In-vitro-Diagnostika: EMS-Anbieter unterstützt beim zertifizierten Laborbedarf
Laborausrüstung für die In-vitro-Diagnostika erfordert neben hohem technischen Verständnis auch Kenntnisse aus dem regulatorischen Umfeld, da sie der europäischen Richtlinie 98/79/EG unterliegen. Ein EMS-Anbieter unterstützt den Hersteller.
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Produkte für den allgemeinen Laborbedarf (RUO = Research Use Only bzw. In-Haus-Produkte) für den Markt der In-vitro-Diagnostika (IVD) ist für die Hersteller schwierig. Möchten die Hersteller die bestehenden RUOs als IVD zertifizieren, haben sie mit hohen regulatorischen Anforderungen zu kämpfen. Bei der In-vitro-Diagnostika handelt es sich um eine Untergruppe von Medizinprodukten, also typischerweise Laborgeräte, mit denen von oder aus dem Körper stammende Proben wie Blut, Gewebe oder Urin zur Diagnose analysiert werden.
Dazu zählen neben Reagenzien, Reagenzprodukte, Kalibriermaterialien und Kits auch Geräte und Systeme sowie die dazugehörige Software. Produkte und System für IVD unterliegen der europäischen Richtlinie 98/79/EG (IVDD). Für sogenannte In-Haus-Produkte, die nicht als eigentliche Medizinprodukte betrachtet werden, gilt diese Richtlinie nicht. Zwar unterliegen auch diese bestimmten nationalen Regelungen. Die Messlatte ist jedoch deutlich niedriger angesetzt.
Verständnis des regulatorischen Umfelds
Für die Hersteller solcher Produkte und Systeme heißt es, die optimale Balance zwischen hoher Qualität auf der einen und kosteneffizienter Fertigung auf der anderen Seite zu finden. Dazu notwendig sind branchenspezifisches technisches Know-how und ein ausgeprägtes Verständnis des regulatorischen Umfelds. Bevor ein Instrument oder Probenvorbereitungssystem als IVD-Gerät für klinische Anwendungen kategorisiert werden kann, müssen mögliche eventuelle Sicherheitslücken geschlossen und eine durchgehende Qualitätskontrolle über den gesamten Produktlebenszyklus sichergestellt werden.
Das beginnt vom ersten Design über die Fertigung bis hin zu sogenannten After-Market-Services. Die technische Expertise ist jedoch nur ein Faktor. Wer mit den komplexen regulatorischen Feinheiten im Umfeld des Life Sciene nicht im Detail vertraut ist, kann hier schnell ins Schleudern geraten. Die Erfahrung in der Entwicklung von medizinischen Geräten und Gesundheitsprodukten der Klasse I bis III kann daher als Grundvoraussetzung gesehen werden, um die Sicherheit, Zuverlässigkeit und Qualität der Produkte kontinuierlich zu gewährleisten.
Der EMS-Partner unterstützt aus erster Hand
Ob als Research Use Only oder In-vitro-Diagnostika: Für einen Hersteller ist es eine schwierige Aufgabe, solche Produkte schnell auf den Markt zu bringen. Hinzu kommt eine wachsende Komplexität von Life-Science-Produkten und medizinischen Geräten womit die Anforderungen – sowohl hinsichtlich der fachlichen Expertise als auch der Ressourcen und Fertigungskapazitäten – zudem deutlich gestiegen sind. Für jedes hochkomplexe Gerät, das in kleinen oder mittleren Stückzahlen gefertigt wird, sind unzählige Entscheidungen zu treffen, die sich auf die Total-Cost-of-Ownership eines Produkts, auf seine Zuverlässigkeit oder auch auf die Benutzerfreundlichkeit für den Endanwender auswirken. Wer hier Unterstützung aus einer Hand bezieht und mit einem Full-Service-Partner über den kompletten Produktlebenszyklus zusammenarbeitet, kann viel Zeit sparen und Ressourcen effizienter einsetzen.
