IGBT & Thyristor: Leistungselektronik in Stoßstromanlagen bis 35 kA
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Die Prüfung von Sicherheitselementen unter Kurzschlussbedingungen ist ein wichtiger Sicherheitsaspekt bei der Entwicklung der neuen Elektrofahrzeuge und erfolgt mit einer Stromstoßanlage. An ihre IGBTs werden dazu hohe Anforderungen gestellt.

Die Spannungen von Traktionsbatterien in Elektrofahrzeugen liegen heute typischerweise im Bereich von 400 bis 800V und können in Zukunft Werte von 1500 V anstreben, da mit höherer Spannung eine höhere Leistung bei geringeren Verlusten erreichbar ist. Die Energien in diesen Speichern sind enorm und können im Fehlerfall erheblichen Schaden anrichten. Sicherheitseinrichtungen in Elektrofahrzeugen gewährleisten, dass die hohen Spannungen und Energien in den Hochvolt-Batterien keine Personen gefährden – weder Fahrer, Mitfahrer oder Ersthelfer im Falle der Rettung nach einem Unfall.
Selbst im Falle eines Crashs muss sichergestellt sein, dass keine gefährliche Spannung an die Karosserie des Fahrzeugs gelangt. Dafür werden Sicherungen eingesetzt, die den Energiespeicher sehr zuverlässig trennen, bevor sich stromführende Teile in ihrer Form verändern und Kontaktierungen bilden können. Angenommen, es tritt durch den Crash dennoch ein Kurzschluss im Fahrzeug auf, müssen Ströme von mehreren Kiloampere zuverlässig getrennt werden. Dies erfolgt z.B. mit Hilfe von sogenannten Pyrosicherungen, die die elektrische Verbindung durch eine kleine Sprengung aufheben, ähnlich den im Automotive-Bereich üblichen Zündpillen von Airbags. Pyrosicherungen sind ein sicherheitsrelevantes Bauteil und müssen deshalb intensiv geprüft werden.
Um das Auslöseverhalten einer solchen Komponente unter simulierten Kurschluss-Bedingungen nachzuweisen, ist eine Stromquelle nötig, die einerseits für einige Millisekunden mehrere Kiloampere an Strom liefern kann. Darüber hinaus muss die Stromquelle eine realistische Batteriespannung von bis zu 1500 V erzeugen, während die Sicherung auslöst.
IRS Systementwicklung und GvA Leistungselektronik entwickeln in enger Zusammenarbeit Pulsstromquellen für bis zu 35 kA. Diese Kooperation vereinigt die jahrelange und solide Erfahrung von GvA für Leistungselektronik, Hochstrom-Design und Anlagenfertigung und IRS für Software, Sicherheits- und Messtechnik.
Definition der Eigenschaften und Anwendungsfälle
Der Prüfbetrieb fordert Spitzenströme wie erwähnt bis zu 35 kA und Spannungen bis 1500 V. Die im Prüfverlauf angewandte Pulsdauer beträt ca. 5 ms bei einem Strom von 30 kA. Zur Anwendung kommt eine Einzelschuss- oder optional die Multischuss-Funktion mit IGBT-Leistungshalbleitern.
Mit den Stromstoßanlagen von GvA und IRS lassen sich verschiedene Schalteinrichtungen im Automotive-Bereich prüfen. Der Fokus liegt derzeit klar in der Trennung von Traktionsbatterien im Falle eines Crashs; aber auch Anwendungen im Energiesektor haben ähnliche Anforderungen.
Der Einsatz der Anlagen findet sich einerseits bei der Design-Validierung bei Herstellern und Prüfinstituten. Zudem stellen Stichprobentests in der Fertigung die Zuverlässigkeit der Produkte mit Stromstoßanlagen sicher.
Ströme von 35 kA bei Spannungen von 1500 V bedeuten eine Spitzenleistung von mehr als 50 MW für kurze Zeit. Diese Leistung kann nicht einfach aus dem Netz entnommen werden. Weder in einer leistungsfähigen Industrieanlage, ganz zu schweigen aus Standard-Netzsteckdosen in einem Labor. Die Energie muss zwischengespeichert werden, um später blitzschnell (verzögerungsfrei) zur Verfügung zu stehen.
