Weltrekord-Speicherchip Hochstapler: Erstes 3D-NAND-Flash mit 232 Speicherzellschichten

Von Michael Eckstein

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200-Layer-Marke geknackt: 232 hauchdünne NAND-Einzelchips stapelt Micron zu einem Flash-Baustein mit einer Rekord-Flächendichte von 14,6 GBit pro Quadratmillimeter. Das reicht in der TLC-Variante für 1 Terabit (128 GByte) Speicherkapazität. Doch die chinesische Konkurrenz ist den Amerikanern auf den Fersen.

Hochstapler: Durch die Kombination aus CMOS-under-Array-(CuA-)Technik und dem vielschichtigen Speicher-Array erreicht Micron eine enorme Flächendichte von 14,6 GBit pro Quadratmillimeter.
Hochstapler: Durch die Kombination aus CMOS-under-Array-(CuA-)Technik und dem vielschichtigen Speicher-Array erreicht Micron eine enorme Flächendichte von 14,6 GBit pro Quadratmillimeter.
(Bild: Micron Technology)

Als erster Hersteller hat Micron die 200-Layer-Marke bei 3D-NAND-Flash-Speicherchips geknackt: 232 Schichten mit Speicherzellen stapelt der US-amerikanische Hersteller zu einem Chip mit 1 Terabit Speicherkapazität in der TLC-Variante – Weltrekord. Der Baustein erreicht eine sehr hohe Flächendichte von 14,6 GBit pro Quadratmillimeter.

Micron hatte den Rekordchip erst vor kurzem auf seinem Investor Day vorgestellt – und liegt mit der Fertigung offenbar vor seinem eigenen Zeitplan: Die Massenproduktion läuft bereits, ab heute kann Micron nach eigenen Angaben sowohl Chips als auch auf der neuen Technik basierende Consumer-SSDs der Hausmarke Crucial liefern. Ursprünglich hieß es, die Produktion solle bis Jahresende 2022 starten.

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Micron hält seine 232-Layer-NANDs für robust genug, dass sie auch in anspruchsvollen Umgebungen etwa in Fahrzeugen oder in Rechenzentren eingesetzt werden können. Weitere Hauptanwendungsgebiete verortet der US-amerikanische Hersteller in mobilen Endgeräten, in PCs und in der Unterhaltungselektronik.

Erst Ende 2020 hatte der Hersteller seine NAND-Flash-Chips mit 176 Layern angekündigt – und sich offenbar dazu entschlossen, keinen Zwischenhalt bei Bausteinen mit 192 Ebenen zu machen, sondern gleich die medienträchtige 200er-Marke zu knacken. Nur eineinhalb Jahre später folgt nun also der nächste Paukenschlag: ein 3D-NAND-Flash-Chip mit 232 hauchdünnen, übereinander liegenden und mit Speicherzellen bestückten Siliziumschichten. Damit haben die US-Amerikaner im Flash-Rennen erneut die Nase vorn (Details zum Chip weiter unten).

Konkurrenz aus China: Bringt YMTC auch NAND-Flash mit 232 Layern?

Wenn sich Gerüchte aus China bewahrheiten, wird Micron allerdings nicht lange allein auf dieser Flughöhe unterwegs sein: Das asiatische Nachrichtenmagazin DigiTimes will erfahren haben, dass der chinesische NAND-Flash-Hersteller Yangtze Memory Technologies Co. (YMTC) ebenfalls die 192-Layer-Generation überspringen und direkt auf die nächste Generation mit 232 Zellebenen wechseln will. Eine offizielle Bestätigung der angeblichen Pläne gibt es bisher aber nicht, ebenso wenig einen konkreten Zeitplan.

Selbst wenn YMTC „nur“ einen Chip mit 192 Layer vorstellen würde, wäre das allerdings beachtlich. Offenbar haben viele etablierte Unternehmen den chinesischen Newcomer bislang unterschätzt. So hatten Experten von TechInsights bereits im Herbst letzten Jahres die 128-schichtigen 3D-NANDs von YMTC unter die Lupe genommen. Besonders die Produkte auf Basis der aktuellen Xtacking-2.0-Architektur punkten demnach mit hoher Bitdichte und hohem Durchsatz.

Damit hätte YMTC zur etablierten Konkurrenz aus Südkorea, Japan und den USA – namentlich SK Hynix, Samsung, Kioxia und Micron – weitgehend aufgeschlossen.

Bei YMTCs Xtacking-Architektur werden Speicherzellen und Schaltungslogik (I/O Array) auf separaten Wafern gefertigt und im Anschluss zu einem Chip zusammengefügt. Das gelingt mittlerweile wohl so gut, dass der Fertigungsausstoß für das erste Halbjahr 2022 auf 100.000 Wafer angehoben wurde, berichtete im Mai erneut DigiTimes. Als möglicher Großabnehmer ist kein geringerer als iPhone-Hersteller Apple im Gespräch, berichtete der Nachrichtendienst Bloomberg Ende März.

