Flexible Entwicklung von Anwendungen für Machine Vision

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Am Beispiel der IBV-Software MERLIC skizziert der Artikel aktuelle Anforderungen an die Bildverarbeitung und zeigt, wie Applikationen ohne Programmierung entstehen können.

Bild 1: Im MERLIC-Designer lässt sich ein beliebiges Frontend-Design erstellen. Alle Elemente, d.h. Widgets, die per Drag & Drop in den Arbeitsbereich auf der rechten Seite eingefügt werden, sind im Frontend sichtbar.
Bild 1: Im MERLIC-Designer lässt sich ein beliebiges Frontend-Design erstellen. Alle Elemente, d.h. Widgets, die per Drag & Drop in den Arbeitsbereich auf der rechten Seite eingefügt werden, sind im Frontend sichtbar.
(Bild: MVTec)

Machine-Vision-Verfahren waren stets Basis des Erfolgs der Bildverarbeitung in der industriellen Automatisierung. Nun, als Teil einer ganzheitlichen Automation, fördert der hohe Innovationsgrad der IBV auch die Digitalisierung der industriellen Produktion. Dies ist Weg bestimmend in der Industrie 4.0. Die Wertschöpfungsketten in den Fertigungsunternehmen verändern sich dadurch tiefgreifend.

Charakteristisch sind ein extrem hoher Automatisierungsgrad mit durchgängig vernetzten Workflows. Typisch für Industrie 4.0 und Smart Factory ist es unter anderem, dass technische Komponenten wie Maschinen, Roboter, Transfer- und Handling-Systeme, Sensoren und Kameras immer häufiger ohne menschliches Zutun kooperieren und kommunizieren. Mitarbeiter greifen gelegentlich nur noch steuernd ein oder übernehmen Fertigungsschritte, die sich schwer automatisieren lassen.

Aber auch eine enge Zusammenarbeit von Menschen mit einer neuen Generation kompakter, leichter und mobiler Roboter, den sogenannten Collaborative Robots (Cobots), ist denkbar. Dabei werden zu Montagezwecken sogar Bauteile von Mensch zu Maschine oder umgekehrt gereicht. Die Cobots unterstützen die Fertigung durch eine besonders hohe Flexibilität: Sie lassen sich schnell und einfach umrüsten und können dann immer wieder neue Produktionsaufgaben übernehmen.

Dreh- und Angelpunkt ist die Bildverarbeitung

Eine wichtige Rolle in diesen hochautomatisierten Fertigungsszenarien spielt die industrielle Bildverarbeitung (Machine Vision). Dies gilt insbesondere auch für die Elektronikindustrie. So sind in den Montagehallen weitläufig verteilt Bildeinzugsgeräte wie Kameras oder 3D-Sensoren installiert, die das Produktionsgeschehen lückenlos aufzeichnen. Das dabei in großen Mengen generierte digitale Bildmaterial wird von einer Machine-Vision-Software verarbeitet, die alle Ergebnisse für die weiteren Prozessketten bereitstellt.

Als Auge der Produktion überwacht die Technologie alle Abläufe und erkennt Objekte verschiedenster Art zweifelsfrei anhand äußerer Merkmale. Dadurch lassen sich elektronische Teile und Baugruppen sicher identifizieren, positionieren und weiterverarbeiten. Auch die Handling-Prozesse von Cobots und Robotern werden effizienter. Diese können mittels Bildverarbeitung die Werkstücke präzise zuordnen und greifen. Zudem lässt sich mit Machine Vision die Qualitätssicherung automatisieren und optimieren. Fehlerhaft gefertigte Platinen, Leiterplatten und sonstige Bauteile werden verlässlich erkannt und aussortiert, bevor die Produkte für die weitere Verarbeitung oder zur Auslieferung bereitgestellt werden.

Industrie 4.0 erfordert ein hohes Maß an Flexibilität

Herkömmliche Machine-Vision-Systeme besitzen eine gewisse Unbeweglichkeit, wenn es um neue Prüfaufgaben geht; sie sind komplex in ihrer Anwendung und erfordern profunde Programmierkenntnisse sowie detaillierte Kenntnisse der Bildverarbeitung. Im modernen Industrie-4.0-Umfeld ist jedoch ein hohes Maß an Flexibilität gefragt. Cobots müssen sich schnell und mit wenig Aufwand für wechselnde Jobs einrichten lassen. Hierfür werden Bildverarbeitungsprogramme benötigt, die sich ebenso rasch erstellen und auch modifizieren lassen. Moderne Machine-Vision-Lösungen müssen auf diese Anforderungen reagieren und dazu geeignete Funktionen besitzen. Nur dann lässt sich die Realisierung gewünschter Applikationen vereinfachen und schließlich die Einrichtung von Robotern beschleunigen.