Der dafür verwendete Energiespeicher ist ein Kondensator, der von Gleichspannungsnetzteilen auf eine vordefinierte Spannung geladen wird. Der Strompuls beginnt, wenn der Kondensator über den Prüfling und einen zusätzlichen einstellbaren Widerstand in Reihenschaltung entladen wird. Ein schneller Halbleiterschalter für hohe Ströme definiert den Zeitpunkt der Entladung, während mechanische Schalter eine sichere Trennung während Rüst- und Wartungsarbeiten gewährleisten. Der Widerstandswert und die Spannung legen den Prüfstrom fest.
Der Energiespeicher der Stromstoßanlage
Realistische Batteriespannungen liegen bereits heute im Bereich von 400 bis 800 V und werden 1500 V in der Zukunft anstreben. Deshalb müssen Kondensatoren mit hoher Spannungsfestigkeit eingesetzt werden. Weiterhin benötigen die Kondensatoren hohe Kapazitäten von mehr als 1 F, damit die Spannung in gewissen Grenzen bleibt, während der hohe Pulsstrom fließt. Solche spannungsfesten Kondensatoren mit hoher Kapazität benötigen sehr viel Platz – je nach Ausbaustufe zwischen drei bis acht Schaltschränke.
Um die Kondensatoren bis auf 1500 V innerhalb weniger Minuten zu laden, werden Gleichspannungsnetzteile im Bereich 10 bis 50 kW eingesetzt – je nach gefordertem Schuss-Intervall. Darüber hinaus müssen die Netzteile auch robust gegen eventuelle Überspannungen im kV-Bereich sein, die durch induktive Anteile entstehen können. Schließlich empfiehlt es sich Geräte mit Netzrückspeisung einzusetzen, um überschüssige Energie nach dem Test effizient in das Netz zurück zu speisen.
Betrachtungen zur Pulseinheit des Prüfsystems
Ist der Kondensator geladen, wird über die Pulseinheit der Strom zeitlich definiert in den Prüfling eingespeist. Dies erfolgt zunächst über den schnellen Halbleiterschalter, der je nach Anforderung in zwei Versionen verfügbar ist (Bild 4).
Während Thyristorlösungen aufgrund ihres Aufbaus bei Gleichspannung einen einmaligen Strompuls zu einem präzisen Zeitpunkt auslösen können, ist der komplexe IGBT-Stack jederzeit ein- und wieder ausschaltbar. Dies erhöht die Flexibilität des Systems, um z.B. auch schließende Schaltelemente mit Pulsstrom zu prüfen.
Der Prüfstrom wird durch die angelegte Spannung am Kondensator und einen einstellbaren Widerstand bestimmt. Verschiedene Lösungen sind im Einsatz, bei denen konfigurierbare Widerstandsmatrizen und optional auch zusätzliche Induktivitäten den Innenwiderstand der Batterie nachbilden. Ist der Widerstand vom Benutzer einfach über Steckbrücken manuell wählbar, existiert die Möglichkeit diese Verbindung optisch zu überwachen, um Bedienerfehler auszuschließen.
Die Mess- und Steuereinheit im Detail
Es müssen der Leistungsteil der Stromstoßanlage sicher gesteuert und alle Messdaten sicher erfasst werden, um später eine Analyse und Bewertung zu durchlaufen. Zur präzisen zeitlichen Steuerung und Messung wird Compact-RIO von National Instruments in Kombination mit IRS-Modulen eingesetzt.
CompactRIO (kurz cRIO) bezeichnet eine Familie von Embedded-Controllern von National Instruments. Das cRIO besteht aus einem Controller mit Echtzeitbetriebssystem oder Windows und einem FPGA sowie rekonfigurierbaren Eingabe- und Ausgabe-Modulen. Zusätzlich können über Ethernet sogenannte Expansion-Chassis angebunden werden.
