Schaltungsschutz Leiterbahnsicherungen, ein gefährlicher Mythos?
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Seit es Leiterplatten gibt, werden immer wieder Leiterbahnabschnitte als Schmelz-Sicherung ausgelegt. Heute hat diese Variante des Überstrom- oder Kurzschlussschutzes bereits in vielen Applikationen Einzug gehalten.

Dass Leiterbahnsicherungen nur selten in Anwendungen eingesetzt werden, ist nur zum Teil richtig. Der Begriff „Leiterbahnsicherung” erzielte in einer durchgeführten Recherche überraschend viele Treffer. Darunter auch mehrere Patente mit einer Vielzahl von Entgegenhaltungen. Dazu viele Bilder, Zeichnungen und Forenbeiträge.
So wie hier gezeigt oder ähnlich wird der vermeintliche Schutz nicht selten eingesetzt. Leiterbahnen die der Stromversorgung von Bauteilen oder von ganzen Boards dienen werden partiell in der Breite reduziert, um so an dieser Stelle eine geringere Belastbarkeit und damit ein Aufschmelzen der Leiterbahn bei Überlastung zu erreichen.
Dabei werden häufig zwar Design-Richtlinien (z. B. IPC- 2221B) berücksichtigt, spezifische technische Anforderungen der Sicherungstechnik bleiben dabei aber vermutlich unberücksichtigt.
Je nach Applikation können so gefährliche Schwachstellen entstehen, die im Ernstfall bis zum Brand des Boards oder des Gerätes führen. Fachleute, z. B. der Sicherungshersteller, werden häufig beim Designentwurf der Applikation nicht einbezogen. Die erreichte Schutzwirkung gleicht daher eher einer Art „Sollbruchstelle” die sich nicht an den spezifischen Eigenschaften des Sicherheitsbauteils „Schmelzsicherung” orientiert und somit vermutlich auch nicht nach fachspezifischen Vorlagen geprüft worden ist. Eine Spezifizierung, Überprüfung und Gewährleistung der sicherungstypischen Eigenschaften wie sie in einschlägigen Normen (z. B. EN 60127) gefordert werden, hat dann in der Regel nicht stattgefunden.
Das Gefahrenpotenzial solcher „Sollbruchstellen” ist daher vermutlich weitgehend unbekannt. Eine Einordnung als „gefährliche Bastelei” ist also offensichtlich durchaus begründet.
Warum Leiterbahnsicherungen gefährlich sind
Schmelzsicherungen funktionieren, indem ein metallischer Leiter „schmilzt“. Das erfordert bei den Sicherungen nach Standard sehr gute Kenntnisse der physikalischen Gegebenheiten sowohl während des normalen Betriebs, als auch während des Fehlerstromes der zum Auslösens der Sicherung führt. Eine schmelzende Leiterbahn wird immer, selbst bei optimaler Gestaltung der Engstelle (hot spot), sehr heiß und wird das Leiterplattenmaterial lokal sehr stark erwärmen.
Die Schmelztemperatur von Kupfer liegt bei 1.083 °C. Je nach Über- bzw Fehlerstrom kann eine sehr hohe Temperatur bis zu einige Sekunden anstehen.
Eine Platine wird heute in der Regel aus FR4-Material gefertigt. Die Temperatur, ab der das Epoxydharzgefüge weich und elastisch wird, auch „Glaspunkt” (TK) des Materials genannt, liegt bei TG ≥135 °C. In der Folge besteht für die Leiterbahn, aufgrund der Längenausdehnung des Kupfers, die Möglichkeit sich von der Leiterplatte zu lösen. Im Idealfall verliert der Hot Spot die Bindung zum Board und kann sich „aufwölben”. Das wäre für das gefahrlose Durchschmelzen des Leiters zwar ideal aber leider haben Versuche gezeigt, dass das auch bei optimaler Anpassung der Hot-Spot-Geometrie nicht reproduzierbar ist.
Es besteht jedoch eher die Gefahr, dass der Td-Wert von 301 °C oder 345 °C (FR4-Standard) erreicht wird. „Td“ steht für „Time to Decomposition“ und bezeichnet die Zersetzungstemperatur, bei der die Epoxidpolymerschicht irreversibel beschädigt wird. Das Material der Leiterplatte kann dann brennen oder verkohlen. Je nach anstehender Spannung lässt dann der entstehende Kohlenstoff Kriechströme zu, die sehr hohe Leistungen umsetzen können und die Gefahr eines Platinenbrands wahrscheinlich wird.
Ob und wann die beiden Temperaturpunkte TK und Td am Hot Spot der Leiterbahnengstelle erreicht werden, ist von der Zeit-Strom-Kennlinie der Engstelle und deren engster Umgebung abhängig.
Die Verwendung einer Leiterbahnsicherung als Kurzschlussschutz ist ebenfalls sehr bedenklich. Im Fall des Durchschmelzens der Leiterbahnengstelle entsteht ein Lichtbogen der, je nach Engstellengeometrie und Spannung, sehr energiereich sein kann. Bereits bei einer DC-Spannung von U>12 V besteht die Gefahr eines Abbrands der zuleitenden Leiterbahnen. Selbst wenn das Platinenmaterial nicht unmittelbar entflammt, würden in kurzer Zeit nachfolgende Kriechströme an der verkohlten Trennstelle hohe Leistungen umsetzen und zum Brand führen. Auch das Kondensat der verdampften Leiterbahn kann problematisch sein.
Wie immer gibt es aber auch Ausnahmen
Unter Berücksichtigung der, aus der Technologie der Schmelzsicherungen bekannten Techniken, sind in begrenzten Fällen funktionierende Lösungen möglich.
Warum gebräuchliche Leiterbahnsicherungen oft gefährlich sind und was der Fachmann, bei dem Entwurf einer Leiterbahnsicherung, zu beachten hat wurde in einem 2009 durchgeführten Projekt der DBU (Deutsche Bundesstiftung Umwelt) untersucht.
* Manfred Rupalla ist Senior-Berater für Geräteschutz bei der Elschukom GmbH.
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