Unterstützung bietet hier eine neue Generation von IBV-Software wie MERLIC, mit der eine Anwendung per Drag & Drop visuell über das Bild konfiguriert wird. Anders als traditionelle Systeme nutzt diese Software von MVTec eine bildzentrierte Bedienoberfläche, die den Anwender intuitiv durch den gesamten Prozess begleitet. Anstatt mit komplexen Codes, Befehlszeilen oder Parameterlisten zu arbeiten, werden alle Bildverarbeitungsfunktionen wie bei einem What-You-See-Is-What-You-Get-Editor (WYSIWYG) visuell dargestellt. Eine integrierte Toolbox enthält Standardwerkzeuge für Aufnahme, Kalibrierung, Ausrichtung, Messen, Zählen, Prüfen, Lesen, Positionsbestimmung, Fehlererkennung, Vorverarbeitung von 3D-Bildern und vieles mehr. So entstehen Machine-Vision-Anwendungen in kurzer Zeit und ohne tiefgehendes Expertenwissen in Programmierung und Bildverarbeitung.

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Das easyTouch-Konzept sorgt für die schnellere Applikationsentwicklung: Bewegt man den Mauszeiger über das Bild, visualisiert MERLIC identifizierbare Objekte für die aktuelle Mausposition. Die gewünschte Auswahl kann per Mausklick bestätigt werden.
Das easyTouch-Konzept sorgt für die schnellere Applikationsentwicklung: Bewegt man den Mauszeiger über das Bild, visualisiert MERLIC identifizierbare Objekte für die aktuelle Mausposition. Die gewünschte Auswahl kann per Mausklick bestätigt werden.
(Bild: MVTec)

Eine weitere Vereinfachung bietet das Konzept namens easyTouch: Hierbei wird der Mauszeiger über ein Bild bewegt, wodurch sich charakteristische Merkmale im Bild (beispielsweise Kreise oder Kanten) sofort erkennen, markieren und mit einem Klick auswählen lassen. Damit entfällt die aufwändige Konfiguration komplexer Parameter, was Zeit spart. Überdies ist ein benutzerfreundlicher Designer mit zahlreichen Bedienelementen integriert, mit dem in wenigen Schritten per Drag & Drop ein grafisches User-Frontend (GUI) entsteht.

Bild 2: Die Bedienoberfläche ist individuell anpassbar. Alle Panels des MERLIC-Backends lassen sich verschieben und in Fensterbereichen positionieren. Das Tool-Flow-Panel links oben gibt eine Übersicht aller Tools, die in der MERLIC-Vision-App verwendet werden. Vorhandene Verbindungen zwischen den Tools werden visualisiert. Die Tool-Bibliothek darunter enthält alle verfügbaren MERLIC-Tools, die zum Erstellen einer App verwendet werden können. Die Tool-Bibliothek ist mit eigenen Tools, den Custom Tools, erweiterbar.
Bild 2: Die Bedienoberfläche ist individuell anpassbar. Alle Panels des MERLIC-Backends lassen sich verschieben und in Fensterbereichen positionieren. Das Tool-Flow-Panel links oben gibt eine Übersicht aller Tools, die in der MERLIC-Vision-App verwendet werden. Vorhandene Verbindungen zwischen den Tools werden visualisiert. Die Tool-Bibliothek darunter enthält alle verfügbaren MERLIC-Tools, die zum Erstellen einer App verwendet werden können. Die Tool-Bibliothek ist mit eigenen Tools, den Custom Tools, erweiterbar.
(Bild: MVTec)

Tools parallel ausführen und Daten simultan verarbeiten

Nun hat MVTec MERLIC (aktuelle Version 4) eine weiter optimierte Bedienung erhalten. Sie besitzt beispielsweise Funktionen, mit denen sich Werkzeuge parallel ausführen und die Daten simultan verarbeiten lassen. Dadurch können Multikamera-Setups einfacher implementiert werden. Zudem lässt sich die Systemrechenleistung effizienter nutzen. Dieser Tool Flow ermöglicht es, die Bedienoberfläche noch intuitiver zu bedienen und parallele Stränge mit den Werkzeugen unkomplizierter anzuordnen und handzuhaben.

