Keine Hitze, kein Laser, kein Pulver: 3D-Metalldruck neu erfunden

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Eine neuartige patentierte Technik zur elektrochemischen Deposition soll additive Metalldruckverfahren industriefähig machen. Das Verfahren ist kostengünstiger als Laser-basierte Prozesse, liefert gute Qualität und ist einfach zu skalieren – und kann hochleitfähiges Kupfer einfach verarbeiten.

Mit dem Druckkopf in Dünnfilmtechnologie werden hochauflösende 3D-Strukturen erzeugt.
Mit dem Druckkopf in Dünnfilmtechnologie werden hochauflösende 3D-Strukturen erzeugt.
(Bild: Fabric8Labs)

Der 3D-Druck verwirklicht nicht nur die kreativen Ideen von Hobbyisten. In den letzten Jahren ist er auch zu einer voll einsatzfähigen Produktionstechnologie geworden. Als Grundlage der additiven Fertigung – einer Technologie, die dreidimensionale Objekte durch das Aufschichten einzelner Layer erzeugt – gewinnt der 3D-Druck mit Metallen in den industriellen Lieferketten für Entwicklung, Fertigung und Ersatzteile rapide an Interesse gegenüber den traditionellen Methoden zur Produktion metallischer Teile.

Der 3D-Druck ist schnell: Ein Produkt lässt sich an einem Tag entwerfen, herstellen und testen. Und vielseitig: Er erlaubt die Gestaltung komplexer Geometrien, die keinen Zusammenbau, Bohrungen oder Tools erfordern. Er ist präzise: Kleine Komponenten – einschließlich beweglicher Teile – lassen sich als Ganzes in hoch kontrollierbarer Weise mit extremen Toleranzen ausdrucken. Das erhöht die Fertigungsqualität. Damit nicht genug: Die additive Fertigung erzeugt signifikant weniger Abfall als traditionelle Verfahren – bis zu 90%.

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Das klingt fantastisch, doch die Applikationen beschränken sich bislang auf das Prototyping. Und die meisten Hersteller zögern bei der Einführung dieser Technologie. Denn auf der anderen Seite gilt, dass der metallische 3D-Druck hohe Investitionen, gut ausgebildete Fachkräfte und eine kostspielige Material-Bereitstellung erfordert. Die derzeit verfügbaren Technologien kosten bis zu 2000 Dollar pro Kilogramm an gefertigten Teilen. Das limitiert sehr stark die möglichen Applikationen und deren Marktpotenzial. Das Ziel ist also die rasche Transformation des 3D-Metalldrucks in eine wirtschaftlich vertretbare industrielle Option.

Mit Unterstützung von imec.xpand beteiligt sich Fabric8Labs an diesem Rennen – mit einer neuartigen Drucktechnik, die als ECAM (electrochemical additive manufacturing) bezeichnet wird (Bild 1). ECAM übertrifft die bisher geltenden Schlüsseleigenschaften des 3D-Drucks durch eine um das Zehnfache geringere Cost of Ownership. Die Fabric8Labs-Gründer Jeff Herman (CEO) und David Pain (CTO) erklären, wie ECAM die additive metallische Fertigung revolutionieren wird.

Elektrochemisches Bad statt thermisches Verfahren

Mit ihrem professionellen Background in der Fertigungstechnik fiel den Gründern von Fabric8Labs auf, dass es bislang keine besonders gut geeignete Technologie für den 3D-Metalldruck gibt. Die meisten State-of-the-Art Prozesse verwenden thermische Verfahren, um pulverförmige Metalle zusammenfügen. Derzeit erfordert dies Maschinen mit komplexen Lasersystemen. Außerdem sind die Metallpulver sehr teuer. Das begrenzt natürlich die Applikationen des 3D-Drucks stark. Die Lösung von Fabric8Labs, ECAM genannt, besteht in der elektrochemisch basierten additiven Fertigung. Inspiriert wurde sie durch ein ganz ähnliches, in der Halbleiterindustrie eingesetztes elektrochemisches Depositionsverfahren zur Herstellung sehr kleiner Strukturen für MEMS-Bausteine.