Je mehr unterschiedliche Partner an einem Projekt arbeiten, desto mehr Abstimmungen sind nötig. Dazu gehört es, Vorschläge zu überprüfen, zu vergleichen und schließlich in ein Design zu konsolidieren. So vergeht oftmals einige Zeit, ehe der erste Prototyp überhaupt entstehen kann. Ein schlanker, einheitlicher und optimierter Ansatz des Design-to-Manufacturing zusammen mit einem Partner sorgt nicht nur für einen reibungslosen Übergang in die Fertigung, sondern senkt auch komplexe Aufgaben und mögliche Hürden innerhalb der Lieferkette. Letztendlich können sich Hersteller so wieder ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, statt einer Vielzahl an Partnern, Zulieferern und Drittdienstleister zu managen und zu koordinieren.
Humane Papillomviren (HPV) erkennen
Ein gutes Beispiel für eine solche Zusammenarbeit ist die Markteinführung eines Diagnosesystems zur Bestimmung von Humanen Papillomviren (HPV) zur Diagnose von Gebärmutterhalskrebs. Dabei wurde ein ursprünglich für den Laboreinsatz konzipiertes System so modifiziert, damit es die IVD-Zertifizierung erhält. Der Hersteller aus dem Healthcare und Life Sciences setzte dabei beim Design und der Entwicklung des Systems auf den EMS-Experten von Plexus. Die Aufgabe bestand darin, ein automatisiertes Probenvorbereitungssystem für die zerstörungsfreie Analyse (NDA) bei der HPV-Diagnose zu entwickeln. Jährlich erkranken in Deutschland rund 4600 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Bei knapp 99% der Fälle wird das Humanen Papillomvirus, kurz HPV, bei den Patientinnen vorgefunden. Von bestimmten HPV-Typen ist bekannt, dass sie bei Frauen Zellabnormitäten und Krebs verursachen. HPV-Tests werden daher angewendet, um frühzeitig eine Infektion zu erkennen, noch ehe es zu Zellabnormitäten kommt.
Bewährte Komponenten im Systemdesign
Da auch andere Lösungen für eine HPV-Diagnose vor der Markteinführung standen, galt es das Probenvorbereitungssystem schnellstmöglich umzusetzen, um sich gegenüber dem Wettbewerb wichtige Marktanteile zu sichern. Das geplante Time-to-Market sollte dabei maximal zwei bis drei Jahre betragen. Dieser ehrgeizige Plan bedeutete Einschränkungen hinsichtlich der eingesetzten Komponenten. Daher entschloss Plexus gemeinsam mit dem Kunden, im Systemdesign auf bewährte Bauteile zu setzen. Dieses gewählte Vorgehen setzte wiederum eine enge und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit voraus.
Die Medizin-Experten von Plexus kennen sich in den Feldern Mechanik, Elektronik und Software aus und stimmten sich mit den Ingenieuren aus dem Design ab. Das Industriedesign-Team von Plexus stand in direktem Kontakt mit dem Marketing des Kunden. Um einen umfassenden Einblick der nötigen Arbeitsvorgänge zu gewinnen, wurden wöchentliche Besprechungen, Besuche beim Kunden vor Ort sowie Treffen mit Endanwender abgehalten. Regelmäßige Treffen auf Managementebene sowie der enge Kontakt zum Kunden-Team erlaubten eine offene Kommunikation. In enger Absprache mit den Teams konnte das Systemkonzept von Grund auf geprüft werden, ehe neue Ideen zur Optimierung vorhandenen Design-Aspekten in das System eingebracht wurden. Dabei führten die Experten Tests durch und entwickelten Prototypen, um die Möglichkeiten der Optimierung sowie Änderungen innerhalb eines iterative Design-Prozesses auszuloten.
