Kolumne Halo, wie ist Dein Projekt gelaufen?
Peter Siwon, ELEKTRONIKPRAXIS-Kolumnist und Experte für systemisches Projektmanagement, berichtet über den Halo-Effekt und andere Management-Illusionen.
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Wenn Sie mich jetzt eines Schreibfehlers in der Überschrift überführt zu haben glauben, kann es sein, dass ich jetzt das Opfer des Halo-Effekts werde. Er führt dazu, dass Sie mich aufgrund meiner Rechtschreibung auch sonst für inkompetent halten. Der Halo-Effekt stellt eine weit verbreitete und meist unbemerkte Form der Fehleinschätzung dar, die auch in der Projektarbeit ihre Wirkung zeigt.
Ich muss Sie leider enttäuschen. „Halo“ ist kein Schreibfehler, sondern das englische Wort für Heiligenschein. Schreibfehler passieren mir zugegebenermaßen sehr oft. Sie sind der Zumutung meiner Rechtschreib- und Interpunktionsschwäche nur deshalb nicht ausgesetzt, weil meine Artikel von geduldigen Orthographie-Gurus wie Sabine Pagler Korrektur gelesen werden, die mich so vor den Folgen des Halo-Effekts bewahrt.
Er wurde erstmals von Edward Thorndike beschrieben. Thorndike stellte fest, dass Menschen dazu neigen, allgemeine Eindrücke unzulässigerweise auf konkrete Eigenschaften zu übertragen. So werden gut aussehende Menschen meist spontan auch als intelligenter, charmanter, fähiger, etc. eingeschätzt.
Sie werden jetzt einwenden: So ein Blödsinn, ich kenne jede Menge attraktive Dumpfbacken und unscheinbare Intelligenzbestien. Stimmt, doch wie würden Sie diese Personen einschätzen, bevor sie den Mund aufmachen oder durch ihr Verhalten zeigen, was sie draufhaben oder auch nicht?
Der Halo-Effekt wirkt nicht nur bei Personen, sondern auch bei Unternehmen und Projekten. Wenn die Leistung eines Unternehmens oder eines Projekts top ist, dann strahlt diese Aura des Erfolgs in unserer Wahrnehmung auch auf andere Eigenschaften von Unternehmen und Projekten ab: Die Kultur, die Genialität der Führung, die Methoden, der Prozess oder die Marke. Im Licht des Erfolgs glänzt, glitzert und funkelt alles. Legenden und Anekdoten beginnen sich schnell empor zu ranken.
Der Nimbus der Menschen, denen wir den Erfolg zuschreiben, lässt sie zu Helden erstrahlen. Nimbus ist übrigens das lateinische Wort für Heiligenschein. Menschen lieben Heldengeschichten. In der Wirtschaft sind das die von-der-Garage-zum-milliardenschweren-Konzern-Geschichten, quasi Aschenputtel für Manager oder für Disney-Gebildete: Cinderella für Manager.
Clevere Autoren und Berater wissen, dass sich diese modernen Märchen sehr gut als Erfolgsratgeber getarnt verkaufen lassen, in denen rückblickend die „Schritte zum Erfolg“ analysiert und beschrieben werden. Doch dieser Rückblick wird in der Regel durch den Halo-Effekt verzerrt, weil im Lichte des Erfolgs vieles glänzt, was kein Gold ist. Außerdem wird gerne nur das betrachtet, was im Spot des Erfolgsscheinwerfers zu sehen ist. Es werden zwar Erfolgsfaktoren identifiziert, doch es wird versäumt zu überprüfen, wie oft sie in anderen Fällen eben nicht zum gewünschten Ergebnis führten. Wäre dasselbe Team oder derselbe Projektleiter in anderen Projekten genauso erfolgreich?
Auch werden Ursache-Wirkungs-Ketten zusammengesetzt, bei denen nüchtern betrachtet nicht eindeutig ist, was Henne und was Ei ist: Wird der Projektleiter als genial gesehen, weil er Erfolg hatte, oder war seine Genialität die Ursache für den Erfolg? Faktoren wie eingegangene Risiken oder glückliche Rahmenbedingungen, die außerhalb des Einflusses der Beteiligten lagen, werden gerne übersehen. Ich befürchte, dass viele dieser retrospektiven Erfolgsanalysen auf statistisch schwachen Beinen stehen, weil die betrachteten Daten weder repräsentativ noch frei von Einflüssen durch den Halo-Effekt und andere verzerrende Effekte sind. Und davon gibt es viele!
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