Fabric8Labs hat nun ECAM zu einer flexiblen Lösung für den industriellen 3D-Druck weiterentwickelt. Diese Technik kommt ganz ohne thermische Prozesse, Laser oder Pulver aus. Sie basiert voll und ganz auf der Elektrochemie. Als Ausgangspunkt fungiert ein elektrolytisches Bad mit gelösten Metallsalzen. Der Druckkopf ist ein Array aus Mikro-Elektroden (Bild 2). Durch selektives Aktivieren der Elektroden im gewünschten Muster fließt ein Strom durch das Bad und scheidet das Material entsprechend ab.

Warum die Elektrochemie Laser und Pulver übertrifft

Einer der Hauptvorteile dieses Verfahrens ist sein geringerer Preis. Es reduziert die Kosten der Technologie auf zweifache Weise. Erstens ist der Drucker selbst billiger, da die teuren Komponenten traditioneller 3D-Metalldrucker, etwa der Laser, nicht benötigt werden. Zweitens, noch wichtiger, ist auch der Elektrolyt im ECAM-Printer im Vergleich zu Metallpulvern signifikant kostengünstiger. Die Verbrauchsmaterialien sind deshalb um eine ganze Größenordnung billiger als das gegenwärtige Angebot des Wettbewerbs.

Das ist aber nur eine Hälfte der Gleichung. Die Tatsache, dass man die dreidimensionalen Komponenten ausgehend von der atomaren Skala aufbaut, bringt außerdem einen Vorteil in Bezug auf die erreichbare Qualität. Wenn man Metallpulver zusammenfügt, können dabei leicht Microvoids entstehen, mit rauen Oberflächen und thermischen Stresseffekten. Der ECAM-Prozess hat keine dieser Probleme, da er die gewünschte Form Atom für Atom aufbaut. Dies resultiert in absolut dichten Oberflächen mit sehr gutem Finish.

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Doch da ist noch ein weiterer Vorteil dieser Technik gegenüber den Laser-basierten Systemen: Es wird immer ein vollständiger Layer aufgebaut, statt mit einem Laser die aufzubauende Oberfläche abzuscannen. Dies vereinfacht die Skalierung. Zusammen mit imec befasst sich Fabic8Labs deshalb mit den Möglichkeiten zur Entwicklung eines Druckkopfes für immer größere Objekt-Dimensionen. Derzeit ist der Druckkopf, und damit die nutzbare Druckfläche, auf 25 x 25 mm beschränkt. Doch dies lässt sich erweitern, wenn die Technologie zu Druckköpfen im Format etwa eines großen TV-Monitors fortschreitet. Dann wird es möglich, Objekte von mittlerem Volumen oder auch sehr große Teile zu produzieren. Mit Lasersystemen ist das undenkbar. Sie würden das Hinzufügen von mehreren Lasern erfordern, um auf derartige Volumina zu skalieren. Mit der ECAM-Technologie lässt sich mit einem größeren Druckkopf der Druck großer Objekte in einem Durchgang absolvieren (Bild 3).

Die Verbindung mit imec

Der Druckkopf ist der Grund, dass Fabric8Labs früh mit imec in Verbindung trat. Die erste Proof-of-Concept-Technologie war eine rohe Implementierung mit niedriger Auflösung und großen Elektroden. Schnell wurde klar, dass der Ansatz der Halbleiterindustrie den Weg zur weiteren Miniaturisierung dieser Implementierung weisen würde. An diesem Punkt stieg imec mit Design-Services und Expertise bei der Entwicklung des Mikro-Elektroden-Arrays ein. Dazu wurde die Technologie als Designstudie per Simulation evaluiert, um sie für die vorgesehene Anwendung geeignet zu machen.

In dieser Kollaboration wurde der Druckkopf an den Einsatz der Dünnfilm-Display-Technologie angepasst. Das ermöglichte den Druck der ersten hochauflösenden 3D-Strukturen. Darüber hinaus zeichnete imec.xpand die erste Seed Investment Runde für Fabric8Labs unter Beteiligung eines US-basierten Corporate Investors. Imec.xpand ist ein unabhängig geführter Value-add Venturekapital-Fonds, der auf hardware-basierte Innovationen der Nanotechnologie fokussiert, während imec eine wichtige Rolle mit Technologien, Expertise, Vernetzung und Infrastruktur übernimmt.