Keine Abstriche beim Bedienkomfort
Dabei rückte die Verbesserung von Arbeitsvorgängen im Labor und ein höherer Bedienkomfort verstärkt in den Fokus der beteiligten Entwickler. Im Rahmen der Probenvorbereitung werden wiederholt die Verschlusskapseln der Probenbehälter geöffnet und geschlossen. Bei vielen Labortechnikern führt dies häufig zu einem Karpaltunnel-Syndrom. Das Gerät sollte daher über Decapping- und Recapping-Funktionen verfügen und die Probenvorbereitung automatisieren, wenig Stellfläche beanspruchen und die Mitarbeiter von zeitraubenden Routine-Aufgaben befreien. Plexus konnte hier beim Systemdesign auf die Erfahrung und Know-how aus einem anderen Projekt einbringen.
Insgesamt finden sich im System 29 Bewegungsachsen, integrierte Barcode-Leser, Rüttler, Decappers, Pipettierer, Heizelemente und Reagenzien sowie Handler für Pufferlösungen. Die Softwaresteuerung des Systems basiert auf einer SPS (Speicher-programmierbare Steuerung), an die eine von Plexus entwickelte grafische Bedienschnittstelle angeschlossen ist. Diese nutzt den Code von C#, XAML-Dateien sowie eine SQL-Server-Datenbank. Universell einsetzbare Funktionstestsysteme erlauben es, zehn verschiedene Unterbaugruppen zu überprüfen. Dadurch ließen sich vor Ort austauschbaren Einheiten (FRUs) realisieren. Doppelt verfügbare Testsysteme ermöglichen es zudem, die Fertigung parallel zu kontrollieren.
Die Komplexität des Produkts war für die Entwickler und das Supply-Chain-Management keine einfache Aufgabe. Einige Kernbestandteile schrieb der Kunde vor. In anderen Fällen musste Plexus mehrere Zulieferer beauftragen, um eigenes Ausgangsmaterial bereitstellen und erforderliche Komponenten vormontieren zu können. In enger Zusammenarbeit mit dem Kunden und den jeweiligen Zulieferern aktualisierte der EMS-Dienstleister die verschiedenen Bauteilespezifikationen. Damit gelang es, die technischen Vorgaben des Systems vollständig zu erfüllen und weiterhin die Systemfunktionalität zu gewährleisten. Die Anforderungen wurden über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg kontinuierlich angepasst: Ergebnisse aus Zuverlässigkeitsprüfungen flossen in die Entwicklung ein und sorgten für ein stabiles Design. So konnte das Produkt neu definiert werden und alle Voraussetzungen erfüllen.
Alle regulatorischen Anforderungen werden erfüllt
Der Plan ging auf: Dank der durchdachten und aufeinander abgestimmten Prozesse innerhalb des Value-Stream-Service-Modells von Plexus, ließen sich alle Systemanforderungen umsetzen. Sowohl das Probenvorbereitungssystem als auch zugehörige Testanwendungen konnten in weniger als drei Jahren reibungslos in die Produktion überführt werden. Darin enthalten waren alle Vorgaben für die IVD-Zertifizierung. Das System erfüllt die regulatorischen Anforderungen wie EMC, elektrische Sicherheit sowie medizinische Geräte-Software gemäß IEC62304 mit Softwaresicherheitsklassifikation der Klasse B. Da der Kunde das fertige medizintechnische Produkt rechtzeitig auf den Markt bringen konnte, gelang es dem Hersteller, wertvolle Marktanteile bei den HPV-Testsysteme zu gewinnen und seine Entwicklung im Markt für Life-Sciences-Produkte zu etablieren.
Neben der Automatisierung vieler integrierter Funktionen hilft der Bedienkomfort des Systems, damit der Endanwender sowohl schnell, zuverlässig als auch benutzerfreundlich die jeweiligen Proben untersuchen kann.
Dieser Beitrag ist erschienen in der Fachzeitschrift ELEKTRONIKPRAXIS Ausgabe 21/2019 (Download PDF)
* Robert Frodl ist Director DACH Region Customer Development for Engineering bei Plexus.
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