Diese Plattform ermöglicht mit ihrer Kombination aus Prozessor und Echtzeitbetriebssystem und FPGA einerseits leistungsfähige Mess- und Steuerungstechnik im µs-Bereich. Andererseits gibt es eine nahtlose Verbindung zu Windows-Systemen, um die Messdaten mit gewohnten Werkzeugen zu analysieren.
Während Strom- und Spannungspulse mit hohen Abtastraten aufgezeichnet werden, sind Störungen in dem rauen Umfeld hoher Magnetfelder zu unterdrücken. Hard- und Software von IRS stellen sicher, dass saubere Messergebnisse der Tests zur weiteren Verarbeitung zur Verfügung stehen.
Die Steuerung der Leistungselektronik (mittels Thyristor oder IGBT) erfolgt galvanisch getrennt über die optischen Schnittstellen IRS Compact-RIO. Dies garantiert, dass das Messsystem sicher getrennt von der Leistungselektronik platziert werden kann und Störeinflüsse minimal bleiben. Das Mess-System ist auch gegenüber dem Bedienrechner über Lichtwellenleiter galvanisch getrennt ausgeführt. Damit werden die Messtechnik und die Steuerung im Bedienraum zusätzlich von gefährlichen Spannungen räumlich getrennt.
Die Steuerung der Anlage erfolgt über einen Industrie-PC mit einer Bedienoberfläche von IRS, die es dem Anlagenbetreuer leicht macht, Testkonfigurationen zu erstellen und auszuführen. Der Zustand der Anlage wird stets visualisiert und es besteht die Möglichkeit, die Messdaten und Kurvenformen zur weiteren Analyse weiter zu verarbeiten.
Sicherheitstechnik der Stromstoßanlage
Nicht zuletzt ist die Sicherheit ein kritisches Thema beim Betrieb von Pulsstromanlagen. Sicherheitssteuerungen überwachen den Zustand von Türkontakten und -verriegelungen, Isolations- und Spannungswächtern und steuern Türverriegelungen, Entladungsschütze, Last- und Erdungs-Schalter, um zu garantieren, dass Personen zu keinem Zeitpunkt gefährdet werden. Schließlich ist die Berührung von Spannungen von bis zu 1500 V lebensgefährlich.
Es muss sichergestellt werden, dass die Anlage nur in Betrieb ist, wenn alle Sicherheitskreise fehlerfrei arbeiten, Türen geschlossen und alle Anlagenzustände plausibel sind. Erst wenn die Energie nahezu vollständig abgebaut wurde, werden alle zugänglichen Anschlüsse automatisch geerdet und der Zutritt zum Prüfraum gewährt. Dabei garantieren netzrückspeisende Stromversorgungen die effiziente Rückgewinnung überschüssiger gespeicherter Energie.
Aber nicht nur elektrische Gefahren existieren, vor denen Mitarbeiter und Besucher geschützt werden müssen. Im Fehlerfall kann ein Prüfling bersten, denn es ist zu beachten, dass in der Anlage mehr als 2 MJ (Megajoule) an Energie in einem vollgeladenen System gespeichert sind. Würde nur 1% dieser Energie in die Bewegung einer mechanischen Komponente eines berstenden Prüflings umgewandelt, bekäme dieses Teil die Wucht eines 12-mm-Projektils. Räumliche Abschottung des Prüflings und sichere Software sind beim Betrieb einer solchen Anlage deshalb unerlässlich. Daher überwacht eine Sicherheitssteuerung stets sowohl den Zustand der Anlage als auch den des übergeordneten Prüffelds – unabhängig von der Software zur Bedienung der Anlage.
Verschiedene Varianten der Stromstoßanlagen wurden entwickelt und gebaut – je nach Anforderungen der Kunden. Die in der Tabelle gezeigten Daten repräsentieren die Parameter einer voll ausgebauten Version nach aktuellem Stand. Kleinere oder größere Varianten lassen sich nach Kundenwunsch individuell entwickeln.
* Michael Rost ist Projektleiter bei der IRS Systementwicklung, Brennberg.
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