In Zukunft will imec auch sein spezifisches Prozesswissen über Dünnfilm-basierte Backplanes beisteuern, das diese chemisch widerstandsfähig und mechanisch stabil macht. Auch wird imec beim Design des Druckkopfes der nächsten Generation Unterstützung leisten.

Die größte derzeitige Hürde ist das geringe Aufbauvolumen von 25 x 25 x 75 mm. Aus diesem Grund werden gegenwärtig nur kleine Testexemplare an Kunden ausgeliefert, etwa Material-Samples, Zugstäbe und Teile mit kleinerem Formfaktor. Mit dem Drucker der nächsten Generation, der nächstes Jahr verfügbar sein wird, können reguläre Teile auf einer nutzbaren Druckfläche von 100 x 100 mm hergestellt werden (Bild 4). In der weiteren Zukunft sollen mit der dritten Generation des Druckers Teile mit Abmessungen von 300 x 450 mm möglich werden.

Von einzelnen geeigneten Materialien zum Multimaterialdruck

Die neue Drucktechnik bedeutet keinerlei Kompromisse in der Auflösung oder Geschwindigkeit. Ihr größter Nachteil besteht in der begrenzten Auswahl geeigneter Materialien. Der ECAM-Druck ist beschränkt auf Materialien, die galvanisierbar sind. Im Moment bedeutet dies etwa 30 bis 40 druckfähige Materialien. Es gibt auch eine Liste von Materialien, die nicht geeignet sind, etwa komplexe Legierungen, die die Kontrolle zahlreicher unterschiedlicher Elemente erfordern. Auf jeden Fall ermöglicht ECAM den Einsatz einer Vielzahl von Material-Optionen aufgrund der Tatsache, dass der Prozess die laufenden Fortschritte in der Galvano-Industrie nutzen kann. Besonders aussichtsreich sind in diesem Fall die Anwendungen von Kupfer, wo diese Technik einen realen Gewinn verspricht. Man denke an Wärmetauscher oder Chipgehäuse für Halbleiter-Applikationen, die – thermisch oder elektrisch – auf hochleitfähiges Kupfer fokussieren. Andere Systeme haben mit solchen Teilen ihre Probleme, da Kupfer sehr schwierig per Laser zu verarbeiten ist.

Eine weitere Gelegenheit wartet bei Komponenten, die aus mehreren Materialien bestehen. Auf lange Sicht wird es möglich sein, unterschiedliche Materialien auf der Außen- und Innenseite dieser Teile zu drucken, und auch Metalle und organische Materialien in einem Bauteil zu kombinieren. Prinzipiell kann alles, was sich per Galvanik fertigen lässt, für den Prozess adaptiert werden. Es gibt gewisse Plastikmaterialien, die galvanisiert werden können, und eine Anzahl von Materialien, die man dem Bad hinzufügen kann, um sie zusammen mit dem Metall abzuscheiden. Beispiele sind Carbon-Nanoröhren oder Diamantpulver, die man vorteilhaft wegen ihrer speziellen Eigenschaften einsetzen kann.

Die Zukunft des 3D-Metalldrucks

Was wird in Zukunft möglich sein? Der Haupt-Fokus für Fabric8Labs liegt derzeit auf der Skalierung der Druckköpfe auf größere Dimensionen. Zur gleichen Zeit ist der Einsatz anderer Materialien, etwa von unterschiedlichen Nickel-Legierungen, hoch auf der Agenda. Die Vorarbeiten für die Entwicklung der entsprechenden Bäder sind bereits im Gange. Danach steht der Multi-Material-Druck auf dem Programm. Im Vorausblick auf die nächsten fünf bis zehn Jahre gibt es zahlreiche Möglichkeiten zur starken Verkleinerung der Pixel, um den Druck von MEMS-Strukturen zu ermöglichen, und andererseits für Druckköpfe im Format von mehreren Metern, die für die Massenfertigung geeignet sind. Es wird also möglich sein, von der gegenwärtigen Millimeter-Dimension zum Nanoscale-Druck überzugehen.

Originalveröffentlichung im imec Magazine September 2019 unter dem Titel: No heat, no laser, no powder: Fabric8Labs reinvents 3D-metal printing

* Jeff Hermann ist CEO von Fabric8Labs. ​**David Pain ist CTO von Fabric8Labs.

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