Kompostierbare Elektronik fürs Gehirn
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Seit etwa einem Jahr forschen verschiedene Einrichtungen des Fraunhofer-Instituts unter Federführung des Instituts für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP an der Entwicklung biodegradierbarer Elektronik – elektronische Bauteile, die sich rückstandsfrei biologisch abbauen lassen. Auf der diesjährigen productronica werden erste Bauteile aus diesem Projekt vorgestellt.

Biodegradierbare Elektronik - das steht für elektronische Bauteile, die nach einer definierten Funktionszeit in einer biologischen Umgebung vollständig abgebaut werden. Eine solche Technologie hätte zwei gravierende Vorteile zu bieten. Das eine ist die Verringerung des ökologischen Fußabdrucks – also Müllvermeidung. Statt Elektroschrott anzuhäufen könnten biologisch abbaubare Elektronik in einer geeigneten Sammelstelle entsorgt und rückstandfrei abgebaut werden. In der Idealvorstellung dürfte die gedruckte Leiterplatte also einfach auf dem Kompost landen.
Zum anderen könnten sich durch diese Bauteile neuartige technische Anwendungen ergeben, etwa wenn Elektronik in einer biologischen Umgebung eingesetzt wird. Speziell für die Medizintechnik wäre biodegradierbare Elektronik interessant, besonders wenn es um Einsatzmöglichkeiten an kritischen Stellen geht.
Implantate oder Gehirnsonden wären hier gute Beispiele: Es wäre nur eine einmalige Operation zum Verpflanzen der Bauteile notwendig. So könnte beispielsweise ein aktives Implantat für die Epilepsiediagnostik an der Großhirnrinde verpflanzt werden. Dafür wäre nur ein minimalinvasiver eingriff nötig. Nach erledigter Arbeit löst sich die Elektronik rückstandsfrei auf . Weder wären weitere Eingriffe nötig, noch bliebe ein Fremdkörper im Gehirn zurück.
Unter der Federführung des Fraunhofer-Instituts für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP wurde daher im vergangenen Jahr ein Fraunhofer-internes Projekt zur Entwicklung biodegradierbarer Elektronik gestartet. Daran waren auch weitere Fraunhofer-Institute wie ENAS (Elektrische Nanosysteme), IBMT (Institut für Biomedizinische Technik), ISC (Institut für Silicatforschung) und IWKS (Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie ) beteiligt. Ziel war die Herstellung von biodegradierbaren Leiterbahnen auf biodegradierbaren Substraten in Vakuumtechnologie: Sowohl die elektronischen Verbindungen als auch das Trägermaterial selbst sollten vollständig biologisch abbaubar sein.
Die Forscher haben sich im „bioElektron - Biodegradierbare Elektronik für aktive Implantate“ genannten Verbundprojekt der Entwicklung wesentlicher Komponenten für biodegradierbare elektronische Bauteile verschrieben. Diese könnten dann zum Beispiel in einem medizinischen Implantat eingesetzt werden. Dabei standen folgenden Bauteilkategorien standen bei der Entwicklung im Mittelpunkt:
- Biodegradierbare Leiterbahnen
- Biodegradierbare Elektrodenkontakte für elektrische Signalableitung oder Stimulation
- Biodegradierbare Dünnschichttransistoren und Schaltungen
- Biodegradierbare Barriereschichten als Wasser- und Gasbarriere und elektrische Isolationsschichten.
Inzwischen können erste Bauteile aus dem Projekt vorgestellt werden. “Wir stehen nun bereit, diese Ergebnisse auf der productronica 2017, auf dem Silicon-Saxony-Gemeinschaftsstand, in der Halle B1, Stand Nr. B1-416 mit interessierten Partnern aus Industrie und Wissenschaft zu diskutieren, um sie zeitnah in die Praxis umsetzen zu können“, erklärt Dr. Michael Hoffmann vom Fraunhofer FEP und Leiter des Projekts bioElektron.
Am Fraunhofer FEP werden derzeit Leiterbahnen und organische Dünnschichttransistoren in Vakuumtechnologie entwickelt. Als Basistechnologie wird dafür die Abscheidung von Magnesium durch thermische Verdampfung im Hochvakuum genutzt. Magnesium eignet sich als biodegradierbares und biokompatibles Metall - es ist biologisch abbaubar und das Infektionsrisiko beim medizinischen Einsatz im Körper ist vergleichsweise gering. Daher wird das Material bereits als absorbierbares Implantatmaterial in der Medizintechnologie genutzt.
Die Herausforderung bestand für die Forscher darin, dieses Metall auch auf einer ebenfalls biologisch abbaubaren Trägersubstanz zu platzieren. In normaler Prozessführung haftet Magnesium nicht auf den üblichen biodegradierbaren Polymerfolien. Durch geeignete Vorbehandlung der Substrate mittels Kombination von Trocknung, Plasmabehandlung und Verwendung von Saatschichten ist es den Fraunhofer-Forschern allerdings mittlerweile gelungen, fein strukturierte Leiterbahnen in hoher Qualität darzustellen.
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