasserexperte am Fraunhofer IGB, will noch 2018 mit indischen Partnern einen ersten Fahrplan aufstellen, bevor im Februar 2019 der Strategieplan für das Wasser­management der Stadt und das finale Konzept für den Water Innovation Hub vorgestellt werden.

„In Coimbatore besteht – wie in vielen anderen indischen Städten – dringender Handlungsbedarf, da sind sich alle Stakeholder vor Ort einig“, berichtet Mohr. Auf der Grundlage einer umfassenden Stadtanalyse und mit der Leitfrage, wie deutsche Wasserexperten zur Verbesserung der wasserwirtschaftlichen Situation in Coimbatore beitragen können, identifizierte das Projetteam dabei zwei konkrete Themenfelder, die von lokalen Akteuren aus Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft als besonders wichtig eingeschätzt wurden. Sie können zugleich erste Ansatzpunkte für eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Indien liefern: Ein integriertes semi-zentrales kommunales Wassermanagement, das auch die Sektoren Energie und Ernährung berücksichtigt, sowie Technologien, um die Wasserqualität von gereinigtem Industrieabwasser, Oberflächengewässern und Grundwasser zu überwachen sowie die Ergebnisse zu visualisieren.

Semi-zentrales Konzept als aussichtsreicher Ansatz

Wie in anderen schnell wachsenden indischen Städten fehlen auch in Coimbatore Abwasserkanalisation und Kläranlagen: Nicht einmal 40 Prozent des städtischen Abwassers wird zentral gesammelt; vielmehr wird der Großteil der Abwässer unkontrolliert in Flüsse und Seen eingeleitet. Doch wie können gangbare Lösungen aussehen? Da die Bevölkerung der Stadt nach wie vor wächst und mit ihr der Verkehr auf Coimbatores Straßen, ist es kommunalpolitisch problematisch, Hauptverkehrsadern und weitere stark frequentierte Straßen aufzureißen, um Kanäle für die steigende Abwasserfracht zu legen.

Einen sinnvollen Lösungsansatz liefern semi-zentrale Konzepte, in denen die Abwässer von Quartieren, die etwa 5.000 bis 50.000 Einwohner umfassen, gesammelt und gereinigt werden. Der Vorteil: Die Leitungsquerschnitte für die benötigten Abwasserkanäle sind geringer, Hauptverkehrsstraßen können ausgeklammert werden, viele kleinere Abwasserreinigungsanlagen sind einfacher, schneller und kostengünstiger zu realisieren als eine große Zentralkläranlage. „Darüber hinaus erlauben modulare semi-zentrale Systeme, gleichzeitig mit dem Abwasser organische Abfälle zu behandeln und aufbereitetes Wasser wiederzuverwenden, beispielsweise zur Bewässerung von Grünanlagen oder Straßenreinigung“, weiß Mohr.

Wasserqualität mit IT-Lösungen in Echtzeit überwachen

Die Renaturierung von Flüssen und Seen, in die jahrelang ungeklärtes Abwasser eingeleitet wurde, ist oberstes Gebot und wurde im Rahmen der Förderung im „100 Smart Cities“-Programm der indischen Zentralregierung beschlossen. Noch fehlt es jedoch an der Infrastruktur, die Ergebnisse der Renaturierungsmaßnahmen zu analysieren und zu dokumentieren. Und wie wird sichergestellt, dass Stadtteile oder Unternehmen nicht doch unbehandeltes Abwasser einleiten?

„Die Stakeholder waren sich auch hier schnell einig, dass ein Überwachungssystem für die Wasserqualität installiert werden muss, um Erfolge bei der Wasseraufbereitung – aber auch Verstöße – verfolgen zu können“, berichtet Mohr. Für ein solches System werden Sensoren für die automatisierte Erfassung der wichtigsten physikalischen, chemischen und biologischen Parameter der Wasserqualität an kritischen Einleitstellen und ein zentrales Labor zur qualitätsgesicherten Analyse weiterer Proben benötigt.

Die Vernetzung, Auswertung und Bereitstellung der Informationen ist dann durch entsprechende IT-Lösungen zu gewährleisten. Werden Echtzeitdaten mittels GIS-gestützter Systeme verknüpft und für alle zugänglich veröffentlicht, kann dies eine gesicherte Grundlage für weitere städtische Investitionsentscheidungen liefern und die notwendige Transparenz verbessern.

Technologien für die industrielle Abwasserreinigung in den Unternehmen, obschon neben den Kommunen weiterer maßgeblicher Verursacher von verschmutztem Grund- und Oberflächenwasser, sind aus Sicht aller lokalen Akteure dagegen durchaus vorhanden und – in der Nachbarstadt Tiruppur beispielsweise – auch erfolgreich im Betrieb. Es hapert hier vielmehr an der Durchsetzung der bestehenden Regelungen. Überwachungssysteme und damit eine größere Transparenz würden den Druck auf alle Beteiligten erhöhen, die Gesetze zu befolgen.

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