Chinesische Wettbewerber: Rotes Tuch für Micron

Auf chinesische Wettbewerber ist Micron nicht gut zu sprechen: In den letzten Jahren hatte der US-amerikanische Speicherhersteller viel Ärger mit Technologiediebstahl und dem Abwandern bzw. gezielten Abwerben wichtiger Mitarbeiter und geistigen Eigentums an chinesische und auch taiwanesische Unternehmen. Von 2015 bis 2017 hatte Micron noch in einer Technologiepartnerschaft mit der chinesischen Fujian Jinhua Integrated Circuit Co. Ltd. (JHICC) in China an der Entwicklung und Erforschung neuer DRAM-Komponenten gearbeitet.

Nachdem über ein Drittel der ausgebildeten Ingenieure an die chinesische Konkurrenz verloren ging, zog Micron den Stecker: Bis Ende 2022 soll die DRAM-Entwicklung in Shanghai geschlossen werden, berichtete die Tageszeitung South China Morning Post. Micron bestätigte entsprechende Pläne gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

232-Layer-NAND-Flash: „Wendepunkt für die Speicherinnovationen“

Doch zurück zu Microns Rekordchip: Scott DeBoer, Executive Vice President of Technology and Products von Micron, sieht in dem neuen Produkt „einen Wendepunkt für die Speicherinnovationen“. Denn er sei der „erste Beweis für die Fähigkeit, 3D-NAND-Flash in der Produktion auf mehr als 200 Schichten zu skalieren“. Dafür seien mehrere Innovationen nötig gewesen, darunter „fortschrittliche Prozessfähigkeiten zur Herstellung von Strukturen mit hohem Aspektverhältnis [Verhältnis von Höhe zu Breite im Querschnitt], neuartige Materialien und bahnbrechende Designverbesserungen, die auf unserer marktführenden 176-Layer-NAND-Technologie aufbauen.“

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Die Ein-/Ausgabegeschwindigkeit erreiche branchenweit führende 2,4 GByte/s – allerdings nicht gleich: Zur Markteinführung sollen die Speicher zunächst mit 1,6 GByte/s arbeiten. Offenbar will der Hersteller keinen Datenverlust riskieren und geht auf Nummer sicher. Doch auch damit lassen sich laut Micron „die Anforderungen von datenzentrierten Arbeitslasten wie künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen, unstrukturierten Datenbanken und Echtzeitanalysen sowie Cloud Computing mit niedriger Latenz und hohem Durchsatz erfüllen“.

„Erster TLC-NAND-Chip aus laufender Produktion mit sechs Ebenen“

Laut Micron sind die 2,4 GByte/s um 50 Prozent schneller als das Maximaltempo des 176-schichtigen Vorgängers. Der 232-Layer-NAND von Micron biete außerdem eine bis zu 100 Prozent höhere Schreibbandbreite und eine mehr als 75 Prozent höhere Lesebandbreite pro Chip als die vorherige Generation. „Diese Vorteile pro Chip führen zu Leistungs- und Energieeffizienzsteigerungen bei SSDs und eingebetteten NAND-Lösungen“, sagt DeBoer.

Er führt gleich noch weitere Superlative an: So sei der 232-Layer-NAND der weltweit erste TLC-NAND-Chip aus laufender Produktion mit sechs Ebenen. Im Vergleich mit allen anderen derzeit erhältlichen TLC-Flashspeicher verfüge der Chip über die meisten Ebenen pro Die und können die Ebenen unabhängig voneinander auslesen. Die Kombination aus hoher E/A-Geschwindigkeit, geringer Lese- und Schreiblatenz und der Sechs-Ebenen-Architektur soll schnelle und zuverlässige Datenübertragungen in vielen Konfigurationen sicherstellen. Diese Struktur sorgt laut Micron für weniger Kollisionen zwischen Schreib- und Lesebefehlen und für Verbesserungen der Servicequalität auf Systemebene.

Branchenweit höchste Flächendichte und verbesserte Energieeffizienz

Erstmals unterstütze zudem ein NAND-Flash die Niederspannungsschnittstelle NV-LPDDR4, die im Vergleich zu früheren E/A-Schnittstellen pro gelesenem/geschriebenem Bit mehr als 30 Prozent Energie spare. Damit würden sich die neuen Produkte gleichermaßen für mobile Anwendungen und Einsätze im Rechenzentrum und an der Intelligent Edge eignen, die eine verbesserte Leistung mit einem geringen Stromverbrauch in Einklang bringen müssen. Die Schnittstelle ist rückwärtskompatibel und kann somit auch ältere Controller und Systeme unterstützen.

Laut Micron hat der neue 232-Layer-NAND-Chip die höchste TLC-Dichte pro Quadratmillimeter, die jemals produziert wurde, nämlich 14,6 GBit pro Quadratmillimeter. Damit liege die Flächendichte zwischen 35 und 100 Prozent höher als bei konkurrierenden erhältlichen TLC-Produkten. Für seinen neuen Speicherchip hat das Unternehmen einen ebenfalls neues, 11,5 mm x 13,5 mm großes Gehäuse entwickelt. Dieses sei ganze 28 Prozent kleiner als die Gehäuse der Vorgängerbausteine – und der Chip damit der kleinste verfügbare High-Density-NAND-Speicher.

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