Ein weiterer Vorteil der Software ist, dass sich die erzeugten Machine-Vision-Applikationen nahtlos in ganzheitliche Automatisierungslösungen einbetten lassen. Dazu dienen dann beispielsweise Hilscher-PC-Karten, um problemlos mit gängigen Feldbus- und Echtzeit-Ethernet-Industrieprotokollen wie PROFINET, EtherCAT und vielen anderen zu kommunizieren.

Die verbesserte Usability bringt erkennbare Vorteile: Es werden keine ausgewiesenen Experten mit fundierten Programmier- und Bildverarbeitungskenntnissen mehr benötigt, um professionelle Machine-Vision-Anwendungen zu erstellen. Vielmehr können Mitarbeiter verschiedener Fachrichtungen diese Aufgabe übernehmen, während sich Profi-Entwickler den anspruchsvolleren Programmiertätigkeiten zuwenden können. Zudem lässt sich der Aufwand für Standard-Entwicklungsprozesse reduzieren und dadurch Zeit einsparen. So sind dann beispielsweise Machine-Vision-Anwendungen für Cobots schneller erstellbar.

Interaktion von Machine Vision und SPS via OPC UA

Um durchgängig automatisierte Industrieprozesse zu gewährleisten, müssen Machine-Vision-Lösungen nicht nur nutzerfreundlich sein, sondern auch nahtlos mit anderen Disziplinen wie etwa der speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) interagieren. Dieses Ziel lässt sich am besten durch die Entwicklung von gemeinsamen Normen und Standards erreichen. Eine besondere Bedeutung kommt hier der Open Platform Communications Unified Architecture (OPC UA) zu. Als gängiges Protokoll für den Datenaustausch zwischen Maschinen sorgt OPC UA für eine sichere und zuverlässige industrielle Kommunikation. Der Standard ist unabhängig von Hersteller, Plattform sowie Betriebssystem und ermöglicht dadurch einen übergreifenden Informationsfluss zwischen Komponenten verschiedener Anbieter. So ist er besonders für den Einsatz in heterogenen System-Landschaften geeignet.

Der Tool-Arbeitsbereich bietet eine Detailansicht des ausgewählten MERLIC-Tools. Alle Verbindungen zu vorherigen und nachfolgenden Tools sind sichtbar.
Der Tool-Arbeitsbereich bietet eine Detailansicht des ausgewählten MERLIC-Tools. Alle Verbindungen zu vorherigen und nachfolgenden Tools sind sichtbar.
(Bild: MVTec)

Mit seiner konsistenten und definierten Semantik kann OPC UA eine Verbindung zwischen der industriellen Bildverarbeitung und speicherprogrammierbaren Steuerungstechnik optimal herstellen und beide Disziplinen zusammenbringen. Diesen Standard weiter voranzutreiben, ist das Ziel der OPC-Vision-Initiative des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Als erstes Resultat dieser Initiative gibt es den Teil 1 der OPC UA Companion Specification Vision. Die Entwicklung von Bildverarbeitungssystemen profitiert so über alle physikalischen Layer und Feldbusse hinweg von der einheitlichen Semantik.

OPC Vision bietet ein generisches Modell für alle Bildverarbeitungssysteme vom einfachen Vision-Sensor bis zum komplexen Inspektionssystem. Es geht dabei nicht um den Ersatz bestehender Schnittstellen zwischen einem Bildverarbeitungssystem und seiner Prozessumgebung mittels OPC UA, sondern darum, nicht vorhandene horizontale und vertikale Integrationsfähigkeiten zu schaffen, um relevante Daten an andere berechtigte Prozessbeteiligte zu kommunizieren. Durch seine aktive Mitarbeit in der OPC-Vision-Initiative unterstützt MVTec diese Entwicklung maßgeblich. Auch ist geplant, dass die Bildverarbeitungsprodukte von MVTec den OPC-Vision-Standard implementieren.

Fazit: Zur Umsetzung hochgradig automatisierter und durchgängig vernetzter Prozessketten im Sinne von Industrie 4.0 und Smart Factory bedarf es moderner Schlüsseltechnologien. Durch den Einsatz besonders nutzerfreundlicher Machine-Vision-Lösungen und deren Verzahnung mit anderen Systemwelten wie der SPS kommen Elektronik-Unternehmen diesem Ziel einen entscheidenden Schritt näher.

* Sonja Schick ist Product Manager MERLIC, MVTec Software, München.

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